Weihnachtsstimmung in Puerto Ordaz
Puerto Ordaz, Venezuela
Der Ridery-Fahrer setzte mich vor dem Zuhause meiner Gastgeberin Danyelis ab. Sie erwartete mich schon an der Straße. Danyelis lebt in einem Wohnblock. Auf den ersten Blick sicher nicht der nobelste. Auch ihre Wohnung ist recht einfach gehalten. Sie entschuldigte sich für die Müllsäcke, die im Wohnzimmer herumstanden. Aus irgendwelchen Gründen sei die Müllabfuhr wieder einmal nicht gekommen. Aber dafür hat sie wieder Strom, der lief nämlich die letzten Stunden auch nicht. Nur das Wasser würde wohl die nächsten Tage ausbleiben. Es gab im Moment so eine Art "Notwasserversorgung" aus einem einzigen Wasserhahn in der Wohnung, wobei dieses farblich eher Schwarztee glich. Alles ganz alltägliche Probleme in Venezuela. Nichtsdestotrotz fühlte ich mich sofort wie zu Hause bei ihr und ihren zwei Töchtern Francis (7) und Grace (14). Nicht zu vergessen die sieben Katzen. Eine Katzenmama mit 5 Babys und noch eine schwangere Katze. Danyelis hatte bereits etwas für mich gekocht und war ständig bemüht darum, dass ich mich wohl fühle. Sie hatte sogar extra ihr Schlafzimmer geräumt, damit ich in ihrem Bett schlafen könne. Sie und die Mädels würden auf einer Matratze im Wohnzimmer schlafen. Ich bin immer wieder aufs Neue gerührt von der herzlichen Gastfreundschaft der Menschen hier.
Parque La Llovizna, Puerto Ordaz |
Francis und die schwangere Katze ;) |
Die Wirtschaftskrise in Venezuela
Danyelis erzählte mir freudig von ihrem Business, das sie erst vor kurzem gestartet hatte: Sie macht Waffeln und verkauft diese. Dazu hat sie einiges an Werkzeug bei sich zu Hause herumstehen. Der Job perfekt, denn nun könne sie von zu Hause aus arbeiten und mittlerweile habe sie so viele Aufträge, dass sie oft die halbe Nacht durcharbeiten müsse. Eine feste Anstellung rentiert sich fast nicht, da die Bezahlungen unterirdisch sind. Der Mindestlohn im Land liegt bei gerade einmal 30 USD im Monat, wovon man unmöglich leben kann. Wir trafen später noch zwei Freundinnen von ihr. Sie sind Krankenschwestern. Der Lohn für diesen Job liegt zwischen 30 und 120 USD im Monat - je nach Spezialisierung. Es ist wirklich unglaublich. Vor allem im Anbetracht der Tatsache, dass die Supermärkte hier teurer sind als in den meisten Ländern Europas. Ich kann mehr und mehr verstehen, wieso massenweise Venezolaner versuchen das Land zu verlassen. Es ist fast unmöglich unter solchen Umständen zu (über)leben. Scheinbar sind die wirtschaftlichen Verhältnisse mittlerweile besser geworden, aber immer noch weit weg von halbwegs lebenswert.
Während wir mit den zwei Freundinnen durch Puerto Ordaz fuhren, kamen wir auf das Thema "Tanken" zu sprechen, da ich eine kilometerlange Autokolonne am Straßenrand sah. Zuerst dachte ich sie würden dort parken, doch bei genauerem Hinsehen, bemerkte ich, dass dort überall Leute drin saßen oder lagen. Ich wurde aufgeklärt, dass dies die Warteschlange für eine Tankstelle sei. Sie zog sich ohne Übertreibung durch die ganze Stadt. Man muss im Schnitt mit sechs Stunden Wartezeit rechnen um zu tanken. Am besten sei es wenn man sich um zwei oder drei Uhr nachts anstellt. In den schlimmsten Zeiten der Krise hätte man sogar zwei, drei Tage warten müssen. Kann sich das irgendjemand vorstellen? Venezuela ist das Land mit den größten nachgewiesenen Ölreserven der Welt. Früher war der Sprit hier fast kostenlos. Mittlerweile ist das Tanken eine absolute Horror-Tortur geworden. Die einst stolze Ölindustrie des Landes ist den Bach runter gegangen. Gründe dafür sind, dass die Anlagen nicht mehr instand gehalten werden. Zudem kann Venezuela nicht mehr so viel Öl am Weltmarkt verkaufen, da das Land hoch verschuldet ist und seine Kredite in Form von Öllieferungen zurückzahlen muss. Traurig.
Ganz nebenbei erzählte mir Danyelis, dass sie in ein paar Tagen nach Europa fliegen würde um ihren Verlobten aus der USA dort zu heiraten. Sie bräuchte nur noch ein Brautkleid. Ich sollte ihr dabei helfen, einen Stoff auszusuchen. Ich staunte wie sie so relaxt sein konnte, ein paar Tage vor ihrem großen Tag. Wir fanden einen schönen Stoff wovon sie 3 Meter kaufte. Nun hoffte sie, dass ihre Schwester in den nächsten Tagen Zeit haben würde, um ihr das Kleid zu nähen.
Parque La Llovizna
Nachdem Grace und Francis am Dienstag Morgen in die Schule gebracht wurden, besuchten Danyelis und ich den Parque La Llovizna. Es handelt sich dabei um einen wunderschönen Park mit eindrucksvollen Wasserfällen.
Danyelis und ich |
Es weihnachtet sehr!
Am Abend besuchten wir den "Parque La Navidad" (Weihnachtspark). Die Venezolaner lieben Weihnachten und kitschige Dekos. Im Anbetracht der Tatsache, dass es aber sonst an allen Ecken und Enden an finanziellen Mitteln im Land fehlt, ist das Ganze vielleicht doch etwas fragwürdig.
Am Mittwoch Morgen besuchte ich gemeinsam mit Danyelis ihre Tochter Francis in der Schule. Selbst dort ist alles weihnachtlichst dekoriert.
Besuch einer Grundschule in Puerto Ordaz |
Heute ist ein großer Tag, denn in allen Klassen werden "Hallacas" zubereitet. Es handelt sich dabei um ein traditionell venezolanisches Gericht für die Weihnachtszeit. Geschichtlich haben die Hallacas eine lange Tradition und jede Region und Familie hat ihr eigenes Rezept. Eine Maismasse wird mit verschiedenen Zutaten (Fleisch, Rosinen, Zwiebeln, Oliven, Eier ....) gefüllt, dann in Bananenblätter eingewickelt und gekocht. Es ist ähnlich wie Tamales, welche es in vielen Ländern Südamerikas gibt.
Francis beim Zubereiten von Hallacas |
Gegen Mittag verabschiedete ich mich von Danyelis und zog in ein Airbnb um. Sie hätte mir zwar angeboten noch weitere Tage bei ihr zu wohnen, aber ich wusste, dass sie noch super viel zu tun hatte für ihre Reise nach Europa und wollte nicht zusätzlich zur Last fallen. Das Airbnb ist etwas außerhalb des Zentrums in einer sehr ruhigen Gegend. Es werden mehrere Zimmer vermietet, wobei ich aber der einzige Gast war.
Parque Cachamay
Gestern ließ ich mich mit dem Mototaxi zum Parque Cachamay bringen. Auch hier gibt es Wasserfälle und Dschungel zu sehen. Leider wird der Park schon seit längerem nicht mehr wirklich gewartet, denn es sieht alles ziemlich heruntergekommen und verlassen aus. Ein paar wenige Leute hielten sich im Eingangsbereich des Parkes auf, der Rest war vollkommen leer. Die meisten eingezeichneten Wanderwege waren komplett verwachsen, nur auf dem Hauptweg kann man noch gut wandern. Ich verbrachte etwa zweieinhalb Stunden dort. Als ich schon recht tief im Dschungel drin war und plötzlich ein Warnschild vor Tigern am Baum angebracht war, überkam mich ein komisches Gefühl. Ich erinnerte mich dann noch, dass Danyelis mir erzählt hatte, dass man dort in der Gegend vor Kurzem eine riesige Anakonda gesichtet hatte. Also beschloss ich umzudrehen. Außer Affen, Vögeln, Echsen und Schmetterlingen sah ich aber keine weiteren Tiere.
Parque Cachamay in Puerto Ordaz |
Am Donnerstag Abend ging es zum Abschied mit den Mädels noch in eine Karaoke Bar. |
Nun warte ich auf meinen Flug auf die Isla Margarita. Mal sehen, was dort für Abenteuer auf mich warten!
Hasta luego!
Eure Michi :)