Enter your keyword

Donnerstag, 26. Oktober 2023

Zyklon "Lola" wütet in Vanuatu

 

Meine nächstes Ziel sollte etwas außerhalb von Port Vila bei meinem Couchsurfing Gastgeber Grant sein. Viel wusste ich über die Unterkunft dort nicht, aber er beschrieb sie als "speziell". Grant arbeitet als Fitnesstrainer in Port Vila. Er hat dort erst vor Kurzem sein eigenes Studio eröffnet. Ich konnte meinen großen Rucksack bei ihm im Fitnessstudio lassen, während ich den Tag über durch die Stadt schlenderte und ein paar Besorgungen machte. Am Abend durfte ich mit seinem Nachbar Mike mitfahren, da Grant nur einen Gelände-Buggy besitzt, der wohl ein Einsitzer ist. 


Die Fahrt von Port Vila zu Grant's Haus - oder vielleicht sollte man besser "Hütte" sagen - dauerte gut eine Stunde, wobei die letzten Kilometer einer überaus holprigen Schotterstraße mit etlichen Schlaglöchern entlang führten. Als mir Mike während der Fahrt ein wenig von Grant's Haus erzählte wurde mir langsam aber sicher klar, dass das dort abenteuerlich werden könnte. Es gibt keine Toilette. Man geht also einfach in den Busch. Die Outdoor Dusche ist an einem Baum befestigt und das ganze Haus sei offen - was heißen sollte, dass die Räume auf mindestens einer Seite keine Mauer oder sonstige Wand haben. Ich weiß, das hört sich alles irrsinnig toll an. ABER: Vielleicht könnt ihr euch erinnern, dass gestern eine Zykonwarnung herausgekommen ist. Bevor ich mit meiner Erzählung weiterfahre, kurz noch ein paar Fakten zu einem Zyklon:


Was ist ein Zyklon?

Ein Zyklon ist ein tropischer Wirbelsturm. Er bildet sich, wenn sich große Wassermassen für längere Zeit auf über 26°C erwärmen. Ab dieser Temperatur verdunstet Wasser schneller und es bilden sich sogenannte Wolkenstürme. Diese können in riesige Höhen wachsen. Da die Erde ständig rotiert werden diese Wolkenstürme in Bewegung gebracht. Im Zentrum eines Zyklons können Windgeschwindigkeiten bis zu 250 km/h entstehen. Es kommt zu sinflutartigen Regenfällen und man muss mit Stromausfällen, Flugausfällen, Wasserausfällen und Unterbrechungen der Telefonverbindung rechnen. Zudem werden oft Straßen durch umgestürzte Bäume abgeschnitten. 


Die Buschtoilette und die Boa Constrictor

Mike beruhigte mich. Die Zyklonsaison startet normalerweise erst im November. Ende Oktober ist also noch mit keinem starken Zyklon zu rechnen. Als Grant gegen 20 Uhr zu uns stieß war es schon stockdunkel. Mit einer Taschenlampe bewaffnet machten wir uns auf von Mike's Haus zur Hütte von Grant. Mike ist übrigens sein einziger Nachbar. Kilometerweit lebt sonst kein Mensch. Es gibt ringsum nur Dschungel und das Meer. Irgendwie unheimlich. Ich konnte nur hoffen, dass Grant kein Psychopath ist. Seine Behausung fand ich tatsächlich sehr eindrucksvoll. Er hat die rustikale Hütte selber gebaut. Die Küche ist komplett offen. Wegen der nicht vorhandenen Toilette bekam ich noch eine kurze Anleitung wie ich mein Geschäft zu verrichten hätte. Wenn ich "klein" müsste, sollte ich einfach mindestens 50 Meter vom Haus weggehen und mir ein Plätzchen im Busch suchen. Für das große Geschäft sollte ich vor zu den Klippen gehen und es direkt ins Meer purzeln lassen. Wow, unglaublich, dass er so schon seit Jahren lebt. Aber immerhin bevorzuge ich Buschtoiletten im Gegensatz zu verdreckten Klos. Als ich mich später das erste Mal auf in den Busch machte, ließ ich einen gellenden Schrei los. Grant eilte sofort herbei und brach in schallendes Gelächter aus. Ich wäre um ein Haar auf eine etwa ein Meter lange Schlange getreten, die keinen Anstand machte sich vor mir zu verstecken. Grant erklärte mir ganz lässig, dass das doch bloß eine kleine Boa Constrictor wäre. Die gäbe es hier in Massen. Aber die seien nicht giftig, meinte er und versuchte sie am Hinterteil zu fassen. Die Boa zeigte sich kampflustig und hätte ihn fast gebissen. Normalerweise wären die nicht so aggressiv, erklärte er. Für mich war das erstmal genug Adrenalin. Meine nächsten Klogänge waren jedes Mal eine Mutprobe.


Begegnungen am Weg zur Buschtoilette


"Sind wir hier wirklich sicher vor einem Zyklon?"

Als wir abends in seiner offenen Küche saßen und plauderten, kam plötzlich eine Warnmeldung auf Grant's Telefon herein. Ich hatte übrigens kein Netzwerk hier. Der Zyklon wurde mittlerweile von Kategorie 3 auf 5 hochgestuft und das ist die höchste Stufe, die es gibt!! Ich bemerkte wie Grant sichtlich nervös wurde. So früh in der Saison hätte er keinesfalls mit einem Wirbelsturm von diesem Ausmaß gerechnet. Er erzählte mir ganz nebenbei, dass der letzte Zyklon sein Dach davongeweht hätte und noch diverse andere Sachen rund ums Haus zerstört hat. Ich bekam schön langsam Muffensausen. Noch nie zuvor  habe ich einen tropischen Wirbelsturm erlebt. Ich hatte keine Ahnung was ich erwarten sollte. "Sind wir hier wirklich sicher?", fragte ich vorsichtig nach. Mit Sorge schaute Grant auf die hohen Bäume, die rund um uns herum stehen. Sie seien sehr alt. Wenn da einer umgeweht werden würde und aufs Haus fällt, dann wäre es das wohl gewesen. Zudem sei das Meer sehr nahe. Wenn der Wirbelsturm Riesen-Wellen verursacht, könnten uns diese locker wegschwemmen. Man möge wohl meinen, er wollte mir bloß Angst machen. Das Gefühl hatte ich aber nicht. Grant hatte scheinbar mehr Schiss als ich. Das war kein gutes Zeichen. Vermutlich befanden wir uns an einem der unsichersten Orte überhaupt für so einen Sturm. Der Nachthimmel war eigenartig lila und zudem hörte man kein Lüftchen. Das wäre die Stille vor dem Sturm, wurde ich aufgeklärt. Auch sein Hund verhielt sich heute scheinbar eigenartiger als sonst.  


Kurz nach Mitternacht zog ein starker Wind auf. Ich konnte die ganze Nacht fast kein Auge zu tun, da ich so eine Angst hatte. Es wehte wie verrückt durch mein Zimmer hindurch, da die Front komplett offen war. Dort hing nur ein Vorhang, den es wie wild herumwirbelte. Als ich kurz einschlief hatte ich einen furchtbaren Alptraum. Ich war schweißgebadet und wollte eigentlich nur noch weg von hier. Hinzu kommt, dass sich zwei meiner Bettwanzenbisse, die ich mir in Fidschi geholt hatte, mittlerweile stark entzündet haben. Ich nahm bereits seit Tagen ein Antibiotikum, welches aber keine Besserung mit sich brachte. Irgendwie hatte ich das Gefühl ich hätte nun auch Fieber. Meine Lymphknoten fühlten sich geschwollen an. 


Als ich am nächsten Morgen auf Grant traf, meinte er ich sehe gar nicht gut aus. Ich erzählte ihm von meinen Bissen. Er schaute sie sich an und riet mir dringend ein anderes Antibiotikum zu nehmen, da eine solche Infektion hier in den Tropen nicht ohne sei. Ein Freund von ihm hätte durch so etwas seinen Fuß verloren. Irgendwie schaffte er es immer wieder mich noch mehr zu beunruhigen. Da Grant bei dem heutigen Sturm unmöglich mit seinem Buggy in die Arbeit fahren konnte rief er kurzerhand Mike an, der sich schon frühmorgens nach Port Vila aufgemacht hatte. Dieser versprach mir ein stärkeres Antibiotikum mitzunehmen. Eigentlich wollte ich liebend gerne auch zurück in die Stadt, dort hätte ich mich um einiges sicherer gefühlt. Aber scheinbar war das im Moment unmöglich. 


Grant las die Nachrichten von heute. Das komplette Land schien sich in einem Ausnahmezustand zu befinden. Alle Geschäfte blieben geschlossen und die Menschen wurden aufgefordert ihre Behausungen sturmischer zu machen und Lebensmittel zu bunkern. Sämtliche Flüge wurden gestrichen und Schiffe zurück in die Häfen gerufen. Die Menschen wurden aufgefordert das Haus nicht mehr zu verlassen. Es herrschte weiterhin höchste Alarmstufe.


Ich half Grant dabei alles rund ums Haus zu befestigen. Ansonsten verbrachten wir den Tag mit warten... warten auf den ersten Zyklon meines Lebens. Im Tagesverlauf fühlte ich mich etwas besser, was bestimmt auch daran lag, dass ich merkte, dass Grant ein herzensguter Mensch ist. Im Minutentakt schauten wir uns die Satellitenbilder an, um zu sehen wo sich der Wirbelsturm im Moment genau befand. Irgendwann in der Nacht sollte er uns dann erreichen. Die Nachrichten ließen Berichte und Warnungen rauf und runter laufen. 


Die rustikale Behausung von Grant ;) Hier machen wir gerade alles sturmischer (zumindest soweit es geht *lach*). Links im Bild sieht man mein Schlafzimmer, welches an der Vorderseite nur durch einen Vorhang "geschützt" ist. 


Die Open-Air Küche :)


Ich war heilfroh, als Mike es spät abends noch schaffte von Port Vila zurück zu seinem Haus zu fahren. Der Sturm war mittlerweile nämlich sehr stark. Der Gute hat mir mein Antibiotika mitgebracht. 


Die Nacht des Zyklons

Kurz bevor ich zu Bett ging, schauten wir uns noch einmal die Zyklonvorhersage an. Es war nun wohl nicht mehr ganz sicher, dass er uns in seiner vollen Stärke treffen würde. Es sah so aus, als würde er Port Vila nur streifen. Als ich später im Bett lag begann es stark zu regnen. Der Wind war phasenweise irrsinnig laut und wehte mit vollem Karacho durch mein Zimmer. Daraufhin Totenstille. Ein paar Minuten später zog wieder ein starke Windböe durch. So ging es die ganze Nacht. Es war ziemlich unheimlich. Irgendwann gegen 3 Uhr nachts kam Grant einmal vorbei um nachzusehen, ob bei mir alles in Ordnung war. Ja es war alles gut, nur mein halbes Bett ist vom Regen etwas nass geworden, aber das war wirklich das geringste Übel.


Ich war froh, als die Morgendämmerung einsetzte. Der schlimmste Teil vom Sturm sollte durch sein. Ich lief gegen 6 Uhr morgens zu Mike hinüber, um ihn zu fragen, ob er denn in die Arbeit fahre. Er bejahte. Ich packte meine sieben Sachen und verabschiedete mich von Grant. Wenn es mir gesundheitlich besser ginge und nicht gerade ein Zyklon wüten würde wäre sein Zuhause ein absolutes Paradies. Aber in der jetzigen Situation war es einfach besser mir ein Zimmer in der Stadt zu nehmen. 


Port Vila sah aus wie eine Geisterstadt. Keine Menschenseele auf der Straße und auch keine Autos. Mike war vermutlich einer der wenigen, die heute in die Arbeit fuhren. Wir konnten zum Glück ein geöffnetes Café finden. Dort setzte er mich ab und ich konnte ein bisschen recherchieren wo ich die Nacht verbringen würde. Das Antibiotikum schien recht schnell gewirkt zu haben, denn bis auf massiven Schlafmangel fühlte ich mich nun tatsächlich wieder etwas besser. Ich staunte nicht schlecht als ich plötzlich Umut traf. Er ist Türke und reist seit über zwei Jahren um die Welt. Ich habe ihn zufällig am Flughafen in Vanuatu getroffen und dabei festgestellt, dass er mit Carolin (meine Reisbegleitung in Papua Neuguinea) in Fidschi im selben Hostel war. Die Welt ist einfach so klein. Wir beschlossen kurzerhand in der selben Pension unterzukommen. Das Wetter war den ganzen Tag stürmisch und regnerisch. Nachdem wir gemeinsam unsere Instant Nudeln gekocht hatten, ging es für mich dann schon sehr früh ab ins Bett.


Heute am Mittwoch fühle ich mich schon um einiges besser. Endlich wieder halbwegs ausgeschlafen und auch meine infizierten Wunden scheinen langsam zu heilen. Morgen sollte es gemeinsam mit Skylar auf die Insel Tanna zum Vulkan gehen. Ich hoffe das Wetter bis dahin besser wird, da heute noch alle Flüge gecancelt wurden. Wie es der Zufall so will, fliegt Umut morgen tatsächlich auch nach Tanna. Da sind wir auf alle Fälle ein lustiger Multi-Kulti Trupp ;)


Noch ein kurzes Update zu Lola: Scheinbar hat der Zyklon in einigen Teilen Vanuatus recht heftig gewütet und schwere Schäden an Gebäuden und in der Landwirtschaft verursacht. Es kam zudem zu Überflutungen und Erdrutschen. Zeitweise wurde er als Tropensturm der stärksten Kategorie fünf eingestuft. Mittlerweile wurde er aber in die Kategorie drei herabgestuft. Lola ist der erste vorsaisonale Zyklon dieses Jahres. Es wurden Windgeschwindigkeiten von bis zu 185 km/h gemessen. Auch der ORF und die Salzburger Nachrichten haben von diesem Zyklon berichtet. 




=> Hier findest du noch mehr Fotos und Videos von Port Vila <=




Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Über Kommentare, Fragen, Wünsche & Anregungen freue ich mich immer sehr :)