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Montag, 25. September 2023

Madang - die Stadt der Mörder

By On September 25, 2023

 

Das Chaos geht weiter.  Mittlerweile habe ich mich allerdings schon daran gewohnt, dass hier so ziemlich nichts nach Plan läuft. So schnell bringt mich also nichts mehr aus der Fassung. Bevor ich zu diesem Teil komme erzähle ich euch aber noch ein wenig über die Stadt Madang, in der wir am Freitag angekommen sind. Es handelt sich dabei laut Reiseführer um die schönste Stadt am Südpazifik. Aber diese schönen Ecken haben wir vermutlich noch nicht gefunden. Bei der weiteren Recherche im Internet fanden wir dafür einen interessanten Zeitungsartikel vom Juli dieses Jahres. Darin steht geschrieben, dass sich die Morddelikte hier in den letzten Wochen und Monaten drastisch erhöht haben. Deshalb wird das 36.0000-Einwohner-Städtchen auch als die "Mörderhauptstadt Papua Neuguineas" bezeichnet. Und wir haben uns schon gewundert warum bei Einbruch der Dunkelheit keine Menschenseele mehr auf den Straßen zu sehen ist. Bereits um 20 Uhr wirkt es wie eine Geisterstadt. In dem Artikel steht noch, dass es in den letzten Wochen täglich zu Morden kam - teilweise am helllichten Tag. Die Polizei sei maßlos überfordert. 



Wir sind im CWA Guesthouse (Country Women's Association) untergebracht. Eine der günstigeren Unterkünfte in Madang, direkt am Meer. Und natürlich von einem hohen Stacheldrahtzaun umgeben. Am Samstag wollten Carolin und ich unseren Weiterflug nach Wewak für Montag online buchen. Von da aus möchten wir dann unsere Reise an den Sepik-Fluss starten. Das Ganze verlief recht unglücklich, denn Carolin konnte das Ticket kaufen und als ich es versuchte waren plötzlich keine Sitze mehr verfügbar. Da das Büro der Fluggesellschaft nicht mehr besetzt war, blieb uns nichts anderes übrig als bis Montag zu warten in der Hoffnung, dass die mich irgendwie noch in dieselbe Maschine bekommen. Der nächste Flug wäre nämlich erst wieder am Donnerstag. 


Relaxen hinter Gittern im CWA Guesthouse


Kranget Island - seit Monaten ohne Strom

Am Sonntag beschlossen wir mit dem öffentlich Boot auf Kranget Island zu fahren. Für nur einen Kina (= 0,25 €) kann man in einem völlig überladenen Motorboot aus Holz dorthin kommen. Nach etwa 15 Minuten Fahrt erreichten wir die paradiesische kleine Insel. 


Auf dem Weg nach Kranget Island


Ein Mann im Boot erzählte uns, dass es schon seit Monaten keinen Strom auf der Insel gibt. Ein großes Schiff habe die Stromleitung zerstört. Es leben etwa 3000 Menschen dort. Der nette Herr führte uns dann noch ein bisschen herum. Wir kamen zu einer ziemlich desolaten Strohhütte, die wohl ein Guesthouse darstellen sollte. Für nur 30 Kina bekommt man hier ein "Zimmer". Das ist für die Verhältnisse in Papua Neuguinea natürlich sehr günstig, aber er konnte es uns dann doch nicht schmackhaft genug machen. Es wären wohl schon lange keine Touristen mehr hierher gekommen, erfuhren wir. Unser Highlight war der Junge, der für uns eine riesige Palme erkletterte. Wir staunten wie flink er da oben in den schwindelnden Höhen war. Und dann begann er auch schon massenweise Kokosnüsse herunter zu werfen. Als diese geöffnet waren konnten wir frisches Kokoswasser direkt aus der Nuss trinken - herrlich! Ein paar Jungs begleiteten mich danach beim Schwimmen - in Klamotten versteht sich. Ich vermute, dass ein Bikini hier nicht sehr angebracht wäre, immerhin gehen die einheimischen Frauen auch nur mit ihren Kleidern ins Wasser. Ist schon komisch, dass die Menschen in den traditionellen Dörfern halb nackt herumlaufen und man dann doch wieder so konservativ mit dem Kleidungsstil ist. Aber man muss nicht alles verstehen. Als Touristin ist es für mich ganz klar die den lokalen Gepflogenheiten soweit wie möglich zu akzeptieren und mich anzupassen.



Frisches Kokoswasser :)





Glück im Unglück

Heute, am Montag, haben Carolin und ich gleich in der Früh das Büro der Fluglinie PNG Air aufgesucht, in der Hoffnung dort noch einen Sitzplatz für mich buchen zu können. Der äußerst hilfsbereite Mann am Schalter meinte aber, dass laut seiner Liste alle Sitze besetzt wären. Er machte uns jedoch große Hoffnungen einfach an den Flughafen zu fahren. Dort ergäbe sich sicher noch eine Möglichkeit. Wir fuhren also um 10 Uhr zum Flughafen. Ablug sollte um 13 Uhr sein, es war also noch reichlich Zeit. Jede Airline hat ihr eigenes Terminal. Leider bekamen wir wieder dieselbe Antwort: Alle Sitze seien besetzt. Wir drückten ordentlich auf die Tränendrüse und versuchten den Typen beim Check-in mit allen Mitteln zu bestechen. Leider ohne viel Erfolg. Er meinte aber wir sollten warten er würde noch einmal schauen. Schlussendlich dauerte die Warterei bis nach 13 Uhr. Ende der Geschichte: Ich bekam leider keinen Sitz. Das Gute war jedoch, dass der Flieger sowieso schon überbucht war, somit mussten zwei Personen wieder "ausgeladen"  werden. So etwas passierte in diesem Land wohl öfter. Eine davon war dann Carolin. Das hieß sie konnte mit mir hier bleiben und bekommt den Flugpreis erstattet. So etwas nennt man wahrliches Glück im Unglück. Während des Wartens habe ich übrigens alle Terminals am Flughafen abgeklappert und verzweifelt nach einer Lösung gesucht wie ich nach Wewak kommen könnte. Dabei bin ich auf eine sehr hilfreiche Info gestoßen: Es gäbe wohl ein großes Schiff von Lutheran Shipping Services, welches mehrmals wöchentlich nach Wewak fährt. Dort habe ich gleich angerufen. Die Überfahrt dauert 18 Stunden und kostet 290 Kina. Zumindest günstiger als der Flug.  Nächste Abfahrt ist morgen um 16 Uhr. Das klingt auf alle Fälle nach einem spannenden Abenteuer! 

Mittlerweile waren Carolin und ich schon bei denen im Büro und haben uns zwei Tickets gesichert. Es gibt sogar ein paar Betten an Board, jedoch nicht genügend für alle 200 Passagiere. Chris - einer der Angestellten dort - versprach mir aber, dass er uns eins freihalten wird. Wir sind auf alle Fälle sehr gespannt und hoffen dieses Schiff befindet sich nicht in einem allzu katastrophalen Zustand. 



Eure Michi :)




=> Hier findest du noch mehr Fotos und Videos von Madang und Krankget Island <=




Samstag, 23. September 2023

Erwarte stets das Unerwartete: In einem von der Außenwelt komplett abgeschnittenen Dorf im Hochland Papua Neuguineas

By On September 23, 2023

 

In der heutigen Zeit sind Gebiete, die völlig von der Außenwelt isoliert leben, eine absolute Seltenheit geworden. Es ist zudem nicht einfach herauszufinden wo solche überhaupt zu finden sind. Papua Neuguinea ist auf alle Fälle ein Land, das vom Tourismus noch dermaßen unberührt ist, dass man mit viel Glück und Recherchearbeit genau solche Dörfer entdecken kann. 


Der Kalam Stamm in Simbai


Die Anreise: Verwirrnisse ohne Ende

Bereits die Anreise von Goroka nach Simbai verlief etwas chaotisch. Von dem ganzen mühevollen E-Mail Kontakt mit MAF ( = ein missionsgeleitetes Flugunternhemen, das in abgelegene Gebiete fliegt) ganz zu schweigen. Kurz: Es war absolut nicht einfach den Flug in diesem kleinen Buschflugzeug zu buchen. Es brauchte geschätzte hundert Mails und selbst dann waren wir uns nicht ganz sicher ob es wirklich klappen würde. Auch wenn man bei MAF anruft oder deren "Büro" besucht erhält man keine sinnvollen Informationen. Aber gut: Wenn es einfach wäre, dann würde es ja jeder machen. 

Nachdem unser Taxifahrer - mit dem wir am Tag zuvor abgemacht haben, dass er uns zum Flughafen bringt - einfach nicht aufgetaucht ist, konnten wir schließlich auf der Ladefläche eines Landcruisers noch rechtzeitig um 7 Uhr dort ankommen. Wichtig zu wissen ist vielleicht noch, dass diese kleinen Buschflugzeug-Unternehmen ihren Check-in nicht in der normalen Abflughalle haben, sondern rund um das Flughafengelände statuiert sind. Carolin und ich warteten dort erstmal eine gute Stunde. Wir waren sichtlich erleichtert als uns dann bestätigt wurde, dass zumindest unsere Namen auf der Passagierliste standen. Nun wurden sowohl wir wie auch unser Gepäck genauestens abgewogen. Nach und nach kamen noch weitere Fluggäste hinzu: James (England), Jin (Taiwan) und Anthony (Frankreich) - drei junge Männer, die seit Jahren die Welt umsegeln. Und dann noch Miriam - eine Schweizerin, die in Los Angeles lebt - mit ihrer einheimischen Reiseführerin Jane. Wir waren schlussendlich ein ziemlich cooler Trupp und alle super aufgeregt das jährliche "Kalam Festival" in Simbai besuchen zu dürfen. Erst seit wenigen Jahren können jedes Jahr ein paar wenige Touristen bei diesem Spektakel irgendwo im tiefsten Dschungel Papua Neuguineas dabei sein. 

Unser kleines Flugzeug sah tatsächlich aus wie aus einem uralten Schwarz-Weiß Film. Es wurden gerade noch Sitze hineingeschraubt. Insgesamt sind 10 Personen zugelassen. Da Carolin und ich während des Wartens eine unglaubliche Lust auf Kaffee bekamen, beschlossen wir tatsächlich 30 Minuten vor dem geplanten Abflug noch schnell in eine Bäckerei zu fahren. Das war ein ziemlicher Nervenkitzel, denn wir wussten nicht, dass diese so weit entfernt liegt. Wir kamen nur wenige Minuten vor dem geplanten Start zurück. Unser Kleinflugzeug stand zum Glück noch an Ort und Stelle. Es sah auch nicht so aus als würden wir demnächst starten. Wir mussten auf den Wetterrapport von Simbai warten. Da wir einen solchen aber noch nicht erhalten haben, beschloss der Pilot vorher noch woanders hinzufliegen. 

Unser Kleinflugzeug wird beladen

Während des Wartens erhielten wir ganz nebenbei die Info von Jane, dass das Kalam-Guesthouse, welches wir in Simbai kontaktiert hatten, wohl gar nicht mehr existiere (??) ! Carolin und ich schauten uns ratlos an. Wir hatten doch E-Mail Kontakt mit denen und es wurde uns versichert, dass wir dort ein Zimmer bzw eine Strohhütte bekommen würden. Jane meinte, das sei gar nicht möglich, da es in Simbai kein Telefonnetzwerk gibt, also demzufolge auch kein Internet. Mit wem haben wir denn dann die ganze Zeit geschrieben?

Wir waren ziemlich erleichtert, als unser Flugzeug gegen Mittag zurück kam. Es sollte nun endlich losgehen. Noch nie zuvor in meinem Leben bin ich mit so einem kleinen, klapprigen Flieger geflogen. Ich konnte mir gar nicht vorstellen wie sich das Ding überhaupt über dem Boden halten sollte. Doch siehe da, wir hoben mit viel Gewackel ab. Als der Pilot vor dem Abflug noch ein kurzes Gebet sprach, hat uns das alle ein wenig beängstigt. Der 30-minütige Flug verlief aber letztendlich völlig komplikationslos. Unter uns der endlos scheinende, saftig grüne Regenwald, durch den sich braungefärbte Flüsse schlängeln. 

Die Landebahn in Simbai war einfach ein Streifen Wiese. Das ganze Dorf schien sich versammelt zu haben, um zu sehen wer da landet. Wir wurden von hunderten neugierigen Augen angestarrrt. Das Verwirrnis ging nun weiter. Es war scheinbar nicht ganz klar wo wir schlafen werden, da niemand von Carolins und meiner Ankunft wusste. Wir sollten erstmal mit Miriam und Jane mitkommen. Es folgte eine 30-minütige Wanderung. Autos oder sonstige Fahrzeuge gibt es hier nicht. Die Jungs aus dem Dorf ließen es sich nicht nehmen unsere Rucksäcke zu tragen. 

Als wir ein paar neu errichtete Strohhütten erreichten hieß es, dass Miriam da untergebracht werden würde. Morgen kommt eine Gruppe Franzosen, für welche die anderen Zimmer reserviert sind. Es wird noch nach einer Lösung gesucht wo Carolin und ich schlafen könnten. Es wurde uns ein frisch zubereitetes Mittagessen aufgetischt mit viel Gemüse und frischem Obst. James, Jin und Anthony wurden irgendwo anders hingebracht. Wir staunten nicht schlecht als diese zwei Stunden später völlig außer Atem zurückkamen und meinten sie hätten aus unerklärlichen Gründen auch keine Unterkunft. Und nun das Allerbeste: Das "Kalam Festival", für welches wir alle angereist waren findet wohl auch nicht statt. Unsere Ratlosigkeit schlug nun in Unverständnis um. Wie kann so etwas eigentlich sein? Die Jungs und Miriam haben die Reise hierher zudem über eine Agentur gebucht und ziemlich viel Geld dafür bezahlt. Wie wir später herausfanden wurde einfach das Datum des Festivals spontan ein paar Tage nach hinten verschoben. Es folgten Diskussionen mit dem Dorfoberhaupt. Er versprach nach einer Lösung zu suchen.

Schlussendlich wurden Carolin, ich und die drei Jungs in einer riesigen Strohhütte auf einem Hügel im Dorf Skom untergebracht. Das Kalam Guesthouse gibt es nämlich seit einem Jahr tatsächlich nicht mehr. Und die Person mit der wir den E-Mail Kontakt hatten lebt wohl in der Küstenstadt Madang und hat natürlich hier im Dorf nicht bescheid gegeben, dass wir kommen. Wie denn auch? 

Unsere Unterkunft für die nächsten Tage liebevoll dekoriert mit frischen Blumen und Pflanzen


Skom Village in Simbai

Die Nachbarskinder :)

Die Aussicht unserer Unterkunft hoch über dem Dorf war fantastisch. Wir mussten lediglich jedes Mal zu Mahlzeiten eine kleine Wanderung ins Dorfzentrum auf uns nehmen, aber für diese Bewegung war ich sehr dankbar. Da Miriam nicht alleine mit der Franzosengruppe sein wollte, die morgen ankommen sollte, beschloss sie ebenso mit uns in die Hütte zu ziehen. Wir waren somit eine sehr lustige Gruppe. Ziemlich bemerkenswert fanden wir es, dass extra für uns  innerhalb kürzester Zeit eine Plumsklo- und eine Duschhütte gebaut worden sind. Die Dorfbewohner brachten uns täglich jeweils einen Kübel Flusswasser, damit wir uns dort waschen konnten. Und sogar Klopapier wurde extra für uns eingeflogen. Nach einem gemeinsamen Abendessen saßen wir in unserer Hütte rund um ein Lagerfeuer zusammen und ließen so diesen spannenden ersten Tag ausklingen. Als der erste Schock über das ganze Chaos verdaut waren konnten wir nun endlich auch darüber lachen. Das klingt alles fast zu verrückt um wahr zu sein. 


Die Neuigkeiten und die Aufgabenverteilung des jeweiligen Tages werden jeden Morgen mit dem Lautsprecher am Dorfplatz bekannt gegeben. 

Am Dienstagmorgen starteten wir nach dem Frühstück eine ausgedehnte Dschungelwanderung. Es ging vorbei an Kartoffelfeldern und Zuckerrohrplantagen bis hinauf in den dichten Regenwald. Dort ist der wunderschöne Paradiesvogel, der auch das Wappen Papua Neuguineas schmückt, beheimatet. Leider bekamen wir keinen zu Gesicht. Dafür fanden wir ein Nest, in dem diese Vögel ihre Balztänze aufführen. 

Frühstück mit Aussicht

Dschungelwanderung

Das Tanz-Nest der Paradiesvögel

Ich, Carolin, Miriam, Jin, James & Anthony 

Das jährliche "Kalam Festival"

Das "Kalam Festival" in Simbai ist - wie bereits erwähnt - ein Fest, das erst seit einigen Jahren für wenige Touristen zugänglich gemacht wurde. Es findet in einem der entlegensten Gebiete Papua Neuguineas in der Madang Provinz statt. Das Highlight ist eine tradionelle Brautpreiszeremonie und ein Initiationsrituatiol für Jungs, die quasi zu Männern geweiht werden nachdem sie eine Woche lang in einer Strohhütte verbracht haben, ohne diese zu verlassen. Währenddessen tanzen und singen die Mädchen nächtelang ohne Pause vor ihrer Hütte. Wir haben uns an einigen Nächten den Wecker gestellt um dieses unglaubliche Spektakel mitten in der Nacht zu beobachten. Zudem wird die Nasenscheidewand der Jungs mit einem kleinen Speer durchstochen und sie erhalten ein sozusagenen Nasenpiercing.  Am letzten Tag werden dann feierlich Schweine geschlachtet und es folgt ein Festmahl für das ganze Dorf. 

Die Männer vom Kalam Stamm tragen traditionelle Nasenpiercings. Ihr Kopfschmuck besteht aus hunderten kleinen grünen Käfern. 

Da wir uns nun nicht mehr sicher waren, ob wir dieses Festival überhaupt miterleben werden, waren wir überglücklich als uns am Dienstag Nachmittag offenbart wurde, dass sie nun die Festivaldaten noch einmal spontan für uns angepasst haben und das Fest bereits morgen Früh starten würde. 

Fremdschämen

Die nicht so schöne Nachricht war, dass nun auch die Touristengruppe von etwa 20 Personen angekommen sei. Es kam aber schlimmer als gedacht: Die Franzosen entpuppten sich nämlich als Deutsche und ein paar Russen, gemischt mit zwei Österreichern. Die meisten von ihnen präsentierten sich in noblen Safari Outfits. Einer sah jedoch aus als wäre er gerade aus seinem Büro gekommen. Gemeinsam war ihnen der leicht grimmige, etwas unzufriedene Gesichtsausdruck. Bereits bei ihrer Ankunft punkteten sie mit absolut unmöglichem Verhalten. Sie regten sich auf, dass es keinen Strom gibt, dass sie sich eine Hütte teilen müssen und generell über die simplen Bedingungen hier. Wir waren sprachlos wie man sich nur dermaßen daneben aufführen konnte. Seit wir in dem Dorf angekommen sind haben wir eine unglaubliche Gastfreundschaft erfahren und wurden wie Könige behandelt. Jeder im Dorf gibt sich die größte Mühe, um unseren Aufenthalt so angenehm wie möglich zu gestalten. Man muss natürlich wissen, dass diese Touristen für ihre zweiwöchige Reise nach Papua Neuguinea etwa zehn- bis fünzehntausend Euro hinblättern. Trotzdem sollte ihnen klar sein, dass wir uns hier an einem der isoliertesten Orte überhaupt befanden. 

Richtig lustig wurde es dann, als am Nachmittag tradionelle Tänze im Rahmen des Initiationsriutals aufgeführt wurden. Es gab Gemeckere ohne Ende. Einmal verdeckte jemand dem anderen die Sicht, was gleich zu lautstarkem Geschimpfe führte. Der Gipfel war dann als ein Russe seine Drohne losfliegen ließ. Da zeigte ihm der Deutsche sofort den Mittelfinger, daraufhin folgte ein Geschubse, welches fast in eine Schlägerei ausartete, wenn nicht der Reiseleiter dazwischen gegangen wäre. Das ganze Dorf war fassungslos. Die ganze Zeremonie wurde gestoppt und alle schauten mit großen Augen auf die zwei Männer. Das Dorfoberhaupt meinte später, dass er es gar nicht glauben könnte, dass er Touristen in sein Dorf einlade und diese sich dann auf seinem Land fast die Köpfe einschlugen. So etwas habe er noch nie zuvor erlebt. 


Das Initiationsritual 

Am Mittwoch stand dann das Schlachten der Schweine auf dem Plan. Die herangehenden jungen Männer durften nach Tagen erstmals aus ihrer Strohhütte kommen. Achtzehn Schweine waren am Dorfplatz festgebunden. Einer der älteren Männer zeigte ihnen nun wie man so ein Tier mit nur einem gekonnten Knüppelschlag auf den Hinterkopf tötet. Wir durften alle zusehen. Das war natürlich nichts für schwache Nerven. Einige der Touris verließen kreidebleich den Platz. Man muss anmerken, dass die Schweine hier sehr viel Wert sind und bis zu ihrer Schlachtung ein wunderschönes Leben genießen. Sie wurden sogar gestreichelt und gekrault bis es ihnen schließlich an den Kragen ging. Danach mussten die Jungs wieder zurück in ihre Strohhütte. Die ganze Dorfgemeinschaft begann nun die Schweine aufzuarbeiten. Jeder wusste was er zu tun hatte. Alle Teile des Tieres werden verwertet, also auch sämtliche Innereien etc. Daneben wurde viel Grünzeugs und Gemüse geschnitten. Gekocht wurde das Festmahl als "Mumu" im Erdofen. Dabei werden Steine im Feuer erhitzt und dann gemeinsam mit dem Fleisch und dem Gemüse in ein Erdloch geschichtet. Als das Essen nach einigen Stunden fertig war, wurde es direkt aus dem Erdloch heraus gegessen. Es kostete mich etwas Überwindung das Stück Leber zu entgegen zu nehmen, das mir ein netter älterer Herr mit seinen Händen reichte, die noch voller Schweineblut waren. 

Die Schweine werden mit einem gekonnten Schlag auf den Hinterkopf getötet. Meistens waren sie sofort tot.



Gegessen wird alles vom Schwein

Dazu gibt es Süßkartoffeln, Taro und Grünzeug



Morgen, am Donnerstag, sollte unser Rückflug - wieder mit MAF - sein. Scheinbar wären auch Miriam und Jane in demselben Flugzeug. Jane beschloss am Vormittag eine Wanderung auf einen Hügel zu unternehmen. Von dort aus hat man bei klarem Himmel manchmal ein Telefonsignal. Sie wollte unseren Flug bestätigten lassen. Die Gute war fast den ganzen Tag unterwegs. Als sie am späten Nachmittag zurückkam ahnten wir nichts Gutes. Unseren Flug gibt es scheinbar nicht. Tja, solche Sachen passieren wohl nur in Papua Neuguinea. Den Grund dafür haben wir nie erfahren. Das Problem war, dass wir hier keine Möglichkeit hatten irgendwelche Recherchen zu betreiben wie wir aus dem Dorf herauskommen könnten. Jane meinte, selbst am Hügel war die Verbindung so schlecht war, dass sie immer wieder unterbrochen wurde. Sie würde am Donnerstag frühmorgens gleich noch einmal dorthin wandern und alles nur Mögliche versuchen um einen Flug für uns zu bekommen. 


Während Jane also am Donnerstag frühmorgens bereits zu ihrer Wanderung aufbrach, konnten wir beim allerletzten Teil der Zeremonie teilnehmen. Heute durften die ehemaligen Jungs und nun richtigen Männer die Strohhütte endgültig verlassen. Sie waren geschmückt mit dem traditionellen Kopfschmuck bestehend aus Baumkängurufell und Federn von den verschiedensten Vögeln. Feierlich traten sie vor die versammelte Menschenmenge. Zur Feier des Tages gab es Schweineschädel zum Frühstück. Dieser wurde die ganze Nacht im Erdofen gekocht. 

Gretl präsentiert voller Stolz den Schweineschädel

Einer der frisch gebackenen Männer mit seinem Kopfschmuck und dem neu gestochenen Nasenpiercing

Die frisch gebackenen Männer präsentieren sich am Dach der Hütte


Die gute Nachricht 

James, Jin und Anthony verließen uns am Donnerstag nach dem Mittagessen. Zu dieser Zeit kam auch Jane fix und fertig von ihrer Wanderung zurück. Sie schaffte es Kontakt mit MAF aufzunehmen. Leider können sie heute kein Flugzeug mehr schicken, aber dafür morgen. Vor allem Miriam war sehr glücklich über diese Nachricht, da sie etwas unter Zeitdruck stand. Carolin und ich sind zeitmäßig zum Glück sehr flexibel. 

Nun hatten wir Mädels die riesige Strohhütte also für uns alleine. Und genau in dieser Nacht leistete uns ein Prachtstück von Ratte Gesellschaft. Wir brachen alle drei in hysterisches Gekreische aus, als das Riesenvieh vor unseren Füßen kreuz und quer durch die Hütte rannte. Unser Geschrei war wohl weithin zu hören. Sogleich standen zwei junge Männer aus dem Dorf parat und jagten das Untier hinaus. 


Am Freitag Morgen standen wir bereits früh auf. Wir machten uns gleich nach dem Frühstück auf den Weg zur Landebahn in Simbai, um das Flugzeug auf keinen Fall zu verpassen. Wir hatten leider keine Info wie spät es kommen sollte. Als gegen Mittag Wolken aufzogen wurden wir ungelduldig. Wieso ließen sie uns so lange warten? Würden wir etwa heute wieder nicht herauskommen? Eigentlich sollte der Pilot wissen, dass es nachmittags vermehrte Gefahr für Regenschauer und Gewitter gibt. Jane war bereits am Morgen am Berg um Kontakt mit MAF aufzunehmen - leider ohne Erfolg. Wir konnten es nicht verstehen wieso man hier nicht einfach mit einem Satellitentelefon arbeitete. Das ganze Dorf leistete uns beim Warten Gesellschaft. Plötzlich hörten wir ein leises Motorengeräusch. Wir jubelten vor Freude, als wir schließlich in weiter Ferne das kleine MAF Flugzeug erspähten. Bevor wir einsteigen konnten würden noch massenweise Waren (Reis, Öl, usw) und sogar Wellblechdächer ausgeladen. Unser Pilot war diesmal ein Holländer. Nachdem er ein kurzes Gebet gesprochen hatte hoben wir ab. Währdend meine Blicke über die unendlich weiten Regenwälder schweiften, ließ ich all die unglaublichen Erlebnisse der letzten Tage Revue passieren. Es fühlte sich an wie eine Zeitreise. Es war eine völlig andere Welt. Kaum zu glauben, dass so etwas heute noch exisitiert. Die Frage ist nur wie lange noch?

Angekommen in Madang

Mittlerweile sind Carolin und ich in dem Küstenort Madang angekommen. Also zurück in der Zivilisation. Wir haben ein kleines Guesthouse (CWA) gefunden. Ein simples Zimmer kostet hier umgerechnet 60 Euro. Keinesfalls billig im Anbetracht der Tatsache, dass die Sauberkeit nicht unbedingt unseren Standart entspricht. Aber dafür gibt es eine Gemeinschaftsküche, was auch schon viel wert ist. Generell sind Unterkünfte in PNG sehr, sehr teuer. Für ein Hotelzimmer muss man schon 100 Euro pro Nacht zahlen und darf keineswegs WLAN oder frisch gewaschene Bettwäsche erwarten. 

Da ich mehrmals gefragt wurde wie das mit den Buschflugzeugen funktioniert und was das kostet: MAF hat eine Homepage. Man kann denen eine E-Mail Anfrage schicken. Bestimmte Orte werden einmal pro Woche angeflogen bzw je nach Nachfrage. Ihre Flugzeuge haben meist Platz für 10 Personen. Wenn alle Plätze besetzt sind kostet ein Ticket umgerechnet zwischen 100 und 200 Euro. Es ist natürlich auch möglich einen Flieger zu chartern. Da PNG aufgrund der fehlenden Straßen über den Landweg nur sehr eingeschränkt zu  bereisen ist, könnt ihr euch sicher vorstellen, dass so eine Reise kein günstiges Vergnügen ist. Aber selbst organisiert auf alle Fälle beträchtlich billiger als mit einer organisierten Tour. Ich würde mal sagen man muss mit etwa 400 - 500 Euro pro Woche rechnen - inklusive Inlandsflüge - wenn man stets die günstigsten Übernachtungsmöglichkeiten bzw Couchsurfing nutzt. 

Unser nächstes Ziel ist der Sepik Fluss.  Da sind wir aber momentan noch in der Planungsphase.


Eure Michi :)



 => Hier findest du noch mehr Fotos und Videos von Simbai <=




Sonntag, 17. September 2023

Goroka Show 2023 - Ein Treffen der Stämme Papua Neuguineas

By On September 17, 2023

 

Goroka, Papua Neuguinea

Goroka Show 2023

Nach der kurzen Tiefphase in den letzten Tagen geht es mittlerweile wieder bergauf. Carolin und ich wohnten bis Samstag bei der 16 - (oder 18?) jährigen Tama und ihrem Baby Donnabell zu Hause. Ihre Schwägerin und zugleich unsere Couchsurfing Gastgeberin Maryanne hat sich über die Feiertage an die Küste verabschiedet. Das hatte den Vorteil, dass Carolin uns nicht mehr dasselbe Bett teilen mussten. 


Am Donnerstag Abend zeigte uns Tama ein traditionelles regionales Gericht aus Goroka: Mambu. Dabei wird Gemüse, Fleisch, Ingwer und Grünzeug in große Blätter gewickelt, welche dann in ein hohles Bambusrohr gestopft werden. Dieses wird dann etwa eine Stunde über das Feuer gelegt. Und schon ist das Ganze fertig. Dazu gab es Reis. 


Mambu: Ein traditionelles Gericht aus dem östlichen Hochland Papua Neuguineas

Das gefüllte Bambusrohr wird über das Feuer gelegt


16. September - der Unabhängigkeitstag in Papua Neuguinea

Seit dem 16. September 1975 ist Papua Neuguinea ein unabhängiges Land. Dieser Tag wird von den Einheimischen gebührend gefeiert. Die Vorbereitungen starten schon viele Tage im Voraus. Überall werden die Landesflaggen gehisst - auf Autos, in den Haaren, vor den Häusern, auf den Buschtaxis, usw. -  und die Leute kleiden sich in Shirts und Blusen mit diesem Muster. Auch das Gesicht wird mit den Farben der Flagge bemalt. 

Die Goroka Show - das größte Festival in PNG

Um die Zeit des Unabhängigkeitstages findet auch die alljährliche Goroka Show statt. Diese wurde mittlerweile zum bekanntesten Festival des Landes. Während zu Beginn nur wenige Gruppen dabei waren, nehmen mittlerweile über 100 aus dem ganzen Land teil. 1957 wurde das Fest zum ersten Mal organisiert, um die verschiedenen Stämme (von denen es übrigens um die 1000 gibt) zu einem friedlichen Miteinander zu bewegen. Nach wie vor herrscht aber großes Konfliktpotenzial zwischen all diesen Bevölkerungsgruppen mit ihren unterschiedlichen Sprachen, Bräuchen und Glauben an Hexenmagie. Die Veranstaltung soll helfen einander besser zu verstehen und aufeinander zuzugehen. 

Am Freitag, dem 15. September, traten die Kindergruppen auf. Tamas Vater stand schon morgens um sieben Uhr vor unserer Hütte, um uns abzuholen für das Fest. Da wir auf sein Kommen völlig unvorbereitet waren und noch nicht einmal gefrühstückt hatten beschloss er später wieder zu kommen. Wir waren mäßig begeistert davon ständig mit einem Beschützer unterwegs sein zu müssen. Als wir gegen 10 Uhr mit ihm zum Festivalgelände kamen musste erstmal ein Eintrittsticket gekauft werden: 10 Kina ( = 3 €) kostete das Vergnügen pro Person. Es waren bereits Massen an Menschen vor Ort. Im Festivalgelände gab es jede Menge Stände, an denen Streetfood und Souvenirs verkauft wurden. Tamas Vater meinte, er würde sich irgendwo in den Schatten setzen, während wir machen könnten was wir wollen. Wir kamen an einen Zaun. Dahinter sahen wir aus weiter Ferne die Stammesgruppen ausgelassen mit viel Kriegsgeschrei tanzen. Die Einheimischen klebten alle am Zaun, um etwas zu sehen. Zwischen den tanzenden Gruppen erspähten wir vereinzelt ein paar weißhäutige Menschen. Wie wir kurze Zeit später herausfanden hatten diese ein VIP Ticket, das ganze 200 Kina (= 52 €) kostet. Das kann sich natürlich so gut wie kein Einheimischer leisten. Das absolute Highlight war, als sich plötzlich die Menschenmassen öffneten und einer von der Security lauthals brüllte: "White man is coming! Make space! White man is coming". Und tatsächlich: Drei weiße Männer mit ihren Motorrändern fuhren durch den Gang der sich nun zwischen den Menschen bildete. Alle starrten sie mit großen Augen an. Als wir die drei Typen später noch einmal trafen waren sie immer noch von einer Masse an Schaulustigen umgeben. Wir plauderten kurz mit ihnen. Es sind drei Tschechen, die die  letzten Wochen mit ihren Motorrändern das Land erkundeten. 

Um 13 Uhr wurde dann das komplette Gelände für alle geöffnet. Riesige Scharen an Menschen drängten sich nun auf den Platz, an dem getanzt wurde. Es war kaum noch Luft zum Atmen, also beschlossen wir zu gehen. Nach einem kurzen Besuch im Museum, das gleich um die Ecke liegt, stießen wir unerwartet wieder auf Tamas Vater. Den  hatten wir schon fast vergessen. Der Gute hatte tatsächlich stundenlang auf uns hier gewartet. Der Plan wäre eigentlich gewesen kurz irgendwo Kaffee trinken zu gehen. Doch daraus wurde nichts. Tamas Vater war der Meinung, dass es Zeit wäre nach Hause zu gehen. Soviel zu unserer Freiheit. Wir waren ziemlich frustriert darüber. Als wir wieder bei Tama zu Hause waren, fragte uns ihr Vater wie spät wir morgen für die Hauptshow los wollten. Ganz bestimmt erklärten wir ihm, dass wir morgen alleine dorthin gehen werden. Wir würden brav mit einem Taxi hinfahren und uns dann ein VIP-Ticket besorgen, somit sind wir im sicheren Bereich. Zurück fahren wir natürlich auch mit dem Taxi. Was waren wir froh, dass er mit unserem Plan schlussendlich einverstanden war. Diese ständige Überwachung ist natürlich nur gut gemeint, aber für uns ist es einfach der blanke Horror.

Die Nacht bei Tama zu Hause verlief etwas turbulent. Aus irgendeinem Grund hat ihr Baby kein Auge zugemacht und nonstop wie am Spieß geschrien. Der Gestank in der Blechhütte war zudem grauenhaft. Ich konnte aber erst am frühen Morgen herausfinden, woher er rührte: Ein Haufen Katzenkacke vor dem Badeingang. Carolin und ich waren fast froh darüber als am Samstag Nachmittag noch zwei weitere Besucher ankamen: Present (das war unsere Gastgeberin in Mount Hagen) und ihr indischer Couchsurfer Tourvashu. Jetzt mussten wir wenigstens kein schlechtes Gewissen haben, wenn wir uns eine andere Unterkunft suchen. Scheinbar war Tama nämlich extra wegen uns zu Hause geblieben und nicht mit Maryanne an die Küste gefahren. Sie zeigte sich gar nicht begeistert, dass wir sie schon verlassen möchten, immerhin hätte sie genug Platz für alle. Carolin und ich klärten sie auf, dass wir leider gar nicht gut schlafen können, wenn wir uns ein Bett teilen. Zudem war unsere Freundin Alina - eine deutsche Reisende, die wir über ein Online-Reiseportal kennengelernt haben - ebenfalls in Goroka. Die würde sich riesig freuen, wenn wir zu ihr in die Unterkunft kämen. Somit zogen wir am Nachmittag ins Research & Conservation Center. Es ist vermutlich unsere beste Unterkunft, die wir  bis jetzt hatten: halbwegs sauber und sogar warmes Wasser - was für ein Luxus! Es kostet 90 Kina (= 23 €) pro Person und Nacht mit Gemeinschaftsbad. 

Bevor wir umzogen ging es aber noch zur Hauptveranstaltung der Goroka Show. Gemeinsam mit Alina machten wir uns um kurz vor acht Uhr morgens auf den Weg. Die 200 Kina für das VIP Ticket sind schon beträchtlich, aber nur so kann man die Tänze der verschiedenen Stämme aus der Nähe sehen. Letztendlich muss ich sagen, dass es sich gelohnt hat. Am Morgen waren erst wenige Stammesgruppen da, mit der Zeit wurden es immer mehr. Anfangs fand ich es etwas befremdlich gemeinsam mit den anderen Weißen unsere Handys und Kameras auf die Einheimischen zu richten und sie aus nächster Nähe zu fotografieren. Hatte fast etwas von Menschenzoo. Zudem bin ich ungern von so vielen Touristen umgeben. Man muss jedoch dazu sagen, dass die meisten von ihnen wahrscheinlich Fotografen oder Missionare waren. Wie sich aber zeigte, freuten sich die Gruppen zum großen Teil sehr darüber wenn man sie abknipste. Wenn man ein bisschen Smalltalk mit ihnen hielt posierten sie sogar richtig für unsere Bilder. Außerdem hatten sie sich ja große Mühe gegeben mit ihren Bemalungen, dem bunten Federschmuck und ihren Tänzen. Natürlich darf man auch die lange Anreise nicht vergessen: Einige haben tagelange Fußmärsche durch den Dschungel hinter sich oder mussten gar einen Teil des Weges mit dem Boot zurücklegen. Alles in Allem war das Ganze ein unvergessliches Spektakel mit einer absolut ausgelassenen Stimmung. Etwas in der Art habe ich tatsächlich noch nie erlebt. Seht selbst:



Huli Wigmen - einer der bekanntesten Stämme aus dem südlichen Hochland (Region Tari)


Als gegen 13 Uhr dann die Schleusen für alle geöffnet wurden, machten wir uns rasch von den Socken. Es steigt im Laufe des Nachmittags die Eskalationsgefahr auf solchen Festivals. Als wir auf der Suche nach einem Taxi nicht fündig wurden hat uns die Polizei höchstpersönlich zurückgefahren. Zwischendurch starb ihnen der Motor des klapprigen Gefährts mehrmals ab. Der Sprit wäre wohl bald aus, meinte einer der Polizisten. Ob das eine Anspielung darauf war ihnen Kleingeld zuzuschieben? Wir beschlossen nicht näher darauf einzugehen und bedankten uns herzlich fürs Mitnehmen. 

Heute - am Sonntag - war der letzte Tag des Festivals. Diesmal kam auch Present mit uns mit. Da sie sich kein VIP-Ticket leisten konnte, schmuggelten wir sie einfach rein. Damit bereiteten wir ihr eine Riesenfreude.







Auch heute verließen wir das Fest kurz nach Mittag. Und das erwies sich als sehr weise. Bereits kurze Zeit später erfuhren wir, dass es zu massiven Ausschreitungen und sogar Schüssen gekommen sei. Daraufhin ist wohl eine richtige Massenpanik in der Menschenmenge ausgebrochen. Genauere Infos zu dem Vorfall liegen im Moment noch nicht vor. Wir hören bloß von unserem Guesthouse aus ein riesen Tumult und viel Geschrei. Dazwischen immer wieder Polizeisirenen.


Der Plan für die nächsten Tage sieht nun so aus: Morgen um sieben Uhr ist unser Flug von Goroka nach Simbai, ein winziges abgelegenes Dörfchen. Es geht vermutlich mit einem kleinen Buschflugzeug dahin. Dort werden wir die nächsten drei Tage verbringen, um ein weiteres Stammesfestival zu besuchen. Ich weiß noch nicht, ob es dort Internetverbindung gibt. Eventuell werde ich also ein paar Tage nichts von mir hören lassen.


Eure Michi :)




=> Hier findest du noch mehr Fotos und Videos von Goroka und der Goroka Show <=






Donnerstag, 14. September 2023

Kundiawa Cultural Show, die Sache mit der Zeit & der Aberglaube

By On September 14, 2023

 

Kundiawa Cultural Show

Carolin und ich waren höchst gespannt Cedric - unseren Couchsurfing Gastgeber - und seine Frau Kathy am Montag zu treffen. Cedric ist ein Franzose, der vor ein paar Jahren als Backpacker nach Papua Neuguinea kam, sich hier in eine einheimische Frau verliebte und sie vor zwei Jahren nun auch geheiratet hat. Wir wurden von den beiden und einigen ihrer Freunde in einem klapprigen Landcruiser abgeholt. Bevor wir zu ihnen ins Dorf fuhren, schauten wir uns noch die Kundiawa Cultural Show gemeinsam an. Bei diesem Fest versammeln sich die verschiedenen Stämme der Simbu Provinz. Aus jedem Dorf kommt eine Gruppe in ihren traditionellen Gewändern, welche vorwiegend aus Naturmaterialien bestehen: Vogelfedern, Tierfelle, Muscheln und Pflanzen. Barbusige Frauen und oberkörperfreie Männer laufen plötzlich durch die Straßen dieses ansonsten recht konservativen Landes. Die Veranstaltung findet nach vielen Jahren zum ersten Mal wieder statt. Scheinbar fehlten die letzten Jahre die finanziellen Mittel. Dementsprechend aufgeregt zeigten sich die Leute. Auf einer großen Wiese, die aufgrund des starken Regens ein einziges Feld aus Matsch und Schlamm war, wurden Tänze und Zeremonien aufgeführt. Schon nach ein paar Minuten beschlossen wir es ebenso wie die Einheimischen zu machen und barfuß durch den Matsch zu spazieren. Zum ersten Mal sahen wir heute auch ein paar wenige andere hellhäutige Menschen. Keine Ahnung ob es wirklich Touristen waren oder eher Missionare oder Exapts. Ich denke Bilder sagen mehr als Worte, um das Fest zu beschreiben:



Der Kopfschmuck besteht aus echten Federn von diversen Vögeln, darunter vor allem Papageien und Paradiesvögel




Im Laufe des Tages wurde der braune Matsch immer roter. Sowohl die Gäste wie auch die Partizipanten waren nämlich fest am Betelnuss kauen und spucken. Am Nachmittag wurde die Menschenmenge immer größer, also beschlossen wir dass es Zeit war zu gehen. Wir hatten immerhin mehr als genügend Eindrücke gesammelt. 


Koge Village

Wie sich herausstellte fuhren wir nicht in das Dorf von Cedric und Kathy sondern zu Bekannten von ihnen, die aber auch in einem kleinen Dschungel-Dörfchen leben. Dort wohnten wir zwischen all den Strohhütten wahrscheinlich in einem der größten und schönsten Häuser. Sie erzählten uns, dass der sozusagene Gastvater der Stellvertreter des Dorfoberhauptes ist, welcher später noch persönlich vorbeikam um uns zu begrüßen. Die Bewohner winkten uns alle freundlich zu. Zum Glück sorgten wir diesmal nicht für ganz so viel Aufsehen wie letzte Woche im Dorf von Present. Hier haben sich die Menschen immerhin schon an Cedric gewöhnt und bereits seine Familie kennengelernt.


Es scheint in Koge ganz normal zu sein mit einem Schwein "Gassi" zu gehen


Die Sache mit der Zeit

Einer der größten kulturellen Unterschiede ist bestimmt der Umgang mit der Zeit. Während ich mir zu Hause wünschte jeder Tag hätte doppelt so viele Stunden, scheinen die Menschen hier ein endloses Pensum an Zeit zu haben. Es wird den ganzen Tag irgendwo gemütlich im Schatten gesessen, ein bisschen mit den vorbeikommenden Nachbarn geplaudert und zwischendurch vielleicht noch das eine oder andere Nachmittagsschläfchen gehalten. Es werden ständig tausend Pläne geschmiedet, was wir nicht alles machen könnten an dem jeweiligen Tag. Wenn wir Glück haben wird eine Sache davon umgesetzt. Für uns, die wir es gewohnt sind jede Minute effektiv zu nutzen, ist das natürlich eine riesige Herausforderung. Interessant ist auch, dass jeglicher Bezug zu Zeit nicht existent ist. Fragt man beispielsweise wie lange etwas dauert oder bittet um irgendwelche Zeitangaben stimmen diese niemals auch nur annähernd. Bei soviel Überfluss an Zeit wundert es uns vor allem, dass sie es ihnen solche Schwierigkeiten bereitet ihre Häuser, vor allem die Bäder, sauber zu halten. So kann es schon passieren, dass man mit bloßen Füssen in eine Urinpfütze im Bad tritt und die Bettdecke ebenso riecht (welche vermutlich über Jahrzehnte nie gewaschen wird). Kakerlaken findet man sowieso in jeder Ecke und bei verstopfter Nase wird einfach in die Hand gerotzt. Aber wie heißt es so schön: "Was dich nicht umbringt macht dich stärker." ;)


Die meiste Zeit verbringen wir eigentlich damit auf irgendetwas oder -jemanden zu warten. Es fehlt uns jegliches Verständnis dafür wie man es schaffen kann einen ganzen Nachmittag herumzusitzen und in die Luft zu schauen. Es ist mir natürlich klar, dass dieser Lebensstil auch beträchtliche Vorteile mit sich bringt: So sind hier sämtliche stressbedingten körperlichen wie auch psychischen Probleme, die wir in Europa zur Genüge haben, nicht bekannt. Zudem muss man wissen, dass die meisten gar keine Arbeit haben, da der Arbeitsmarkt in PNG nicht viel zu bieten hat. Dadurch fehlen die finanziellen Mittel für irgendwelche Aktivitäten. Cedric scheint sich diesem Lebensstil sehr gut angepasst zu haben. Carolin und ich philosophierten lange darüber wie er das nur schafft. Immerhin hat auch er keinen Job und zudem keine Erlaubnis zu arbeiten. Als er uns erzählte, dass er plant seine französische Staatsbürgerschaft aufzugeben, um die von Papua Neuguinea zu bekommen, stockte uns fast der Atem. Nur so bekäme er die Arbeitsgenehmigung. Er möchte sein altes Leben in Frankreich um keinen Preis zurück. Ich hoffe nur, dass er diese Entscheidungen nie bereuen wird. Sein derzeitiger Plan ist es ein Business mit den PMVs - also den Buschtaxis - aufzubauen. Immerhin muss irgendwie Kohle (oder besser gesagt Schweine) rein, um den Brautpreis für Kathy zu zahlen, der noch ausständig ist. 

Cedric, Carolin, ich und Kathy


Am Dienstag Vormittag stand eine kleine Dschungelwanderung an. Ich war froh zwischendurch wenigstens ein kleines bisschen Bewegung zu bekommen. Der Weg führte durch unwegsames Dickicht. Für die Dorfkinder, die uns begleiteten stellte das gar kein Problem dar. Ich staunte wie gekonnt und flink sie vor uns herliefen und -kletterten. 



Glaube und Aberglaube

Das absolute Highlight des Nachmittags war die heilige Maria, die wackelnd quer durch das Dorf mitten im Dschungel getragen wurde. Dahinter etwa fünfzig streng gläubige Dorfbewohner in ihren Festtagskleidern. Die Maria wird wohl alle paar Tage von einem Dorf ins nächste getragen. Mit dabei war auch ein polnischer Priester, der seit zwei Jahren im Ort wohnt. Zu meinem Erstaunen gibt es in dem kleinen Dörfchen jede Menge unterschiedlicher Religionen (Katholiken, 7-Tages Adventisten, Evangelikale, usw). Obwohl der Glaube einen großen Stellenwert einnimmt ist der Aberglaube sehr präsent. Passiert jemanden etwas Schlimmes wird meist von einem Fluch ausgegangen und der Schuldige dafür gesucht. Daraus resultieren oft tragische grundlose Anschuldigungen. Wir hörten nur allzu viele Geschichten darüber. Genau an dem Abend bekam ich eine Nachricht von Present: Das zwei Monate alte Baby, das ich bei ihr im Dorf im Arm hielt (ich habe ein Foto davon im vorletzten Blogpost veröffentlicht) sei nun ganz plötzlich verstorben. Heute wäre das Begräbnis. Carolin und mir kam sofort derselbe Gedanke hoch: Hoffentlich geben sie nun nicht uns die Schuld dafür. Der ursprüngliche Plan das Dorf noch einmal zu besuchen wurde somit verworfen. 


Die heilige Maria wird von Dorf zu Dorf quer durch den Dschungel geschaukelt


Weiter geht es ins östliche Hochland

Gestern ging es dann mit einem PMV weiter von Kundiawa nach Goroka (20 Kina), welches im östlichen Hochland liegt. Cedric und Kathy halfen uns am Busbahnhof das richtige Buschtaxi zu finden. Als wir dann nach etwa einer Stunde immer noch nicht losfuhren und auch nicht wirklich Fahrgäste hinzukamen, beschlossen wir in ein anderes zu wechseln. Das erwies sich als sehr gute Entscheidung, denn es ging dann gleich los. 


In Goroka lernten wir endlich Maryanne kennen. Die gute Seele hat uns seit unserer Ankunft hier im Land bereits sehr viel geholfen und uns jede Menge nützlicher Kontakte vermittelt. Wir wohnen bei ihr, ihrem Bruder Selam und dessen Frau Tama mit ihrem Baby Donnabell, das gerade mal sechs Monate alt ist. Tama sieht noch recht jung aus, sie konnte uns aber ihr genaues Alter nicht wirklich sagen. Gestern meinte sie sie sei achtzehn, heute war sie dann plötzlich sechzehn. Vielleicht weiß sie es einfach nicht so genau. Ihr klitzeskleines Blechhäuschen befindet sich am Stadtrand von Goroka in einer ganz ruhigen Umgebung. 


Unter ständiger Überwachung

Neben der Zeit ist die ständige Überwachung eine Sache mit der wir uns noch nicht so ganz angefreundet haben. Wie sehr vermisse ich es mich frei bewegen zu können und jederzeit hingehen zu können, wo ich möchte. Aber so funktioniert das in PNG nicht. Eine Frau geht prinzipiell nie alleine außer Haus. Ein Bruder, Kusö oder sonstiger männlicher Begleiter ist immer mit dabei. Da wir gestern keine Lust hatten, den ganzen Nachmittag in der Blechhütte zu sitzen sagten wir Tama, dass wir jetzt mit einem PMV ins Zentrum fahren würden. Sie schaute uns entsetzt an. "Alleine?" Wir fragten nach, ob das denn gefährlich sei. "Nein überhaupt nicht", war die Antwort. Ok, wir machten uns also parat. Tama fragte noch einmal ob wir denn jetzt wirklich alleine in die Stadt wollen. Es könnten Männer kommen und uns mit dem Messer bedrohen, meinte sie. Diesmal ließen wir es uns aber nicht nehmen und fuhren los. Eine Ortsfahrt in Goroka kostet einen Kina pro Person mit dem PMV.


Am Busbahnhof waren Massen von Menschen. Hunderte zwielichtige Gestalten schienen uns anzustarren. Hoffentlich merken sie nicht, dass wir ohne Beschützer unterwegs sind. Wir waren völlig orientierungslos in welche Richtung wir sollten. Das Handy konnten wir jetzt unmöglich auspacken, um die Landkarte zu studieren. Wir versuchten zielstrebig in eine Richtung zu gehen und uns dabei nicht zu verlieren. Ständig wurden wir angeredet und angerempelt. Es war schon ein etwas mulmiges Gefühl. Eigentlich wollten wir ein kleines Café ausfindig machen um eine Kleinigkeit zu essen. Aber außer Massen an Menschen fanden wir gar nichts. Was waren wir froh als wir irgendwann zu einem großen Supermarkt kamen, der von Sicherheitsbeamten bewacht wurde. Da drinnen waren wir erstmals halbwegs sicher. Es gab eine kleine Bäckerei dort und wir genehmigten uns auf den Schock hin eine Zimtschnecke. Dann sagten wir Maryanne Bescheid wo wir uns befanden. Diese war außer sich vor Schreck, dass wir alleine in die Stadt sind und meinte wir sollten an Ort und Stelle bleiben. Ihr Bruder Selam würde sogleich vorbeikommen um uns abzuholen. Wie wir erfuhren bringt Selam seine Schwester jeden Tag in die Arbeit und holt sie auch wieder ab. Umso mehr weiß ich es nun wieder zu schätzen was für eine Luxusgut die Sicherheit und Freiheit ist, die wir zu Hause genießen dürfen.


Tama mit Donnabell und Selam


PS: Bitte entschuldigt meinen leicht pessimistisch angehauchten Bericht. Ich denke wir befinden uns gerade in einer kleinen "Down-Phase" resultierend aus Schlafmangel, Magenproblemen und leichten Erkältungssymptomen. Morgen sieht die Welt schon wieder anders aus ;)


Eure Michi :)




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