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Montag, 25. Dezember 2023

Die skurrile Schweinefarm

 

Kulinarische Höhen und hygienische Tiefen

Nach der einstündigen Busfahrt von New Plymouth nach Stratford erwartete mich dort nicht die versprochene Schweinebauern-Familie sondern nur Frieda (Name abgändert) - eine deutsche Frau Anfang sechzig, die schon seit vielen Jahren in Neuseeland lebt. Sie wohnt gemeinsam mit einem Hund, vier Schweinen und unzähligen Hühnern etwas außerhalb von Stratford in einem Minihaus. Als ich sie nach ihrer Familie fragte, meinte sie, dass es diese gar nicht gäbe. Sie hätte diese nur erfunden, damit niemand erfährt, dass hier ganz alleine wohnt. Zu ihrem eigenen Schutz also. Diese kleine Lüge gab mir von Anfang ein etwas komisches Gefühl. Irgendwie konnte ich ihr nicht ganz trauen. 


Eines von Friedas Haustieren. Dieses Schweinchen heißt Rose und ist ein Kunekune Schwein. Der Name kommt von den Maori und heißt so viel wie "fett und rund".


Kaum hatte ich ihr Haus betreten, wollte ich eigentlich nur rückwärts wieder raus. Die hygienischen Umstände waren alles andere als einladend: überall Ratten- und Mäusekot am Boden, schimmlige Lebensmittel in den Schränken und im Kühlschrank und Hundehaare soweit das Auge reichte. Als sie mir dann noch offenbarte, dass ich nicht wie in ihrem Profil angegeben ein eigenes Zimmer bekommen würde, sondern auf der schmutzigen Couch schlafen müsste, war mir dann klar, dass ich schnellstens von hier weg will. Unmöglich möchte ich - wie ursprünglich geplant - die ganzen Weihnachtsfeiertage hier verbringen. 


Eine Liebe, die Grenzen überschreitet

Während sie mir das Haus zeigte, sprang der Hund auf meinem Schlafgemach herum. Kurz zuvor spielte er noch im Schweinekot. Frieda liebt ihre Tiere über alles, weshalb diesen auch alles erlaubt ist. Ihre Tierliebe geht sogar so weit, dass sie täglich mehr Zeit und Kosten in die Mahlzeiten ihrer Schweine investiert als in ihr eigenes Essen. Sie macht ihnen Bananen-Milchshakes, Linseneintöpfe und noch vieles mehr. Die Enthüllung, dass sie gelegentlich sogar bei ihren Lieblingen im Schweinestall schläft und diese mit Sonnencreme einschmiert, verstärkte mein Gefühl, dass mit ihr irgendetwas nicht stimmt nur noch mehr. 



Friedas Minihaus


Als Frieda mir frische Bettwäsche für die Couch brachte, beschloss ich der Situation erstmal eine Chance zu geben. Immerhin konnte ich auf die Schnelle gar nicht weg von hier. Ich war mehr oder weniger darauf angewiesen, dass sie mich wohin fährt. Sie bereitete ein äußerst leckeres und gesundes Abendessen zu, was nach dem anfänglichen Schock ganz gut tat. Ich durfte einfach nicht näher über die Hygiene nachdenken. Es heißt ja so schön: "Was dich nicht umbringt macht dich stärker!". 


Ein Wechselbad der Stimmungen

Die Nacht am Sofa war nicht so prickelnd. Frieda werkte bis nach Mitternacht neben mir in der Küche herum, um das Essen für die Schweine für morgen vorzubereiten. Ab vier Uhr morgens schrien dann die Hähne wie am Spieß. Frieda musste am nächsten Tag arbeiten - sie ist selbständige Fensterputzerin. Mir gab sie in der Zwischenzeit eine Liste mit Aufgaben, die erledigt werden sollten. Unter anderem musste ich einen Drahtzaun aufstellen, was mir grundsätzlich viel Spaß machte. Das Ding ist nur, dass sie mir so viele Sachen aufgab, dass sie unmöglich an einem Tag zu schaffen waren. Ausgemacht waren vier Stunden Arbeit am Tag. Die Schränke, die ich putzen sollte, haben vermutlich in den letzten 20 Jahren nie einen Putzlappen gesehen. Sie waren zentimeterdick von Ratten- und Mäusekot bedeckt. Als Frieda sich dann am Abend darüber aufregte, dass ein paar Gegenstände nicht mehr exakt an derselben Stelle wie zuvor standen, brachte dies das Fass zum überlaufen. Dieser kleine Fehler wurde zum Dauerthema des Nachmittags. Eigentlich wollte ich ihr nun offenbaren, dass ich beschlossen habe, schon vorzeitig abzureisen. Doch irgendwie schaffte ich es nicht, da sie plötzlich wieder so unglaublich lieb war. Ihr ambivalenter Charakter war ein Wechselspiel aus übertriebener Freundlichkeit und unvorhersehbaren Stimmungsschwankungen.


Blick auf den Mount Taranaki von Friedas Farm

Zaun fertig aufgestellt


Mein Loch im Mund, aus dem der Zahn vor ein paar Tagen gezogen wurde, hat sich vermutlich etwas infiziert. Die Schmerzen werden nämlich leider immer mehr statt weniger. Frieda versorgte mich sogleich mit sämtlichen Hausmitteln und rief sogar den Zahnarzt für mich an. Dieser wird jedoch erst nach Weihnachten wieder öffnen. Ich sah das Ganze aber nun als triftige Begründung für meine vorzeitige Abreise. Also erzählte ich Frieda, dass ich mich einfach nicht sonderlich gut fühlte und gerne die nächsten Tage eine Unterkunft für mich haben würde, um ein wenig auszuruhen. Zum Glück reagierte sie ganz gelassen darauf und ich konnte schlussendlich am 23. Dezember ihre Farm ohne viel Drama verlassen. Frieda fuhr mich sogar nach Stratford, wo ich nun die Weihnachtsfeiertage auf einem Campingplatz verbracht habe. Ich mietete mir eine kleine Hütte mit Küchenzeile. Der Platz ist wirklich wunderschön gelegen neben einem Fluss und vielen Wanderwegen. Somit konnte ich hier ganz entspannte und friedliche Weihnachtsfeiertage verbringen. Ich kochte leckeres Essen und machte ausgedehnte Spaziergänge und Läufe entlang des idyllischen Flusses. 


Wunderschöne Flusswanderungen neben dem Campingplatz



Nun bin ich also wieder eine Erfahrung reicher, die mich im Nachhinein wahrscheinlich noch lange zum Lachen bringen wird. Gleich geht es mit dem Bus weiter nach Whanganui. Bin schon gespannt welche Abenteuer mich dort erwarten werden.


Eure Michi 



=> Hier findest du noch mehr Fotos und Videos von Stratford und der skurrilen Schweinefarm <=









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