Mount Roraima Trekking - in einem Land vor unserer Zeit
Santa Elena de Uarién, Venezuela
Der mächtige Mount Roraima
Der Roraima ist ein mächtiger Tafelberg im Dreiländereck von Venezuela, Brasilien und Guyana und eines der faszinierendsten Naturwunder dieser Welt. Es gibt mehrere Tafelberge - von den Einheimischen werden sie Tepuis genannt - in der Gran Sabana. Sie gehören zu den ältesten Gesteinsformationen der Erde. Im Lauf von Jahrmillionen wurden die Sandsteinschichten durch Erosion ausgewaschen. Resultat sind die einzigartigen, teils bizarren Felslandschaften. Die häufigen Nebenschleier tragen ihren Teil zu dieser surrealen Atmosphäre bei.
Mit einer Höhe von 2.810m und einer flachen Gipfelfläche von über 31 Quadratkilometern wirkt der Mount Roraima wie ein Monolith aus einer anderen Welt. Durch die abgeschiedene Lage entwickelte sich eine einzigartige Tier- und Pflanzenwelt. Auf dem Plateau findet man fleischfressende Pflanzen, die sich an die kargen Böden angepasst haben. Zudem leben dort einige Tierarten, die ausschließlich auf diesem Berg vorkommen, darunter seltene Amphibien und Insekten.
Für die indigenen Völker der Region, hat der Roraima eine tiefe spirituelle Bedeutung. Er gilt als der Wohnsitz mächtiger Götter und als Ursprung aller Flüsse, denn seine Quellen speisen alle drei großen Flussbecken der Region.
Felsformationen am Mount Roraima |
Besteigung des Mount Roraima
Eine Besteigung auf eigene Faust ist nicht erlaubt. Im Nachhinein verstehe ich auch warum. Am Plateau gibt es nämlich keine sichtbaren Wege und die Wetterumschwünge kommen so rasch, dass man dort sehr einfach verloren geht. Und natürlich ist es auch eine Einnahmequelle für den Volksstamm der Pemon, die dort in den indigenen Dörfern leben. Man kann also entweder eine Tour buchen und mit einer Gruppe losziehen oder man organisiert das Trekking selbst, was kostengünstiger, aber auch aufwändiger ist. Ich habe mich für die zweite Variante entschieden. Von ehemaligen Reisenden bekam ich den Kontakt von Robert, einen Pemon, der in Paraitepuy lebt. Dieses Dorf ist der Ausgangspunkt für das Trekking.
Tag 1
Um Punkt 6:40 Uhr morgens kreuzte Eduardo mit seinem Motorbike in meiner Unterkunft in Santa Elena auf. Ihr erinnert euch vielleicht, das ist der betagte Mopedtaxifahrer, der mir bereits bei meiner Ankunft hier im Ort am Busbahnhof auflauerte. Er hat mir einen ganz guten Preis gemacht für die über einstündige Fahrt nach San Fransisco de Yuruaní, wo ich dann Robert treffen sollte. Einen Bus gibt es so früh am Morgen scheinbar nicht. Für 110 Reales (= ca 17 €) wurde ich also mit dem Motorbike dorthin gefahren. So schlecht sind Eduardos Fahrkünste gar nicht. Bloß einmal hat er ein Schlagloch übersehen, weshalb mir der Rücken noch eine Weile weh tat.
Um kurz vor acht erreichten wir San Fransisco. Eduardo ließ es sich nicht nehmen, mit mir zu warten, bis Robert auftauchte. Wenige Minuten später kreuzte dieser auch schon auf. Mit so viel Pünktlichkeit hätte ich gar nicht gerechnet. Doch dafür wurde nun meine Geduld etwas auf die Probe gestellt. Ich hätte mir ja gedacht, dass mein Guide gut vorbereitet ist. Doch er musste zuerst allerhand Sachen in San Fransisco erledigen, weshalb er mich dann noch fast eine Stunde bei der Polizeiwache warten ließ. Nun folgte eine weitere Stunde am Motorbike entlang einer unasphaltierten Straße, die in das Dorf Paraitepuy führt. In diesem 600-Mann-Dorf lebt Robert mit seiner Familie. Wieder verschwand er für eine gute Stunde, da er noch seinen Rucksack packen müsse. In der Zwischenzeit kamen fünf Slowaken mit dem Jeep an. Auch sie werden das Trekking heute starten, jedoch etwas luxuriöser als ich. Nämlich mit vier Portern (Trägern), einem Koch und einem Guide. Gegen Mittag konnten Robert und ich endlich starten.
Der erste Tag führte durch die hügelige Landschaft der Savanne. Es war unglaublich heiß und mein Rucksack sehr schwer, geschätzt ca 15 - 17 kg. Ich hatte meine Verpflegung für die nächsten sechs Tage dabei, das Camping-Equipment, Kleidung etc. Robert trug das Zelt für mich. Sein Rucksack war dementsprechend um einiges schwerer. Er hatte zudem noch zwei Liter Kerosin, den Kocher, einen portablen WC-Eimer, eine Flasche Rum und seine persönlichen Sachen dabei. Die Savanne ist durchzogen von glasklaren Flüssen, wo wir unsere Wasservorräte auftanken konnten. Robert erzählte mir, dass es Unmengen von Schlangen - darunter auch Klapperschlangen - hier in der Gegend gäbe und ich stets aufpassen sollte wo ich hintrete. Ansonsten kann man mit viel Glück noch Wildkatzen wie Pumas sehen.
Blick auf den Mount Roraima |
Nach etwa vier Stunden kamen wir im Camp Rio Tek an. Dort trafen wir auf die Slowaken und noch eine weitere Gruppe. Ich war froh, dass wir nur eine kurze Pause machten und dann weiter ins nächste Camp wanderten. Dazu mussten wir zwei Flüsse durchqueren. Bei starkem Regen, sind diese aufgrund des hohen Wasserspiegels nicht passierbar. Gegen 17 Uhr erreichten wir das Camp Rio Kukenan, welches sich am gleichnamigen Fluss befindet. Er ist wunderschön hier und wir waren zum Glück die einzigen. Im Schutz einer Lehmhütte stellten wir mein Zelt auf. Robert schlief unter freiem Himmel. Am Abend zogen Papageienschwärme über den Himmel. Ich beschloss noch ein Bad im warmen Rio Kukenan zu nehmen. Es war paradiesisch. Bis auf die Moskitos. Das Abendessen wurde am Lagerfeuer gekocht.
Hier am Rio Kukenan verbrachten wir die erste Nacht |
2. Tag
Nachts hat es stark geregnet. Bereits um 5:30 Uhr machte Robert ein Feuer für den Kaffee und das Frühstück. Gegen sieben Uhr zogen wir los. Es war eindeutig der härteste Tag mit einem sehr steilen Aufstieg. Die größte Herausforderung war der schwere Rucksack und die tropische Hitze. Wir trafen wieder auf ein paar Porter, die gerade am Abstieg waren. Es ist unglaublich was sie für ein Gewicht mit sich herumschleppten. Robert klärte mich auf, dass eine Ladung 15 kg sind. Um mehr Geld zu verdienen tragen die meisten Porter aber zwei bis drei Landungen. Manche sogar vier. Und man mag es kaum glauben, sogar Frauen und Kinder arbeiten als Träger. Laut Robert fangen Jungs mit neun Jahren an halbe Ladungen auf den Berg zu schleppen. Das sei wichtig, denn so gewöhne sich ihr Körper daran.
Unglaublich was die Porter so alles den Berg hochschleppen |
Der steile Aufstieg |
Es ging durch einen dichten Dschungel mit einer beeindruckenden Pflanzen- und Vogelwelt. Besonders die kleinen Kolibris faszinierten mich. Von der über 1.000m hohen Felswand des Roraima kamen tosende Wasserfälle herunter. Für ausreichend Wasser war also immer gesorgt. Im Basecamp machten wir Mittagspause. Dort verbrachten dann die Slowaken die Nacht. Für uns ging es direkt weiter auf das Plateau. Als wir dort ankamen waren wir in einer dichten Nebelwolke. Rund um uns eine karge Landschaft bestehend aus bizarren Felsformationen. Es fühlte sich so an, als würden wir einen anderen Planeten betreten. Ich kam aus dem Staunen fast nicht mehr heraus. An den Steinen entdeckte ich schwarze, kleine Frösche. Diese können aber nicht hüpfen, sondern nur kriechen.
Am Plateau des Roraima angekommen |
Kriechende Frösche |
Nun war es nicht mehr weit bis zu unserem "Hotel" - wie Robert es liebevoll nannte. Es handelte sich um eine Höhle. Durch die ständigen Wetterumschwünge ist es wichtig ein vor dem Regen geschütztes Plätzchen zu haben. Die Lebensmittel mussten wir aufhängen, denn es gibt Unmengen von Ratten hier oben. Dafür aber keine Moskitos und keine Schlangen. Das war ein guter Deal. Ich sollte nachts nie barfuß gehen, warnte mich Robert. Kleine Skorpione und Taranteln würden dann nämlich ihr Unwesen treiben. Das hier wird übrigens unser Lager für die nächsten drei Nächte sein. Tagsüber stehen Tageswanderungen am Plan. Wie schön, ohne den schweren Rucksack losziehen zu können.
Unser "Hotel" am Roraima. Hier der Schlafplatz von Robert. |
Und mein Schlaflager |
Da wir noch Zeit hatten wanderten wir noch zu natürlichen Pools, um ein Bad zu nehmen. Nach den heutigen Strapazen fühlte sich das an wie ein Traum.
Was für eine Wohltat! |
3. Tag
Das Dreiländereck Venezuela- Guyana - Brasilien |
Im Tal der Kristalle. Quarzkristalle ohne Ende! |
La Fosa - da werden wir gleich hinunter klettern. |
Unten angekommen ;) |
Den ganzen Rückweg stürmte und regnete es. Klatschnass und durchfroren kamen wir bei unserem Lager an.
4. Tag
Nach einer schlaflosen Nacht aufgrund mieser Magen- Darmprobleme bat ich Robert diesen Tag etwas gemütlicher anzugehen. Wir wurden heute mit strahlendem Sonnenschein belohnt.
Am 4. Tag besuchten wir den Aussichtspunkt La Ventana. |
Nachdem wir von La Ventana zurückkamen, musste ich mich erstmal zwei Stunden hinlegen. Danach ging es mir etwas besser und ich konnte ein wenig Haferflocken-Porridge essen.
Nach meinem Siesta erfolgte ein erfrischendes Bad in einem der natürlichen Jacuzzis. |
Danach erforschten wir eine riesige Höhle. Und selbst da drinnen gab es eine Badegelegenheit ;) |
Nach dem ganzen Baden fühlte ich mich fast wie neu geboren und bereit den höchsten Punkt des Roraima zu erklimmen: den Punto Maverick auf 2.810m.
Robert und ich |
Am höchsten Punkt des Roraima: Punto Maverick 2.810m |
Tag 5
Die Zeit am Plateau des Roraima ist leider viel zu schnell vergangen. Nur allzu leicht hätte ich es noch ein paar Tage hier ausgehalten. Nach dem Frühstück war es schon Zeit für den Abstieg. Dabei machten wir einen Abstecher zu Wasserfällen, die von den Touren sonst nie besucht werden. Es war zwar ein Umweg, aber jeden Schritt wert!
Und wieder ein traumhafter Wasserfall, der eine willkommene Badepause war. |
Mir zuliebe übernachteten wir noch einmal am Rio Kukenan, dort wo wir auch die erste Nacht verbrachten. Eigentlich wäre Roberts Plan gewesen im letzten Camp unser Nachtlager aufzuschlagen. Da wäre die Chance aber groß, dass weitere Touristen vor Ort sind. Robert beschloss übrigens am letzten Tag seine Rumflasche zu leeren. Er hatte die Tage davor immer nur ein paar Schluck genommen. Heute begann er jedoch schon am frühen Morgen seinen Saft großzügig mit Rum zu verdünnen. Ich machte mir zwischendurch ernsthafte Sorgen, dass wir den Abstieg nicht mehr schaffen. Aber letztendlich hatte er gut durchgehalten. Aber der Alkohol in Kombination mit der Hitze und der Anstrengung setzten ihm dann doch recht zu.
Am Abend kochte mir Robert Tee aus verschiedenen Wildkräutern, die meine Magen- Darmbeschwerden lindern sollten |
6. Tag
Nach einem morgendlichen Bad hieß es die restlichen Kilometer durch die Gras-Savanne zurück zu wandern nach Paraitepuy, wo wir kurz vor Mittag ankamen. Robert nahm mich mit zu seiner Lehmhütte und stellte mir seine Frau Carmen und seine zwei Töchter vor. Carmen hatte bereits ein leckeres Mittagessen für uns vorbereitet. Am meisten faszinierte mich ihr Haustier: ein kleiner Affe. Seine Mutter lebt nicht mehr, also haben sie beschlossen den kleinen Kerl aufzunehmen. Er ist wohl zwei bis drei Monate alt.
Roberts Affenbaby eroberte sofort mein Herz. |
Robert machte ein kurzes Siesta in der Hängematte, bevor wir uns mit seinem Motorbike auf den Rückweg nach San Fransisco machten. Es war unglaublich heiß. Nach 10 Minuten Fahrt trafen wir auf drei der Porter von den Slowaken. Sie standen sturzbetrunken mit ihren Motorbikes am Wegrand und hatten jeweils ein Bier in der Hand. Daneben eine Kühlbox. Robert hielt an. Kurzerhand leerte auch er eine Dose Bier. Der betrunkene Porter, der mir ständig erklärte wie wunderschön ich doch sei, drückte auch mir ein eiskaltes Bier in die Hand. Bei der Hitze war das tatsächlich gar nicht so schlecht. Mehr Sorgen machte mir aber, dass Robert in der Zwischenzeit mindestens noch weitere drei oder vier (ich kam mit dem Zählen gar nicht mehr nach) Bier auf ex leerte. Wir hatten noch eine lange Fahrt vor uns. Zum Glück kamen wir heil in San Fransisco an. Robert setzte mich vor einem Minishop ab. Nun brauchte ich einen Bus zurück nach Santa Elena. Der Minishopbesitzer meinte, dass dieser wohl erst in zwei bis drei Stunden auftauchen würde. Auf der Straße war auch sonst nicht viel los. Irgendwann kam ein Polizei-Pick-up an, welcher mich tatsächlich mitfahren ließ. Es lagen schon drei Venezolaner auf der Ladefläche. Ich gesellte mich dazu. Während mir der Fahrtwind ins Gesicht blies und ich die Wolken am blauen Himmel beobachte, dachte ich mir einfach nur: "Ich liebe das Leben." Solche kleinen Glücksmomente machen das Reisen so speziell.
Der Riesenvorteil an der Sache mit der Polizei war übrigens, dass wir bei den etlichen Polizeikontrollen nie angehalten wurden. Zudem verlangten die netten Herren, die mich mitgenommen haben, letztendlich auch kein Geld.
Auf der Ladefläche des Polizei Pick-ups |
So bin ich mittlerweile wieder wohlbehütet in Santa Elena angekommen, wo ich bestimmt noch ein paar Tage bleiben werde, da ich den Ort und vor allem meine Unterkunft einfach liebe.
Meine paradiesische Unterkunft in Santa Elena |
Fazit des Trekkings:
Es war eindeutig eines der eindrucksvollsten Trekkings, die ich je gemacht habe.
Kosten:
Eine Tour, die man über einen Touranbieter bucht, fängt bei etwa 600 USD an und geht hoch bis zu über 1.000 USD. Man hat dabei Porter, Guide, Transport von Santa Elena und Essen inkludiert. Wenn man alles selber organisiert steigt man auf alle Fälle günstiger aus und ist auch nicht in einer Gruppe. Das hängt also von der persönlichen Vorliebe ab.
Meine Kostenaufstellung:
- Guide 50 USD / Tag x 6 = 300 USD
- Transport von San Fransisco nach Paraitepuy mit dem Motorbike: 30 USD / Strecke x 2 = 60 USD
- Eintrittsgebühr für den Roraima Nationalpark: 10 USD
- 2l Kerosin zum Kochen: 2 x 30 Reales = 60 Reales
- Essen: ca 30 USD