Von den Anden in das Amazonasgebiet: Apfelstrudel, Erdbeben und meine erste Tapir-Begegnung
Misahuallí, Ecuador
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Pinke Bananen |
Zurück nach Quito
Am Freitag ging es für mich wieder zurück in Richtung Quito – diesmal mit dem Bus. Zuerst musste ich vom Lago San Pablo einen Bus zum großen Kreisverkehr nehmen, von wo aus ich dann einen weiteren Anschlussbus nach Pifo finden sollte. Zum Glück sind die Einheimischen durchwegs sehr hilfsbereit wenn man nach dem Weg fragt. Beim Warten lernte ich eine super süße indigene Omi kennen mit der ich dann auch die ganze Reise bis nach Pifo gemeinsam zurückgelegt habe. Wir tauschten Telefonnummern aus und ich teilte meine Busjause mit ihr, worüber sie sich sehr freute. Wenn ich das nächste Mal zum Lago San Pablo komme, sollte ich mich unbedingt melden bei ihr. Sie hätte ein Zimmer für mich frei und würde gerne etwas Leckeres für mich kochen.
Von Pifo aus nahm ich dann ein Uber zu Gerald nach Hause in Lumbisí, wo ich für eine Nacht quasi "Couchsurfen" durfte. Zur Begrüßung überraschte er mich mit Wiener Schnitzel und Apfelstrudel! Sein Vater war tatsächlich Deutscher und noch dazu Koch – daher hat er einige großartige Rezepte auf Lager. Es war auf alle Fälle eine Wohltat.
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Hausgemachter Apfelstrudel :) |
Auf ins Amazonasgebiet
Da auch Gerald in Richtung Amazonas reisen musste, starteten wir am nächsten Tag die Reise gemeinsam in seinem Auto und teilten uns das Spritgeld. Es ist wirklich unglaublich, wie schnell sich die Landschaft in Ecuador verändert: Innerhalb von nur drei Stunden gelangten wir vom Hochland in den Regenwald.
Während der Fahrt lernte ich bereits einige einheimische Spezialitäten kennen. Zum Beispiel Guayusa. Dabei handelt es sich um eine traditionelle Pflanze, die von indigenen Völkern des Amazonasgebiets seit Jahrhunderten genutzt wird. Die Blätter enthalten eine hohe Konzentration an Koffein und Antioxidantien, weshalb daraus ein anregender Tee gebraut wird. Anders als Kaffee sorgt Guayusa für eine sanfte, langanhaltende Wachheit, ohne Nervosität auszulösen. Außerdem soll er das Bewusstsein schärfen und wird oft von Jägern getrunken, um wach und konzentriert zu bleiben. Wenn man in einheimischen Restaurants etwas zu essen bestellt bekommt man meistens eine Karaffe mit kaltem Guayusa-Tee und Zitrone dazu.
Zu Mittag hielten wir an einem kleinen Restaurant, wo wir ein traditionelles Gericht aus der Amazonas-Region probierten: Maito. Dabei wird frischer Fisch, oft Tilapia, in große Bijao-Blätter eingewickelt und über offenem Feuer oder auf heißen Kohlen gegart. Die Bijao-Blätter sorgen dafür, dass der Fisch saftig bleibt und ein leicht süßliches, rauchiges Aroma erhält. Dazu gibt es meist Yuca (Maniok), Kochbananen oder Reis. Es war ein absoluter Gaumenschmaus und der Fisch zergeht im Mund fast so wie Butter.
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Mailto: Hier wird Fisch in Bijao-Blätter gewickelt und über dem Feuer zubereitet |
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Und fertig ist das Maito |
Erdbeben!
Wir fuhren bis nach Cotundo, wo wir die Nacht verbrachten. Ein paradiesischer kleiner Ort im Dschungel. Die Geräuschkulisse ist hier absolut beeindruckend. Wir unternahmen noch eine kleine Dschungelwanderung und badeten im Fluss.
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Meine Unterkunft in Cotundo |
Ich verbrachte die Nacht in einer einfachen Holzhütte. Gegen 2 Uhr morgens wurde ich aus dem Schlaf gerissen. Die gesamte Hütte wackelte minutenlang wie verrückt. Ein Erdbeben! Die Holzwände zitterten, das Bett bebte, und für einen Moment hatte ich das Gefühl, als könnte die ganze Hütte in sich zusammenbrechen. Später fand ich heraus, dass das Epizentrum des Bebens nur 17 Kilometer entfernt lag und die Stärke 5,6 betrug – heftig genug, um mir eine ordentliche Adrenalin-Dosis zu verpassen. Doch ich blieb überraschend ruhig. Ich wusste aus Erfahrung, dass es in ein paar Minuten vorbei sein würde. Mein allererstes und bisher stärkstes Erdbeben hatte ich in Papua-Neuguinea erlebt. Trotzdem: Jedes Mal fühlt es sich an, als würde die Welt gleich untergehen.
Tena - das Tor zum Amazonas
Am nächsten Morgen nahm ich einen Bus nach Tena (75 Cent, 45 Minuten), wo ich die nächsten zwei Nächte verbrachte. Ich quartierte mich im "Hostal Limoncocha" ein – für 9 USD pro Nacht im Einzelzimmer. Ein super Deal!
Tena ist eine lebendige Stadt und bekannt für üppige Natur, Flüsse und Abenteueraktivitäten. Hier trifft Moderne auf tropische Wildnis. Die Stadt ist Ausgangspunkt für Dschungeltouren, Kajakfahrten und Erkundungstouren in den Regenwald.
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Tena |
Die Suche nach dem Tapir
Den angefangenen Tag nutzte ich, um die kleine Stadt zu erkunden. Dabei kam ich zu auch zu dem Naturreservat Parque Amazónico La Isla. Er befindet sich auf einer Insel zwischen den Flüssen Tena und Pano. Was mich besonders reizte an diesem Ort war, dass dort scheinbar ein Tapir leben sollte. Wenn man keinen Guide möchte, ist der Eintritt kostenlos. Der Park schien seine Hochzeiten wohl schon hinter sich zu haben. Es gibt ein paar gute Wege durch den üppigen Dschungel, aber auch viele die schon völlig verwachsen waren - und die fand ich natürlich besonders spannend. Die Sanitäranlagen sind großteils nur noch Ruinen, die vom Dschungel eingenommen wurden. Leider blieb meine Suche nach dem Tapir erfolglos. Dafür sah ich jede Menge bunter Vögel und genoss die exotische Urwaldkulisse.
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Im Parque Amazónico La Isla |
Da ich mich hier in einem absoluten Obst- und Gemüseparadies befinde, deckte ich mich am Heimweg in einer Frutería ordentlich ein mit Papaya, Zwiebeln, Paprika, Tomaten und Limetten. Das Ganze für nur 1,25 USD – einfach unglaublich!
Der Wasserfall Pimpillitu
Den nächsten Tag startete ich mit einer kleinen Wanderung zu einem Wasserfall namens Pimpillitu, etwa 5km außerhalb von Tena. Ich habe ihn auf der Landkarte entdeckt und beschloss auf gut Glück dorthin zu wandern. Ein paar Kinder, die ich vor Ort traf, erklärten mir wie ich zu dem Wasserfall komme. Auch hier war wohl einmal ein touristisches Projekt geplant. Es gab Sanitäranlagen am Wegesrand, die schon längst von der Natur zurückerobert wurden. Keine Menschenseele weit und breit.
Mission Tapir - Zweiter Versuch
Die Sache mit dem Tapir ließ mir keine Ruhe. Ich beschloss also am Nachmittag nochmals in den Parque Amazónico La Isla zu gehen. Ich fragte dort einen netten Ranger, ob er den wisse, wo sich das Tier gerade aufhält. Er erklärte sich bereit mir bei der Suche zu helfen und schnappte sich sein Fernglas. Tatsächlich fanden wir das Tier bereits nach wenigen Minuten grasend am Wegesrand. Er ist um einiges größer als ich mir gedacht hatte und erinnerte mich an eine Mischung aus einem Elefanten und einem Schwein. Ich beobachtete ihn ein Weilchen, bevor ich meinen Spaziergang durch das Naturreservat fortsetzte. Als ich später an einem Tümpel vorbeikam bewegte sich etwas im schlammigen Wasser. Es war der Tapir! Als er sich schließlich aus dem Wasser erhob, kam er geradewegs auf mich zu. Ich musste sofort an die Warnung des Rangers denken. Er meinte, ich sollte mich vor dem Penis des Tieres in Acht nehmen. Tapire würden nämlich mit ihrem extrem langen und flexiblem Geschlechtsteil Urin versprühen wenn sie sich bedroht fühlen oder Dominanz zeigen wollen. So etwas würde mir gerade noch fehlen. Der Tapir kam näher und ich beschloss auf eine kleine Mauer zu steigen. Er begann meine Füße zu beschnuppern. Da musste ich natürlich sofort an die Schildkröten-Attacke auf den Galapagos-Inseln zurück denken. Das hat auch genau so gestartet. Langsam bewegte ich mich vom Tapir fort - nur keine Panik zeigen! Doch er ließ nicht locker und verfolgte mich noch ein Weilchen. Irgendwann verlor er dann zum Glück doch das Interesse. Was für eine Begegnung! Ich war überglücklich endlich meinen ersten Tapir in mehr oder weniger freier Wildbahn gesehen zu haben!
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Der Tapir schien ziemlich interessiert an mir zu sein |
Weiter nach Misahuallí
Heute, am Dienstag, ging meine Reise weiter nach Misahuallí, ein kleines, idyllisches Dorf am Rio Napo. Der Bus von Tena hierher kostete 90 Cent und die Fahrt dauerte weniger als eine Stunde. Kaum angekommen, spürte ich sofort die entspannte Atmosphäre dieses Ortes – der Dschungel, der Fluss, die warme, feuchte Luft.
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Ein Papagei im Supermarkt - so etwas gibt es wohl nur am Amazonas! |
Der Rio Napo ist einer der wichtigsten Zuflüsse des Amazonas und fließt durch Ecuador und Peru. Er zieht sich über mehr als 1.000 Kilometer durch den Regenwald und ist eine der Lebensadern für die indigene Bevölkerung der Region. Viele kleine Dörfer und Gemeinschaften leben entlang des Flusses, und Boote sind hier oft das wichtigste Fortbewegungsmittel. Der Rio Napo ist nicht nur ein beeindruckendes Naturwunder, sondern auch ein Tor zur wilden, unberührten Schönheit des Amazonas.
Ich checkte im Hostal Albergue Español ein – für 15 US-Dollar pro Nacht. Ich habe ein eigenes Zimmer, eine Gemeinschaftsküche steht zur Verfügung, und das Beste: der Blick auf den Rio Napo.
Ich startete natürlich sofort eine Erkundungswanderung, die mich ein ein kleines Nachbardörfchen führte. Die Kulisse hier ist einfach traumhaft: dichter Dschungel, exotische Geräusche, und der üppige Urwald mit seiner unglaublichen Pflanzenvielfalt.
Den Abend lasse ich nun gemütlich ausklingen mit Ausblick auf den Fluss. Morgen geht es weiter nach Ahuano, wo ich für eine Woche auf einer Kakao-Farm arbeiten werde. Die Farm liegt recht abgelegen in einer Kichwa-Community. Ich freue mich riesig darauf, in das Leben hier am Amazonas noch tiefer einzutauchen.
Hasta Luego!
Eure Michi :)