Simples Landleben in Kapkoi
Eldoret, Kenia
Eine Nacht in Nakuru
Letzten Donnerstag, dem 18.11., ging es für mich weiter von Naivasha nach Nakuru. Ich hatte dort eine Unterkunft gleich neben dem Busbahnhof. Dementsprechend laut war es auch die ganze Nacht. Ich muss zugeben, dass mir die Gegend dort nicht sonderlich sympathisch war. Die Leute sind irrsinnig aufdringlich und versuchten mich fast schon aggressiv in ihr Matatu zu zerren, ganz egal ob ich dorthin wollte oder nicht. Zum Glück waren die Angstellten meiner Unterkunft dafür umso netter. Daniel - ich vermute es ist der Besitzer - brachte mich am Freitagmorgen sogar zum Busbahnhof und ging sicher, dass ich im richtigen Matatu landete.
Von Nakuru ging es dann am nächsten Tat weiter nach Eldoret. Auch das ist eine recht große Stadt, jedoch stellte ich gleich bei der Ankunft fest, dass die Menschen hier um einiges freundlicher und weniger aufdringlich sind.
Angekommen bei Hillary und seiner Familie
Meine Gastfamilie (von Couchsurfing) wohnt etwa 30 km außerhalb von Eldoret in dem Dorf Kapkoi, das auf 2.500 m Seehöhe liegt. Die Familie besteht aus Hillary - ein professioneller Marathonläufer, seiner Frau Betty und den beiden Kindern Annabelle (5 Jahre) und Aniel (1 Jahr). Betty holte mich vom Busbahnhof ab. Nun ging es mit einem weiteren Matatu nochmals über eine Stunde in ihr kleines, idyllisches Heimatdörfchen Kapkoi. Ich fühlte mich von Anfang an super wohl hier. Alles total ländlich und simpel. Die Familie lebt in einem kleinen Holzhaus mit einem Wellblechdach. Die Küche ist in einem eigenen Gebäude - hier wird auf offenem Feuer gekocht. Auch die Hühner wohnen mit in der Küche. Das Toilettenhäuschen befindet sich etwa 100 Meter vom Haus entfernt - eine kleine Holzhütte mit einem Loch im Boden, welches man möglichst treffen sollte, wenn man sein "Geschäft" verrichtet. Die "Dusche" ist die kleine Holzhütte gleich daneben - man nimmt sich einen Kanister Wasser mit und duscht sich dann im Schöpfprinzip. Fließend Wasser gibt es keines, es muss mühsam vom Brunnen heraufgezogen und hergeschleppt werden. Dann wird es am Feuer noch erwärmt. Duschen ist hier also etwas ziemlich zeitaufwändiges. Zudem muss man mit etwa drei Litern auskommen, da Wasser Mangelware ist. Die Familie besitzt drei Kühe, von denen eine täglich gemolken wird. Außerdem haben sie einen Garten mit vielen Früchten und Gemüse (Kartoffeln, Mais, Melonenbirnen, Avocados, Tamarillos,...). Sie versorgen sich zu einem großen Teil selbst oder tauschen Dinge und Lebensmittel mit den Nachbarn aus.
Betty beim Melken der Kuh |
Die Küche. Hier wird auf auf offenem Feuer gekocht. |
Links die Toilette und rechts die Dusche ;) |
So sieht die Toilette von innen aus. Man sollte möglichst das kleine Loch treffen wenn man sein "Geschäft" erledigt. |
Hier wird geduscht und zwar nach dem Schöpfprinzip. Man nimmt eine Schüssel warmes Wasser mit und einen Becher, mit dem sich das Wasser dann über den Körper schüttet. |
Da wo die weltbesten Marathonläufer herkommen...
... genau da befinde ich mich gerade. Man kennt sie ja, die kenianischen Marathonläufer, die bei den Wettkämpfen immer ganz vorne mitlaufen. Sie kommen großteils tatsächlich genau da her wo ich gerade bin. Da Eldoret und die Gegend rundherum (zB Iten) auf durchschnittlich 2.500 m Seehöhe liegt, bietet diese Region die idealen Voraussetzungen für das sogenannte Höhentraining. Das Laufen ist in Kenia jedoch weniger eine Freizeitbeschäftigung, sondern eine der wenigen Möglichkeiten, einen Weg aus der Armut zu finden. Die Arbeitslosenquote beträgt hier scheinbar bis zu 80%.
Ich, als begeisterte Läuferin, wollte mit Hillary natürlich gleich über das gemeinsame Hobby sprechen. Ich musste schlucken als er mir antwortete: "You know, we Kenyans don´t run for fun, we run for money." Auf Deutsch: "Weißt du, wir Kenianer laufen nicht zum Spaß, wir laufen für Geld." Unglaublich was da für Welten aufeinander prallen. Für uns ist das Laufen eine nette Freizeitbeschäftigung, während es hier mehr oder weniger ums nackte Überleben geht.
Umso rührender fand ich es wie bereitwillig diese einfache Familie alles was sie hatte mit mir teilte. Sie gingen immer sicher, dass ich satt war und es mir an nichts fehlte. Hillary erzählte mir, dass er seinen Traum ein erfolgreicher Marathonläufer zu werden, mittlerweile wieder an den Nagel gehängt habe. Zu groß sei die Konkurrenz. Und solange er nicht gewinnen würde, bekäme er auch kein Preisgeld. Er hätte eigentlich die perfekten Voraussetzungen - er ist gertenschlank und hat hat einen durchtrainierten Körper. Nun möchte er aber sein Glück mit Hilfsjobs in Katar versuchen. Dort würde er genug Geld verdienen um seiner Familie Zukunftsperspektiven zu ermöglichen. Er habe das Visum bereits beantragt und möchte gerne für zwei Jahre dorthin. Sein Vorhaben stimmt mich traurig, immerhin führen er, seine Frau und die zwei Kinder ein wirklich harmonisches Familienleben in einer absolut idyllischen Umgebung. Sie pflegen einen respektvollen Umgangston und behandeln einander äußerst liebevoll. Jeden Abend sitzt die ganze Familie zusammen und es wird in der Bibel gelesen, gemeinsam gesungen und gebetet. Ich kann Hillary nur aus vollem Herzen wünschen, dass sein Vorhaben den gewünschten Erfolg bringt. Für uns, die wir mit so viel Wohlstand aufgwachsen sind, sind solche Schritte oft schwer nachzuvollziehen.
Hillary, Betty mit Aniel und Annabelle |
Der Tagesablauf auf der Farm
Ich beim Melken :D |
Betty und Hillary beim Zubereiten frischer Chapatis |
Die kleine Annabelle und ihre drei Kusinen beim Brennholz sammeln |
Schulabschlussfeier im Dorf |
Am Samstag Abend verkündete Hillary mir feierlich, dass wir ein Schaf schlachten werden. Am nächsten Tag kommen nämlich Verwandte vorbei. Soweit ich das verstanden habe geht es darum, dass irgendwelche Brautpreisschulden erlassen wurden. Natürlich durfte ich bei der Schlachtung life dabei sein. Hillary und sein Nachbar schnitten dem schon etwas älterem Schaf mit einer recht stumpfen Machete den Kopf ab. Die 5-jährige Annabelle schaute quietschend vor Begeisterung zu. Als der Kopf ab war, schnappte sie sich diesen sogleich zum Spielen. Sie steckte ihre Finger in sämtliche Öffnungen und war innerhalb kürzester Zeit auf und auf voll mit Schafsblut. Die Erwachsenen störte das wenig. Mein Auftrag war es dann ihnen den Schafskopf nachzutragen zum Haus. Das war ein ekelhaftes Gefühl sag ich euch. Der Kopf bewegte sich nach wie vor ein wenig, zudem war er immer noch warm und blutete. Nun wurde dem Vieh noch das Fell abgezogen und das Fleisch aufgearbeitet. Gegessen wird hier ALLES außer die Knochen, was heißen soll alle Teile des Darms, sämtliche Innereien usw. Das war wieder einmal ein recht gravierendes Erlebnis heute. Fotos erspare ich euch lieber ;)
Zum gemeinsamen Joggen kam ich mit Hillary nur ein einziges Mal. Aber das hat mir schon gereicht. Aufgrund der Höhe, war ich innerhalb kürzester Zeit ordentlich außer Atem. Dafür machten wir aber immer wieder kleine Wanderungen in den Wald und zu wunderschönen Wasserfällen ganz in der Nähe. Die kleine Annabelle verfolgte mich in jeder freien Minute auf Schritt und Tritt. Sie liebt es meine Haare anzufassen und mir Frisuren zu machen.
Annabelle, Aniel und ich |
Annabelle, ich, Aniel und Betty |
In Kenia wird typischerweise mit den Fingern gegessen |
In dieser Flasche aus Kürbis befindet sich ein fermentiertes Getränk bestehend aus Milch und Holzkohle. Es ist typisch für die Gegend hier und nennt sich "Mursik". |
Wanderung mit den Nonnen ;) |
Wunderschöne Aussicht vom Wasserfall aus |
Wenn einem die Hühner das Mittagesen wegessen *lach* |
Kulturelle Unterschiede
Am Sonntag, als dann das geplante Festessen stattfand, amüsierten sich die Gäste vor allem darüber, dass in meiner Heimat eine Frau "gratis" ist - also, dass es keinen Brautpreis gibt. So etwas ist für sie absolut unvorstellbar.
Mittags und abends isst die Familie meist Ugali (=Maismehlbrei, ähnlich wie Polenta) oder Reis mit Bohnen. Als ich ihnen eines abends Pasta mit Tomatesauce gekocht hatte, merkte ich sofort, dass sich ihre Begeisterung in Grenzen hielt. Ein Essen ohne Ugali ist für sie kein richtiges Essen. Ich selbst war heilfroh endlich mal etwas anderes zwischen die Zähne zu bekommen. Meine Freude war leider nur von kurzer Dauer. Ehe mich mich versah , schüttete Betty Teile vom Schafskopf über meine Nudeln. Da das Vieh schon älter war, hatte es einen unglaublich starken "Schaf"-Geschmack. Zudem besteht der gekochte Kopf sowieso nur aus einer ekelhaft ledrig-gummiartigen Haut. Wenn man darauf herumkaut, wird die Masse im Mund immer mehr statt weniger. Ich konnte sie davon überzeugen, dass ich Schafskopf nicht so gerne mag und spendierte ihn an Hillary. Leider war aber schon allein die Sauce davon so geschmacksintensiv, dass meine ganze Pasta versaut war. Aber der Hunger war letztendlich größer....
Es dauerte bis das Schaf komplett aufgegessen war. Auch die nächsten Tage schwammen in der Bohnensauce immer wieder irgendwelche Teile vom Schafsdarm. Das war schon eine ordentliche Bewährungsprobe für mich. Der Rest der Familie strahlte aber, da Fleisch für sie etwas sehr seltenes und besonderes ist. Da es keinen Kühlschrank gibt, muss man das Tier natürlich so schnell wie möglich weiterkriegen. Als Hillary dann fast eine Woche nach der Schlachtung noch einen Schafsschenkel aus der Scheune holte, musste ich ihm aber sagen, dass ich das keinesfalls mehr essen würde. Tagsüber ist es sehr warm dort und außerdem sitzen die Fliegen drauf. Hillary wollte mich jedoch davon überzeugen, dass das überhaupt nicht schlimm wäre und schnitt ein Stück vom Schenkel ab. Ich musste mich fast übergeben, als ich sah, dass das Fleisch voll von kleinen Madenwürmern war. Gar kein Problem meinte Hillary, das Fleisch wird eh noch gekocht. Das war jetzt nun wirklich zu viel für mich. Ich legte auch Hillary noch ans Herz, dass er das besser nicht mehr essen sollte, er könne sich eine üble Lebensmittelvergiftung holen.
Was zudem für uns etwas ungewöhnlich erscheinen mag ist, dass die Babys hier keine Windeln tragen. Wenn sie pinkeln müssen, dann ist eben die Hose nass. Die meisten Erwachsenen stört das nicht sonderlich, wenn so ein nasses Baby auf ihnen herumkrabbelt oder sich auf ihren Schoß sitzt. Da hatte ich schon ordentlich Mühe. Immerhin liebte es der kleine Aniel auf meinem Schoß zu sitzen. Und da man die Wäsche hier ja nur händisch waschen kann, ist es viel Arbeit, diese dann wieder völlig sauber und geruchsfrei zu kriegen. Wenn der Kleine "groß" muss, dann merken sie das meistens und ziehen ihm die Hose runter, oder sie wird einfach gewechselt und ausgewaschen. Also ich denke, ich habe hier das Immunsystem meines Lebens entwickelt ;) Ich bin ja der Meinung, dass wir in Europa teilweise viel zu steril leben, aber das hier fand ich teilweise schon etwas zu viel des Guten. Trotzdem muss man sagen, dass die ganze Familie pumperlgesund ist.
Die Sache mit dem Heiraten
Was bestimmt auch noch unter die Rubrik "kulturelle Unterschiede" gehört, ist die Sache mit dem Heiraten. Für die Leute hier ist es absolut unverständlich wieso ich keinen Mann und Kinder habe. So etwas sei ein Segen Gottes und gehöre zum Leben einfach dazu. Für das Problem hatte Hillary recht schnell eine Lösung parat: Hosea, der Bruder von Betty wäre noch zu haben. Er ist Mitte zwanzig, trinke keinen Schluck Alkohol und wäre sehr fleißig. Ein perfekter Ehemann also. Ich machte den riesengroßen Fehler und tat das Angebot als Scherz ab. Freundlichkeitshalber erlaubte ich es Hillary sogar, dass er ihm meine Nummer weitergibt. Schon bald wurde mir klar, dass die Sache hier todernst ist. Hosea meinte scheinbar nun wirklich ich hätte Interesse ihn zum Mann zu nehmen. Als ich Hillary erklärte, dass wir in Europa aus Liebe heiraten, meinte dieser bloß, dass die Liebe eh automatisch kommen würde, wenn man sich öfters trifft. Heiraten ist hier oft einfach Mittel zum Zweck. Puh, irgendwie musste ich aus der Situation wieder rauskommen. Der Rest der Familie verstand meine Zurückhaltung überhaupt nicht. Man muss hald auch bedenken, dass so ein Muzungu (=Weiße) in der Familie ein besseres Leben für sie alle bedeuten könnte. Mittlerweile habe ich aber klare Worte gesprochen, die sie nun wohl auch verstanden haben. Hillary war tatsächlich etwas eingeschnappt. Nun habe ich wieder eine wichtige Lektion fürs Leben gelernt: In Afrika darf man nie mit Herairatssachen scherzen!!
Ansonsten ist zu sagen, dass die Menschen hier keinen Stress kennen und Zeit für sie überhaupt keine Rolle spielt. Vor allem das soziale Miteinander ist sehr wichtig. Trifft man Bekannte auf der Straße, kann so eine Begüßung schon mal über eine Stunde dauern.
Zurück in der Zivilisation
Plakat in einem Supermarkt in Eldoret. Hier gibt es nicht - wie bei uns - Geld zu gewinnen sondern 1000 Ziegen *lach* |