Puerto Ordaz, Venezuela
Am Busbahnhof von Santa Elena wurde ich sogleich von Ticketverkäufern umringt, die alle wollten, dass ich mit ihrem Busunternehmen fahre. Vermutlich bekommen sie Provisionen dafür. So wird man eigentlich auf allen Busbahnhöfen in Venezuela begrüßt. Da darf man sich auf keinen Fall zu viel stressen lassen und sollte gut vergleichen. Ich hatte mir im Vorhinein bereits über WhatsApp ein Ticket von Expresos San Cristobal reserviert. Die meisten Unternehmen haben nämlich keine Webseite, da zu teuer, also bucht man über WhatsApp. Ich habe dieses Unternehmen vorwiegend wegen der Toilette an Board gewählt. Wie mir Sergio am Weg zum Busbahnhof erklärte, war das leider keine gute Idee, denn die großen Busse mit Klo brauchen noch viel länger als die kleineren. Ich konnte mir nur schwer vorstellen, dass wir länger als das letzte Mal brauchen würden. Ihr erinnert euch, ich war 27 Stunden im Bus, davon waren 17 Stunden von Puerto Ordaz nach Santa Elena. Nun rechnete ich diesmal großzügigerweise mit 17-20 Stunden nach Puerto Ordaz.
Wie bestellt, war ich um kurz vor 16 Uhr an dem besagten Busbahnhof und zahlte dem WhatsApp Herren mit der Bierfahne die 30 USD für die Fahrt. Um 17 Uhr sollte es losgehen. Tatsächlich stand der Bus um kurz nach 17 Uhr parat. Meine anfängliche Freude verging mir recht schnell wieder. Bei genauerem Betrachten, war dieser Bus mindestens so desolat wie der vom letzten Mal. Ich stellte erstaunt fest, dass es wieder derselbe Fahrer war. Er erkannte mich natürlich, denn eine "Gringa" (so werden Touristinnen in fast ganz Südamerika genannt) sieht man hier nicht alle Tage. Eine Riesenhorde von Menschen scharte sich um den Bus. Und sie kamen alle mit Unmengen an Gepäck an, darunter sogar Kühlschränke und Möbelstücke. Ich konnte mir nie im Leben vorstellen, wie das alles da rein passen sollte. Sage und schreibe eineinhalb Stunden hat es gedauert bis die Leute und ihr Gepäck endlich alle im Bus verstaut waren. Es gab unglaubliche Diskussionen, da für Übergepäck scheinbar extra bezahlt werden musste usw.
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Unser etwas desolate Bus |
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Hier wurde schon allerhand provisorisch geklebt |
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Unmengen von Gepäck wurden angeschleppt |
Ich war froh, einen Fensterplatz bekommen so zu haben. Die Klima lief auf etwa 15°C - zum Glück war ich dafür gewappnet und hatte einen warmen Pulli und eine Decke dabei. Gegen 18:30 Uhr fuhren wir los. Nach fünf Minuten standen wir bereits wieder. Keiner wusste wieso. Um 19 Uhr ging es dann weiter für 10 Minuten. Die erste Polizeikontrolle. Wir standen in einer Kolonne hinter anderen Bussen. Fast zwei Stunden dauerte es. Zuerst ewig warten, dann kam die Polizei mit ihren Maschinengewehren in den Bus. Mein Pass wurde mir abgenommen und sie verschwanden damit. Das Gepäck der Leute ist übrigens mit der Reispassnummer versehen. Irgendwann bekam ich meinen Pass wieder. Nun begann die Polizei tatsächlich das ganze Gepäck der Passagiere auszuräumen. Kartons wurden aufgeschnitten und Koffer genauestens durchsucht. Hier in der Grenzregion zu Brasilien wird nämlich sehr viel geschmuggelt. Wie einige andere der Passagiere stieg ich aus, um nach meinen Sachen zu schauen. Meinen Rucksack sah ich nirgends. Ich beschloss einfach darauf zu vertrauen, dass er wieder irgendwo im Bus verstaut wurde.
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Eine Polizeikontrolle nach der nächsten sorgte für eine unruhige Nacht. |
Im Verlauf der weiteren Fahrt gab es ungefähr alle 30 - 60 Minuten Polizeikontrollen. Diese gingen zum Glück schneller über die Bühne. Aber die Sinnhaftigkeit davon verstehe ich immer noch nicht ganz. Die Nacht verlief dementsprechend eher schlaflos. Das WC an Board war zum Glück tatsächlich vorhanden. Leider stand am Boden etwa 2cm Urin, was ich zu spät bemerkte und meine Hose leider etwas in Mitleidenschaft zog. Aber da gibt es ja echt Schlimmeres. Wie zum Beispiel, dass mir dann noch mein Orangensaft in der Handtasche auslief und alles klatschnass war. Das blöde am WC-Gang war zudem noch, dass ich die etwas festere Frau neben mir immer wecken musste. Und dann noch den Typen, der seinen Sitzplatz vor dem Klo hatte. Er musste nämlich seinen Sitz von der Liegeposition in die Sitzposition bringen, damit die Tür aufging. Wenn man dann endlich drin war, musste man mit einer Hand krampfhaft die Türe zuhalten, da das Schloss kaputt war und die Tür sonst immer aufgegangen wäre. Aber ich denke, das gehört alles zum Abenteuer "Busfahren in Venezuela" dazu.
Um 6:30 Uhr hieß es Frückspause. Sie dauerte geschlagene zwei Stunden. Ich konnte dort 10 USD in Bolivares umtauschen. Dafür bekam ich einen Riesenstapel 10-Bolivares-Scheine (48 Bolivares = 1 USD; das heißt ich hatte dann 48 Scheine!!). So einen Pack Geld bekommt man natürlich niemals in eine Geldbörse, deshalb habe ich mittlerweile angefangen es so wie die Einheimischen zu machen: einfach die Scheine mit einem Gummiring bündeln.
Als wir mittags immer noch weit von Puerto Ordaz entfernt waren, wurde ich schön langsam ungeduldig. Ich habe meiner Couchsufing Gastgeberin Danyelis nämlich gesagt, dass ich so gegen 9 Uhr morgens ankommen würde. Das Ende der Geschichte ist, dass wir um 15:30 Uhr ankamen. Unglaubliche 22 Stunden war ich in diesem Bus! Man muss dazu sagen, dass die Straßen in einem unheimlich schlechten Zustand sind und wir teilweise nur im Schritttempo fahren konnten. Insgesamt haben wir 600 km zurück gelegt. Ich war ziemlich erleichtert, dass auch mein Rucksack das Ziel erreicht hatte.
Nun habe ich erstmal genug von langen Busfahrten. Obwohl es auf jeden Fall zu einem authentischen Reiseerlebnis dazu gehört. Man knüpft auf den Fahrten tolle Bekanntschaften und lernt Land und Leute richtig kennen. Aber mein Pensum ist vorerst erreicht und ich habe kurzerhand beschlossen am Freitag auf die Isla Margarita zu fliegen. Das liegt auch daran, dass ich ein super billiges Ticket - für venezolanische Verhältnisse - gefunden habe: um 45 USD.
Hasta luego!
Eure Michi :)
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