Die dritte Sektion des Greater Patagonian Trails (GPT03) war – wie schon die vorherige – wieder recht wild und fordernd. Ich kämpfte mich stundenlang durch dorniges Gebüsch, hatte eine riesige Tarantel vor dem Zelt, sah unzählige tote Kühe und scheiterte an einer Flussquerung, was mir einen zusätzlichen Wandertag bescherte. Zudem trat ich beinahe auf eine riesige Schlange, kletterte über zahllose Zäune und Tore - und stand dann irgendwann auch noch mitten auf einer illegalen Marihuana-Plantage.
Trotz alldem war die Landschaft einfach atemberaubend. Einsame Täler, unberührte Natur und immer wieder wunderschöne Flüsse, perfekt zum Abkühlen nach endlosen Stunden im Busch.
Samstag, 6. Dezember 2025
Kurz nachdem ich das Örtchen Coya verlassen hatte, bekam ich gleich einen ordentlichen Schreck. Ich wäre beinahe auf eine etwa 1,5 Meter lange Schlange getreten. Sie lag regungslos am Weg, weshalb ich zuerst dachte sie sei tot. Als ich versuchte, hinten an ihr vorbeizuschleichen, verschwand sie plötzlich blitzschnell im Gebüsch.
Später traf ich auf vier Arrieros mit vollbepackten Pferden. Sie kamen gerade aus den Bergen zurück, wo sie nach dem Vieh gesehen hatten, und trauten ihren Augen kaum, eine Frau alleine auf dem Trail zu sehen. Wir plauderten ein bisschen. Außerdem beruhigten sie mich wegen meiner wachsenden Puma-Paranoia, die mir die Minenarbeiter in Coya eingepflanzt hatten. Laut den Cowboys sind Pumas hier extrem scheu und eher weiter oben in den Bergen unterwegs.
Mittags fand ich eine wunderschöne Badestelle am Fluss. Am Nachmittag musste ich über ein verschlossenes Tor klettern, was wieder einmal gar nicht so einfach war. Dahinter lag ein kleines Puesto, aber niemand war da. Vielleicht gehörte es den Arrieros. Ich stellte mein Zelt direkt neben dem Fluss auf und ging abends noch einmal schwimmen.
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| Das Puesto |
Sonntag, 7. Dezember 2025
Die ganze Nacht hatte es leicht geregnet, und am Vormittag wurde der Regen noch stärker. Ich blieb also bis Mittag im Zelt – zum Glück hatte ich mein Kindle dabei. Zwischendurch lauschte ich einfach den Geräuschen der Natur.
Um 13 Uhr konnte ich schließlich aufbrechen. Es wurde ein mental schwieriger Tag. Das dichte Gestrüpp war zäh und die Orientierung mühsam. Da das Gebüsch teilweise höher als ich selbst war, bekam ich oft regelrecht Platzangst. Zu alldem fand ich lange keinen geeigneten Zeltplatz. Entweder lag irgendwo eine tote Kuh herum, es war zu viel Gestrüpp oder zu steil. Außerdem hatte ich im Hinterkopf, dass irgendwo in der Nähe eine illegale Marihuana-Plantage sein sollte. Das Puma-Thema hat mich auch noch nicht ganz losgelassen. Wenn etwas passiert, wäre Hilfe Tagesmärsche entfernt. Zum Glück konnte ich mich irgendwann wieder etwas beruhigen.
Erst gegen 20 Uhr fand ich endlich einen Zeltplatz. Sobald ich in meinen eigenen vier Wänden war, fühlte ich mich wieder sicherer.
Montag, 8. Dezember 2025
Endlich wieder Sonnenschein! Das Kämpfen durch das dichte Gestrüpp war heute ultra intensiv, zum Glück meist bergab. Ich ließ mich teilweise einfach in die Büsche fallen und wollte gar nicht daran denken wie viele Schlangen sich da tummeln könnten. Ich war komplett zerkratzt und musste ständig Dornen und Zweige aus Rucksack und Kleidung entfernen. Ich wusste ja bereits, dass irgendwo hier vor zwei Jahren eine illegale Marihuana-Plantage angelegt worden war. Trotzdem war ich ziemlich erstaunt als ich plötzlich mitten in den frisch gepflanzten, frisch gegossenen Pflanzen stand. Dann hörte ich auch noch Stimmen – vielleicht fünf Meter neben mir, irgendwo in einem Unterstand. Ich beschloss, mich so unauffällig wie möglich aus dem Staub zu machen, denn es ist sicher besser solch zwielichtigen Gestalten nicht unterzukommen. Die Erleichterung war riesig, als ich aus dem Ganzen endlich raus war.
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| Irgendwo mitten in diesem Gestrüpp war die illegale Marihuana-Plantage |
Von nun an gab es wieder sehr viele schöne Badestellen. Den grossen Río Claro schaffte ich aber leider nicht zu durchqueren. Ich campierte in der Nähe und badete abends in einem Zufluss. Vielleicht ist der Wasserspiegel morgens tiefer, da noch weniger Schmelzwasser ankommt.
Dienstag, 9. Dezember 2025
Am Morgen versuchte ich erneut, den Río Claro zu queren – wieder ohne Erfolg. Die Strömung war extrem stark, das Wasser ging mir über die Hüfte, und mit schwerem Rucksack war das schlicht unmöglich.
Die Umgehungsroute bedeutete 18 zusätzliche Kilometer. Der erste Teil war extrem verwachsen. Nach etwa 15 Kilometern hatte ich Glück: Ein Einheimischer namens Javier nahm mich ein Stück im Jeep mit – auf einer unbefestigten Straße. Der erste Mensch seit Tagen, den ich traf. Er schenkte mir sogar noch etwas Süßes für unterwegs. Das hatte mir immerhin 3 Kilometer gespart.
An an einem kleinen Bach wollte ich Wasser auffüllen, als mir ein grauenhafter Duft in die Nase stieg. Gleich daneben lag eine tote Kuh. Auf das Wasser habe ich nun gerne verzichtet. Mein Zeltplatz am Abend war dafür wunderschön: eine Waldlichtung mit einer kleinen Wiese und großen Bäumen rundherum.
Mittwoch, 10. Dezember 2025
Es ging mir endlich wieder richtig gut. Es war ein wunderschöner Tag mit traumhaften Aussichten. Der spätere Abstieg hatte es allerdings in sich: dornig, Geröll, rutschig. Ich landete ein paar Mal unsanft auf dem Hintern. Einen Zeltplatz fand ich direkt an einem Fluss. Ich badete und wusch meine Wäsche, morgen würde ich nämlich wieder in ein Dorf kommen, da sollte ich schon nicht ganz so verdreckt daherkommen.
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| Chilenische Edelweiss;) |
Kurz bevor ich mich zur Nachtruhe legte, entdeckte ich eine riesige Tarantel direkt vor dem Zelt.
Donnerstag, 11. Dezember 2025
Heute hatte ich nur noch einen kurzen Weg vor mir. Gegen Mittag erreichte ich bereits das Dörfchen Agua Buena. Dort gab es nur zwei Unterkunftsmöglichkeiten: in einem nicht besonders tollen Restaurant oder in südteuren Cabañas (kleine Holzhütten). Die nette Besitzerin der Cabañas war jedoch so begeistert davon, dass ich zu Fuß angekommen bin, dass sie statt der ursprünglich angesetzten 100 Euro pro Nacht nur knapp 20 Euro verrechnete - ein absoluter Luxus. Die Hütte war sauber, gemütlich eingerichtet, es gab einen kleinen Pool eine Küche und einen Kräutergarten.
Die überaus herzliche Besitzerin Therese hat mich bereits mit einer innigen Umarmung empfangen und wollte mich dann auch gleich noch zum Essen einladen. Für mich ging es aber ins Dorfrestaurant. Dort traf ich nämlich Kathrin und Matthias, ein deutsches Paar, das ebenfalls auf dem Greater Patagonian Trail unterwegs ist. Die beiden waren mir die letzten Tage sozusagen immer auf der Spur. Sie hatten aber das Glück, dass ihnen die Flussquerung des Rio Claros gelang, da ihnen Arrieros mit Pferden zur Hilfe kamen. Wir tauschten uns ausgiebig aus – es war wirklich schön Gleichgesinnte zu treffen. Vielleicht werden wir die nächste Sektion sogar gemeinsam in Angriff nehmen.
Freitag, 12. Dezember 2025
Am Freitag startete ich gemütlich in den Tag und verabschiedete mich von Therese – sie umarmte mich mehrmals herzlich.
Für 1.000 chilenische Pesos (ca. 1 €) fuhr ich mit dem Bus nach San Fernando, um Lebensmittel und Campinggas zu kaufen. Leider ist fürs Wochenende schlechtes Wetter angesagt, weshalb meine Wanderung wohl erst am Montag weitergeht.
Ich fand ein ein schönes Hostel im Zentrum: das Hostal Renoir. 35.000 Pesos pro Nacht – nicht unbedingt super billig, aber inklusive Frühstück, eigenem Bad und einer Atmosphäre wie in einem Museum - überall stehen antike Sammelstücke herum. Außerdem haben sie einen hübschen Garten im Innenhof. Die Stadt selbst ist dafür eher unspektakulär und nicht sonderlich schön.
Die Besitzer Mario und Elisabeth waren wieder einmal ausserordentlich herzlich. Ich durfte ihre Küche benutzen und bekam frisch gepflückte Kirschen geschenkt – es fühlte sich sofort wie ein kleines Zuhause an.
Den Rest des Tages liess ich es mir einfach nur gut gehen mit leckerem Essen, Kuchen, Kaffee, usw.
Samstag, 13. Dezember 2025
Mario überraschte mich am Morgen mit einem ausgiebigen Frühstück. Nun wird noch eingekauft für die nächste Sektion. Morgen Sonntag sind Regen und Gewitter angesagt, das heisst es geht definitiv erst am Montag weiter - vermutlich gemeinsam mit Kathrin und Matthias.
GPT03 - Technische Details:
109,3 Kilometer
4.645 Höhenmeter
Eure Michi















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