Die zweite Sektion des Greater Patagonian Trails (GPT) hatte es ordentlich in sich: viele Höhenmeter, steile Schneefelder und kleine Kraxeleien. Meine Blasen an den Füßen wurden immer mehr und brannten. Der Rücken schmerzte zeitweise vom schweren Rucksack. Die Einsamkeit der Anden, die unbarmherzige Sonne tagsüber und die eisige Kälte nachts stellten den Körper und auch den Geist auf eine harte Probe. Tagelang sah ich keine Menschenseele.
Es waren Tage voller Schweiß, Staub und Dornenpfade, doch die Strapazen haben sich gelohnt: traumhafte, fast surreale Landschaften, unendlich viele Badestellen in wilden Gebirgsbächen und die schönsten Zeltplätze.
Samstag, 29. November 2025
Nachdem ich mich in dem Kiosk gestärkt hatte, führte mich ein Weg entlang eines Flusses in das Naturreservat Coyanco. Am Ufer des Flusses zelteten ein paar Einheimische. Ich beschloss den Fluss zu durchqueren - das war gar nicht so einfach - denn auf der anderen Flussseite war kein Mensch. Ich fand einen perfekten Zeltplatz neben einem Kaktus. Zum Sonnenuntergang gab es noch ein Bad im warmen Fluss.
Sonntag, 30. November 2025
Der Weg heute war hart: Rossbremsen ohne Ende, Hitze und Dornen. Die Blasen an den Füßen, die zunehmenden Rückenschmerzen und die klebrigen, juckenden Dornen an den Beinen sorgten für ein erstes kleines Tief. Am Pfad sah ich immer wieder Hufeisen-Spuren. Die einheimischen Viehhirten - "Arrieros" genannt - nutzen diese Wege nämlich um in die Berge zu reiten und nach den Rindern zu sehen, die dort den Sommer über sind.
| Mitten im Nirgendwo eine Gedenktafel an diesen Cowboy - R.I.P. |
| Spuren der Arrieros |
Von nun an sah ich keine anderen Wanderer mehr. Ich fand einen Zeltplatz inmitten vereinzelter Kühe, die jedoch wie von der Tarantel gestochen die Flucht ergriffen, als sie mich sahen. Es gab eine Feuerstelle und ein paar in Plastik eingewickelte Gegenstände am Baum - vermutlich ein Lagerplatz von den Arrieros.
Montag, 1. Dezember 2025
Bis Mittag ist die Hitze noch erträglich. Danach suchte ich mir einen Schattenplatz neben einem kleinen Bach.
Danach ging es weiter gnadenlos bergauf. Ich fand einen Zeltplatz auf 2.648 m Höhe. Die Nacht wurde eisig kalt.
Dienstag, 2. Dezember 2025
Der Aufstieg ging am nächsten Tag weiter bis auf 3.300 m. Ich bin immer wieder von der Route abgekommen und landete einmal in einer Situation, wo ich weder vor noch zurück kam. Das war mental sehr herausfordernd, da einem weit und breit niemand helfen kann und der schwere Rucksack solche Kraxeleien zu einem riskanten Unterfangen macht. Weiters kamen steile Schneefelder. Das erste und steilste konnte ich zum Glück umgehen. Die anderen waren mehr oder weniger okay. Ich bemerkte, dass mein Appetit von Tag zu Tag größer wurde - ich hatte das Gefühl ich könnte die ganze Zeit nur essen. Zum Glück hatte ich noch genug dabei.
Ich fand wieder einen tollen Zeltplatz an einem Bach, diesmal auf über 2.800 m. Wie ich später bemerkte, lag 50 m daneben eine tote Kuh.
Mittwoch, 3. Dezember 2025
Diese Nacht war noch kälter. Raus aus dem Zelt ging es erst um 7:30 Uhr, als die ersten Sonnenstrahlen wärmten. Ein Bulle verfolgte mich eine Stunde lang, ich wurde schon fast ein bisschen panisch, doch irgendwann war er zum Glück weg.
Von nun an ging es viele Höhenmeter bergab. Hinunter in die Hitze. Ich musste wieder einmal 5,5 Liter Wasser für die kommenden zwei Tage tragen, denn die Gegend war karg. Der Zeltplatz war diesmal nicht so der Hit: staubig, inmitten irgendwelcher Dornenbüsche. Seit Tagen hatte ich keinen Menschen gesehen, nur ein paar Wildhasen, Rinder, Echsen und diverse Insekten. Ich begann tatsächlich schon mit den Insekten zu sprechen.
Donnerstag, 4. Dezember 2025
Heute musste ich das Gebiet einer Kupfermine durchqueren: El Teniente - die größte unterirdische Kupfermine der Welt. Nach etwa 2 km kam ich an einen Posten. Dort traf ich auf einen freundlichen Herrn, Domingo, der mir erklärte, dass die Durchquerung des Minengebietes streng verboten sei. Es wäre viel zu gefährlich wegen des giftigen Staubes. Er rief mit seinem Funkgerät die Minenpolizei. Diese sollte mit ihrem Jeep kommen und mich zum Ausgang des Minengebietes eskortieren. Ich wartete etwa eine Stunde in dem Postenhäuschen, während Domingo mir massenweise kaltes Wasser schenkte. Er erzählte mir, dass bereits vor einem Jahr schon einmal vier Wanderer hier aufgetaucht wären. Aber eine Frau, die alleine die Berge überquerte hätte er noch nie erlebt. Er warnte mich zudem eindringlich vor den Pumas in den Bergen, die immer wieder Menschen angreifen würden. Die Minenpolizei erschien mit erstaunlicher Freundlichkeit: Küsschen auf die Wange und ein Plastiksack voll mit Snacks für mich zur Stärkung. Sie entschuldigten sich für die Unannehmlichkeit mich hier heraus eskortieren zu müssen, aber es wäre zu meiner Sicherheit. Ihre Gastfreundschaft rührte mich fast zu Tränen. Eigentlich hätte ich mich ja entschuldigen müssen. Als ich ihnen erzählte, dass ich weiter in das Dorf Coya wandern möchte, wollten sie mich unbedingt dahin bringen. Ich hatte natürlich nichts dagegen, denn das sparte mir fast zwei Tagesetappen. Sie riefen ihren Chef an, um sich die Erlaubnis zu holen. Der stimmte sofort zu, wollte mich aber vorher noch selber kennenlernen. Eine Frau, die allein und sieben Tage durch die Anden gezogen ist, hat auch er noch nie zuvor getroffen. Die netten Herren halfen mir sogar noch eine Unterkunft zu finden. Eine ältere Dame - Nina - hatte ein Zimmer für mich. Hier werde ich nun zwei Tage relaxen, Wäsche waschen und duschen. Und natürlich einkaufen für die nächste Etappe. Was für ein Luxus: Nachdem ich Tage in der Wildnis mit Blasen, Schnee, Hitze, Einsamkeit und Wasserknappheit verbracht hatte, endlich wieder was ordentliches zu essen, ein Bett und eine warme Dusche.
Also dann, ich melde mich wieder nach der 3. Sektion, die etwa 5 Tage dauert. Ich werde am Samstag starten, wobei der Wetterbericht nicht so rosig aussieht. Bei Regen könnten die Flussdurchquerungen zu riskant sein, was heißen könnte, dass ich große Umwege machen müsste.
Eure Michi

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