Santa Elena de Uarién, Venezuela
Am Montag Morgen hieß es dann Goodbye zu Victor zu sagen. Um 9 Uhr machte ich mich auf zum Busbahnhof, welcher sich in Puerto La Cruz befindet. Ein ziemliches Getümmel dort. Eine Herde lästiger Ticketverkäufer machte sich über mich her. Ich hatte aber schon eine Reservation für ein Busticket vom Unternehmen Sol y Mar. Mir war es sehr wichtig, dass der Bus ein WC an Board hat, denn die Fahrt sollte etwa 25 - 30 Stunden dauern. Als ich mir mein Ticket abholte, fragte ich sicherheitshalber noch einmal nach, ob wirklich ein WC an Board sei. Der ältere Herr sprach so schnell, dass ich kein Wort verstand. Aber seinem hektischen Gerede nach, gab es wohl doch keines. Ich war ziemlich eingeschnappt. Mit meiner schwachen Blase sind so lange Busfahrten nicht besonders lustig und ich weiß aus Erfahrung, dass Klopausen eher selten stattfinden. Ich versuchte ein anderes Busunternehmen zu finden, doch die sind leider schon alle gestartet. Na, das kann ja was werden. Aber immerhin informierte der ältere Herr den Busfahrer und seine Gehilfen darüber, dass ich ein Blasenproblem habe und sie jederzeit stoppen müssen, wenn ich mal "muss" *lach*. Kosten für das Ticket: 50 USD. Mein restliches Geld hatte ich äußerst gründlich an verschiedenen Stellen in meinen Rucksack versteckt, da ich mehrfach gewarnt wurde, dass die Polizei auf der Strecke viele Kontrollen durchführt und äußerst korrupt sei. Immer wieder möchten sie Geld, weil scheinbar irgendwas nicht in Ordnung sei (was aber natürlich nicht wahr ist).
Wie erwartet zog sich der Abfahrtszeitpunkt des Busses elends in die Länge. Mehrmals kamen Männer verschiedenster Altersgruppen an, um mir zu erklären wie wunderschön ich sei, ob ich denn verheiratet wäre, etc. Es waren zumeist Mitarbeiter des Busunternehmens, welches mir dadurch immer skurriler erschien. Wahrscheinlich hatte ich mich echt für das schäbigste Unternehmen weit und breit entschieden. Aber da ich schon gezahlt hatte, gab es vermutlich kein zurück mehr. Viermal wurde mein Reisepass vor der Abfahrt kontrolliert - zweimal von der Polizei und die anderen Male durch keine Ahnung wen. Um 11 Uhr starteten wir dann endlich. Der Bus selbst war in einem ziemlich desolaten Zustand. Die Sitze schienen aber auf den ersten Blick ganz gemütlich. Es war brütend heiß im Bus. Augenscheinlich war ich nicht die Einzige, die unter dieser stickigen Hitze litt. Wegen des fehlenden Klos traute ich mich auch nicht allzu viel trinken. Alle schwitzten vor sich hin. Die Fenster ließen sich nicht öffnen. Dazu kam noch, dass der Bus Geräusche machte, die sich eindeutig nicht gesund anhörten. Es fühlte sich sich an wie ein mittelprächtiger Albtraum. Vor allem im Anbetracht der Tatsache, dass ich hier mindestens die nächsten 25 Stunden verbringen sollte. Das gemeinsame Leiden schweißte die Passagiere zusammen. Alle unterhielten sich angeregt, teilten Essen untereinander und niemand verlor die Nerven oder begann zu schimpfen. Ich war wirklich überrascht von der positiven Haltung aller Mitreisenden. Die Menschen hier im Land haben in den letzten Jahren vermutlich so viel mitgemacht, dass sie so schnell nichts mehr aus der Fassung bringt.
Die längste Busfahrt meines Lebens möge beginnen |
Die Klimaanlage funktionierte augenscheinlich nicht *lach* |
Die Fahrt ging ziemlich schleppend voran. Einmal standen wir fast eineinhalb Stunden vor einer Tankstelle in der Warteschlange. Als dann die Sonne unterging wurde das Klima im Bus zum Glück um Einiges angenehmer. Endlich war dieses verrückte Schwitzen vorbei. Nachts stiegen mehrmals Passagiere hinzu. Am Ende war der Bus mehr als randvoll. Ein Pärchen saß sogar am Boden. Sie meinten, das sei immerhin besser als bis zum Morgen an der Bushaltestelle warten zu müssen auf den nächsten Bus. Nachts kam es etwa stündlich zu Polizeikontrollen. Mit ihren Maschinengewehren im Arm und einer Taschenlampe bewaffnet gingen sie durch die Reihen und leuchteten die Passagiere ab. Keine Ahnung was sie genau suchten. Ich stellte mich stets schlafend und versuchte meine blonden Haare zu verstecken. Letztendlich wurde ich kein einziges Mal ins Verhör genommen, worüber ich überglücklich war. Denn diese Polizeikontrollen bereiteten mir tatsächlich am meisten Sorgen. Ich glaube ich habe schon einmal erwähnt, dass die Polizei in Venezuela den Status von Kriminellen hat.
Mittagessen während der Busfahrt: Senfbrot ;) |
Die Gran Sabana
Schön langsam kamen wir der Gran Sabana - eine endlose Gras-Savanne - näher. Die Gran Sabana war vor ein paar Jahren über den Landweg noch so gut wie unerreichbar. Erst 1992 wurde die Straße fertig gestellt. Es gibt aber nur sehr wenige Fahrzeuge, die hier unterwegs sind. Man kommt irgendwann an ein paar Goldgräbersiedlungen vorbei. Die Gegend zählt nämlich zu den größten Goldabbaugebieten Venezuelas. Scheinbar geht es hier abends nachdem die angetrunkenen Glücksritter von der Arbeit aus den Minen zurückkommen zu wie in einem Wildwestfilm. Weiter geht die Straße steil bergauf. Rundherum ist üppiger Regenwald, in welchem sich massenweise Papageien und Tukane tummeln.
Am "Piedra De La Virgen" machten wir eine kurze Pause |
Nach dem Regenwald beginnt dann die Gras-Savanne. Die Gegend liegt auf etwa 1.200m Seehöhe, von daher ist das Klima ein kleines bisschen angenehmer. Einmal hatten wir mitten im Nirgendwo einen längeren Stopp, da ein anderer Bus den Geist aufgegeben hatte und wir Hilfe leisten mussten. Ich war tatsächlich erstaunt, dass unser Schrottkübel bis zum Ende durchhielt. Ebenso der Busfahrer, es saß nämlich die ganze Fahrt über derselbe Mann am Steuer.
Willkommen im Wilden Westen - Santa Elena die Uarién
Ich konnte es kaum glauben, als wir nach 27 Stunden am Busbahnhof von Santa Elena de Uarién ankamen. Letztendlich muss ich sagen, dass die Fahrt sich gar nicht so lange angefühlt hat. Trotzdem fühlte ich mich absolut zerstört. Ich habe keine Minute geschlafen und definitiv nicht annähernd so viel getrunken, wie ich geschwitzt habe. Mit ziemlichen Kopfschmerzen nahm ich meinen riesigen Rucksack auf die Schultern. Sofort scharte sich eine Herde Männer um mich, die alle wie verrückt auf mich einredeten: "Taxi! Taxi! Reales?! Dollar! Gold!". Ich wollte mich erstmal orientieren und auf meinem Handy nachschauen wie weit das Zentrum entfernt war. Leider hatte ich kein Netz. Also eigentlich gab es fast auf der ganzen Fahrt kein Handynetz. In Venezuela funktionieren Handys prinzipiell nur in Städten und größeren Orten. Eine Frau, die mir unbedingt brasilianische Reales verkaufen wollte, half mir zum Glück mit WLAN weiter. Sie klärte mich darüber auf, dass ich hier in Santa Elena unbedingt Reales bräuchte. Obwohl wir uns noch in Venezuela befinden, sind Reales das Zahlungsmittel der Wahl. Davon wollte ich mich erst selbst überzeugen, bevor ich mich von ihr übers Ohr hauen ließ. Ich beschloss letztendlich mit einem Mopedtaxi zu meiner Unterkunft zu fahren. Der Fahrer meinte er wisse genau wo sich diese befinde. Dem war natürlich nicht so. Völlig planlos fuhr er herum und fragte etliche Male Leute am Straßenrand wohin er müsse. Letztendlich verlangte er statt den abgemachten 10 Reales (= 1,70 Euro) dann 20 Reales. Aber gut, ich gönnte sie ihm, da wir immerhin ziemlich lange unterwegs waren. In meinem weiteren Aufenthalt in Santa Elena traf ich immer wieder auf den selben Fahrer, er heißt übrigens Eduardo, und nutzte sein Service auch regelmäßig. Er wirkt zwar schon recht betagt und ich bin mir nicht sicher, ob er wirklich noch gut sieht, aber immerhin ist er sehr nett.
Brasilianische Reales, US-Dollar, venezolanische Bolivares (darunter neue und alte) - die Verwirrung ist groß. Dazu kommen noch Gold und Diamanten als offizielles Zahlungsmittel in Santa Elena. |
Meine Unterkunft, die ich über Airbnb gebucht hatte, entpuppte sich als kleines Paradies. Sie liegt außerhalb der hektischen Stadt und ist umgeben von einem riesigen tropischen Garten. Dahinter gibt es gleich einen Wanderweg, der in den Dschungel führt. Ein Traum! Ich habe eine eigene Hütte mit Bad und Hängematte vor dem Eingang. Für 10 Euro die Nacht kann man da wirklich nicht klagen. Auch der Besitzer Sergio ist super nett. Obwohl ich ziemlich platt war, wollte ich mir heute noch eine SIM-Karte kaufen, die hier in Santa Elena funktioniert. Das klingt nach einem einfachen Unterfangen, war es aber nicht. Ich war eineinhalb Stunden in einem Shop und wartete auf das Ding. Es wurde bereits ein Foto von mir gemacht und ein Fingerabdruck genommen. Aber irgendwie ging es nicht wirklich voran. Ich beschloss erstmal einkaufen zu gehen. Als ich zurückkam, erklärte man mir, dass das System heute nicht funktioniere, ich solle doch morgen wieder kommen. Uff, okay.
Schnell merkte ich, dass ich hier tatsächlich brasilianische Reales brauchte, denn sonst zahlte man immer drauf. Der offizielle Umtauschkurs ist nicht sonderlich gut, am Schwarzmarkt sieht es schon viel besser aus. Und Geldwechsler vom Schwarzmarkt gibt es hier an jeder Ecke. Also hatte ich schon bald einen Stapel Reales in der Hand. Man könnte sonst aber auch noch mit Gold bezahlen oder natürlich US-Dollar und Bolivares. Ach ja, Diamanten wäre auch noch eine Möglichkeit, diese sind nämlich in dieser Gegend auch zu finden. Ein unglaubliches Verwirrnis! In Santa Elena wird der Schwarzmarkt und der Schmuggel ganz offen praktiziert. Die meisten Produkte kommen aus Brasilien und sind auch günstiger als das Preisniveau in Venezuela. Viele der Bewohner hier reden übrigens portugiesisch. Die brasilianische Landesgrenze ist nur 20 Fahrminuten entfernt.
Meine paradiesische Hütte :) |
Dschungelwanderung
Nachdem ich ganz viel Schlaf nachgeholt hatte, startete ich den Mittwoch endlich wieder einmal mit einer ordentlichen Yoga Einheit. Seit ich im Lande bin hatte ich nämlich nie wirklich Privatsphäre. Nach einer Tasse Kaffee, beschloss ich den Dschungelwanderweg zu erkunden. Ich kam an der Holzhütte eines netten einheimischen Mannes vorbei. Er gab mir einen Holzstock mit auf den Weg. Den würde ich brauche, meinte er, denn es wimmelt hier nur so vor Schlangen. Vorne an der Lagune gäbe es sogar Anakondas. Und mit ganz viel Glück könnte ich einen Tiger zu Gesicht bekommen. Mit einem leicht mulmigen Gefühl setzte ich meine Wanderung fort. Die Geräuschkulisse hier im Urwald ist einfach unglaublich. Ich sah wunderschöne Vögel, riesengroße Schmetterlinge und Echsen.
Dschungelwanderung |
Am Nachmittag musste ich ins Stadtzentrum, um ein paar Besorgungen für das Trekking zu machen, welches ich am Freitag starte. Ich sollte unter anderem 2 Liter Kerosin zum Kochen besorgen. Das war fast eine Mission Impossible. Nachdem ich gefühlt hundert Leute an der Straße gefragt hatte und mich jeder wo anders hin schickte, kanne ich nun wohl jede Nebenstraße. Nur das Kerosin fand ich nicht. Ich gab also erstmal auf. Heute werde ich das erste Mal seit ich in Venezuela bin auf einen anderen Backpacker treffen: Mickael aus Frankreich. Wir sind über Couchsurfing in Kontakt gekommen. Der junge Mann reist seit fünf Jahren mit seinem Hund um die Welt. Und das mit sehr kleinem Budget. Er ist per Autostopp unterwegs und schläft meistens im Zelt. Es war sehr spannend mit sich mit ihm zu unterhalten und es tat auch mal gut sich mit einem anderen "Ausländer" hier auszutauschen. Seine Geschichten klangen alle sehr abenteuerlich. Wir wanderten zum Sonnenuntergang auf einen kleinen Aussichtsberg und genossen eine wundervolle Abendstimmung hoch über Santa Elena.
Mit Mickael und seinem Hund Zen genoss ich hier den Sonnentuntergang |
Danach gingen wir noch gemeinsam Abendessen und etwas trinken. Die Preise hier sind übrigens ziemlich günstig im Vergleich zum Rest des Landes. Für umgerechnet 1,70 Euro erhält man ein Mittagsmenü. Zum selben Preis aß ich das beste und größte Hot Dog meines Lebens mit Pommes zu Abend. Ein kleines Bier in einer Bar kostet etwa einen Euro.
Heute, am Donnerstag, machte ich die letzten Einkäufe für das 6-tägige Roraima-Trekking, das ich morgen starten werde. Ich konnte sogar noch Kerosin finden. Nun muss ich nur noch schauen wie ich morgen früh nach San Fransisco komme. Ich sollte dort nämlich um 8 Uhr Robert treffen. Er ist ein Pemon (= indigener Stamm hier in der Gegend) und wird mein Guide für das Trekking sein. Von San Fransisco aus fahren wir mit dem Motorbike weitere 30 km in sein Dorf Paraitepui. Dort beginnt dann das Trekking. Ich bin schon unglaublich aufgeregt und voller Vorfreude. Der Roraima ist ein mächtiger Tafelberg. Bis 1884 war diese karge Landschaft unerforscht. Mittlerweile studieren Wissenschaftler die seltsamen Felsformationen, Wasserfälle, das Quarzvorkommen und die fleischfressenden Pflanzen. Der Roraima befindet sich übrigens am Dreiländereck mit Venezuela, Brasilien und Guyana.
Ich werde mich nun mindestens eine Woche abmelden, da es am Roraima kein Handynetz gibt. Ich melde mich dann wieder nach der hoffentlich erfolgreichen Besteigung dieses eindrucksvollen Berges.
Hasta Luego!
Eure Michi :)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Über Kommentare, Fragen, Wünsche & Anregungen freue ich mich immer sehr :)