Die Anreise
Ausnahmsweise ging die Reise von Choroní nach Colonia Tovar relativ reibungslos über die Bühne. Die Betonung liegt natürlich auf "relativ". Es hieß, dass um 9 Uhr ein Bus von Choroní nach Maracay - einer der zwei Orte wo ich umsteigen musste - starten würde. Als ich um 8:30 Uhr am kleinen Busbahnhof eintraf, war der Bus bereits gerappelt voll. Man beruhigte mich, dass bald ein weiterer Bus kommen würde. Laut Plan war dieser aber erst für den Nachmittag angesetzt, deshalb traute ich der Sache nicht ganz. Ich entschied mich letztendlich für ein Por Puesto (Sammeltaxi), das zwar das Doppelte kostet (7,50 USD), aber dafür starteten wir auch sogleich. Zwei Stunden später kam ich in Maracay an. Der nette junge Mann, welcher mit mir im Por Puesto war, ging noch sicher, dass ich dort im richtigen Bus landete. Auch dieser fuhr sogleich los (Kosten 70 Bolívares = 1,30 €) und eine Stunde später war ich in La Victoria, wo bereits der Bus nach Colonia Tovar bereit stand. Leider meinte der Fahrer, dass bereits alle Plätze besetzt seien. Kurz vor dem Start bot er mir jedoch an, dass ich auf der Mittelfläche zwischen den beiden Frontsitzen Platz nehmen könnte, wenn mir das nichts ausmache. Das Angebot nahm ich dankend an. Kosten 3 USD für die gut einstündige Fahrt. Mein Rucksack musste im Kofferraum untergebracht werden, wo der Ersatzreifen deponiert ist. Es stellte sich heraus, dass das keine gute Idee war. Als ich ihn nämlich zurück bekam, war der Rucksack voll mit Motoröl- und Dieselflecken. Weder den Gestank noch die Flecken konnte ich bis zum heutigen Tag herausbekommen, obwohl ich ihn unter der Dusche bereits mehrmals mit Seife abgeschruppt habe. Die Fahrt an sich war dafür wieder einmal sehr beeindruckend. Die Straße schlängelt sich durch die grünen Hügel immer höher die Berge hinauf, wobei man unglaubliche Aussichten genießen kann.
Colonia Tovar - Ein Stück Deutschland in der Ferne
Die Geschichte dieses außergewöhnlichen Ortes begann 1843, als eine Gruppe von 358 Deutschen aus dem Kaiserstuhl hierher auswanderte. Damals gab es noch keine Straßenverbindung zu anderen Orten, also lebten die Menschen sehr isoliert. Vermutlich haben sie auch deshalb die deutschen Traditionen so lange bewahrt. Sie sprachen einen alemannischen Dialekt und lebten unter sich. Mittlerweile haben sie sich aber mit den Venezolanern vermischt und nur noch wenige der älteren Generation sprechen ein wenig Deutsch.
Colonia Tovar |
Ein Kulturschock der besonderen Art
Ich gebe zu, dass es sich wie ein kleiner Kulturschock angefühlt hat, als ich in dem Ort ankam. Überall sieht man Restaurants und Cafés mir deutschem Namen. Es gibt sogar ein "Hotel Edelweiss". Die Kellner tragen Dirndl und Lederhosen und der Duft von Bratwurst und Sauerkraut liegt in der Luft. Die Einheimischen haben einen teilweise viel helleren Haut- und Haarton als im übrigen Land. Die Häuser sind im bayrischen Stil erbaut. Statt Alpenpanorama gibt es hier jedoch Palmen und tropischen Regenwald. Im Garten tummeln sich Kolibris. Eine ziemlich bizarre Szenerie. Als ich später in einem Gastgarten saß und das Lied "Die Gamserl schwarz und braun" gespielt wurde, war mein Kulturschock perfekt *lach*.
Meine Unterkunft war richtig urig eingerichtet - es fühlte sich fast so an wie bei Oma zu Hause. Karierte Vorhänge, gemütliche Daunenkissen- und Decken und schöne Holzschnitzereien. Und das Beste: es war wohl meine erste Unterkunft in Venezuela, die wirklich blitzeblank sauber war. Das spiegelte sich auch im Preis nieder: 30 USD kostet hier die Nacht, es war somit auch die teuerste Unterkunft auf meiner ganzen bisherigen Reise. Aber man gönnt sich ja sonst nichts! Ich war zuerst zwei Nächte in der "Canbana Maria" und dann noch zwei Nächte in der "Posada Paola". Bei Paola hatte ich sogar eine kleine Küche dabei.
Auch in Colonia Tovar waren viele einheimische Touristen anzutreffen. Der Ort liegt nur zwei Fahrtstunden von Caracas entfernt, also stellt er ein beliebtes Wochenend- und Ferienziel dar.
Ich verbrachte die Tage natürlich mir meiner Lieblingsbeschäftigung Wandern. Am Freitag bestieg ich den Pico Codazzi mit seinen 2.429m. Also eigentlich war es nur ein etwa zweistündiger Spaziergang von Colonia Tovar bis zum Gipfel. Dort hielt ich mich dann aber nur ganz kurz auf, da es nur so wimmelte von Riesenwespen. So etwas habe ich tatsächlich noch nie gesehen. Beim Aufstieg hat mich schon eine Familie vorgewarnt, die gerade am Rückweg war. Sie wurden nämlich bereits gestochen. Beim Abstieg bot sich mir dann ein ziemlich skurriles Szenario: Die Oma der Familie ist wohl irgendwie ins Gebüsch abgekugelt. Nun versuchten sie sie gerade wieder mit vereinten Kräften aus der Böschung heraufzuziehen. Die feinen weißen Kleider der Oma waren komplett verdreckt und die Sonnenbrille hing ihr ganz verbogen vom Gesicht. Das war ein wirklich unglaublicher Anblick. Als sie wieder am Weg war, musste die ganze Familie herzhaft lachen. Auch ich konnte mir ein Schmunzeln nicht verkneifen. Venezonlaner sind ja sowieso immer mit der kompletten Großfamilie unterwegs. Alleine trifft man sie äußerst selten an. Umso exotischer finden sie es, wenn sie mich alleine irgendwo herumwandern sehen.
Wandern rund um Colonia Tovar |
Was ich recht lustig fand war, dass ich in Colonia Tovar mehrmals nach irgendwelchen Wegbeschreibungen gefragt wurde. Es waren wohl einheimische Touristen, die sich gedacht haben ich sei eine waschechte Ortsansässige mir meinen blonden Haaren ;)
Goodbye Venezuela
Nachdem ich ein paar ganz entspannte Tage in dem deutschen Örtchen verbracht hatte, ging es dann am Montag zurück nach Caracas. Meine Zeit in Venezuela geht dem Ende zu. Zuerst nahm ich den Bus nach Junquito (2 USD, 1h Fahrt) und von dort aus einen weiteren ins Zentrum von Caracas (35 Bolivares, 1,5h Fahrt). Ich konnte für die eine Nacht wieder bei Rodolfo unterkommen. Vielleicht erinnert ihr euch: er war mein bereits bei meiner Ankunft in Venezuela mein Couchsurfing Gastgeber. Es war schön mich mit ihm über meine Erlebnisse der vergangenen zwei Monate auszutauschen. Er bekochte mich sogar noch mit leckeren Arepas.
Ich muss zugeben, dass ich gerne noch länger im Land geblieben wäre, aber nun muss ich mich auf den Weg zu den Galapagos Inseln machen, wo ein kleiner Job in einem Hotel auf mich wartet. Unwissentlich habe ich wohl ein sehr gutes Datum gewählt, Venezuela zu verlassen. Am 10. Januar steht dem Land nämlich eventuell ein großer politischer Umbruch bevor. Die politische Situation in Venezuela ist generell etwas komplex und sehr angespannt. Es ist mit gewaltvollen Ausschreitungen zu rechnen. Viele meiner venezolanischen Freunde haben mich bereits gewarnt, ich solle Caracas so schnell wie möglich verlassen, da die Chance groß ist, dass die Situation in den nächsten Tagen eskalieren könnte.
So bin ich nun bereits am Flughafen angekommen und warte auf meinen Abflug. Selten habe ich so ein chaotisches Check-in erlebt. Etwa drei Stunden lang stand ich in einer unendlich langen Menschenschlange. Aufgrund der bevorstehenden politischen Ereignisse versuchen gerade viele Einheimische das Land zu verlassen. Es gibt eine enorme Polizeipräsenz und es wurden mir tausende Fragen bei der Ausreise gestellt. Generell empfinde ich den ganzen Flughafen ziemlich unübersichtlich und chaotisch.
Trotz alldem muss ich sagen, dass Venezuela mich sehr positiv überrascht hat. Es war eine Reise voller herzlicher Begegnungen, atemberaubender Landschaften und unvergesslicher Abenteuer. Die Vielfalt des Landes ist wirklich überwältigend. Doch am meisten hat mich die Gastfreundschaft, der Optimismus und die Hilfsbereitschaft der Menschen beeindruckt. Ich wurde überall mit offenen Armen empfangen. Die größten Herausforderungen waren die ständigen Polizeikontrollen und die Busfahrten. Auch das mit den verschiedenen Währungen war anfangs sehr verwirrend. Ich hoffe eines Tages meine Reise hier fortsetzen zu können.
Adiós Venezuela!
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