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Mittwoch, 4. Oktober 2023

Krokodilmänner und Kopfjäger am Sepik

 

Krokodiljagd am Sepik Fluss


Seekrank

Das Schiff von Madang nach Wewak sollte um 16 Uhr starten. Am Hafen angekommen trafen wir zum Glück sogleich auf Chris, der uns versprochen hatte uns zu helfen einen Schlafplatz an Board zu ergattern. Es wartete bereits eine Menge an Menschen. Chris winkte uns durch. Wir durften zwei Stunden vor allen anderen Passagieren einsteigen. Und als wäre das nicht genug führte uns Chris in eine separate Koje, in der etwa zehn Stockbetten standen. Der Raum hatte sogar eine Klimaanlage. Wir sollten hier schlafen, während die anderen Passagiere sich draußen die wenigen Betten teilen mussten bzw auf den Plastiksitzen schliefen. Zudem wäre es wichtig die Koje abzuschließen, fügte er noch hinzu. Man wisse ja nie wer da so aller mitfährt. Wir waren ihm natürlich unglaublich dankbar für seine Hilfe, obwohl sich diese Sonderbehandlung etwas unangenehm anfühlte. Wir hatten ja immerhin auch nicht mehr als die anderen bezahlt. 

Mit nur einer Stunde Verspätung und einem ziemlich starken Seegang startete das Abenteuer. Ich bin kein Experte auf hoher See, aber es hat schon ganz ordentlich gewackelt. Außerdem glaube ich auch nicht, dass unser Schiff das Allerstabilste war. Die riesigen Wellen überfluteten das Deck mehrmals, wodurch die halben Passagiere schon pitschnass geworden sind. Es brach Panik aus. Einige begannen zu beten. Eine Frau stand mehrere Stunden am Geländer und sang dabei lautstark Loblieder. Der Mann neben Carolin musste sich übergeben. Was für ein Spektakel. Die Toilette war überflutet mit breiigen, übelriechenden Exkrementen - also entweder wurde aufgrund des Seegangs die Schüssel nicht mehr getroffen oder jemand konnte es einfach nicht mehr halten. Kann natürlich sein, dass einige Frauen aus dem Dorf einfach nicht wissen wie man so eine Sitztoilette benutzt. Auf alle Fälle war es sehr unappetitlich. Und in den nächsten 18 Stunden wurde die Sauerei natürlich nicht behoben. Das Ganze ließ meine beginnende Seekrankheit nicht unbedingt besser werden. Mir war tatsächlich kotzübel. Ich lag in dem Stockbett und fühlte mich so mies, als wäre ich todkrank. Dabei stand ich zudem Todesängste durch, da ich nicht wusste ob unsere klapprige, alte Personenfähre das wirklich durchstehen würde. Im Laufe der Nacht beruhigte sich das Ganze wieder. Mir war aber den ganzen nächsten Tag noch latent übel. 

Ob dieses kleine Rettungsboot wohl für alle Passagiere reicht?

Angekommen bei den Missionaren in Wewak

Carolin und ich kamen in Wewak bei einer deutschen Missionarsfamilie der Liebenzeller Mission unter: Tina und Manuel Feige mit ihren zwei Kids. Begrüßt wurden wir mit strömenden Regen. Langsam aber sicher beginnt wohl die Regenzeit. Im ganzen Bezirk gibt es seit Tagen keinen Strom. Laut Tina könnte das wohl noch länger gehen. Da sowohl Carolin als auch ich auf dem Schiff so gut wie nichts geschlafen haben, waren wir an diesem Tag nicht mehr zu sonderlich viel fähig. 

Mit dem PMV von Wewak nach Pagwi

Am nächsten Morgen brachte uns Tina zum Busbahnhof in Wewak. Einen Großteil des Gepäcks und unsere Wertsachen konnten wir bei ihnen zu Hause lassen. Die Strecke von Wewak nach Pagwi ist nämlich ziemlich bekannt für seine regelmäßigen Straßenblockaden und Raubüberfälle. Tina riet uns ein kleines Geldtäschchen parat  zu haben, falls wir angehalten werden. Den Rest sollten wir gut verstecken. Wir hatten diesmal wirklich ein bisschen Muffensausen. Was uns zudem etwas Sorgen bereitete war, dass Greg - ein Einheimischer, der uns die nächsten Tage mit seinem Holzkanu den Sepik Fluss zeigen sollte - schon seit gestern kein Lebenszeichen mehr von sich gegeben hatte. Aber gut, er wohnt in einem kleinen Strohhüttendörfchen und hat dort wahrscheinlich kein Telefonnetzwerk. Die letzte Nachricht von ihm war das Bild eines recht beachtlichen Krokodils, das er in der Nacht erlegt hatte. Somit wäre das heutige Abendessen schon mal gesichert. 

Der öffentliche PMV, in den wir um 7:45 Uhr einstiegen, startete dann letztendlich um 10:45 Uhr. Wir sind diese ständige Warterei nun zwar wirklich schon gewohnt, aber so richtig anfreunden werden wir uns damit wohl nie. Es ging zuerst etwa 3 Stunden in die ziemlich unfreundlich und verdreckt wirkende Stadt Maprik (25 Kina). Dort stiegen wir in einen weiteren PMV nach Pagwi um (1,5 Stunden,  15 Kina). Dieses Gefährt war etwas abenteuerlicher: Eingepfercht auf der riesigen Ladefläche eines Lieferwagens wurden wir transportiert. Die Straße war holprig, wir wurden also ordentlich durchgeschüttelt. Gott sei Dank kamen wir ohne Zwischenfälle in Pagwi - einer der drei Orte am Sepik Fluss mit Straßenanschluss - an. Wir waren ziemlich erleichtert als Greg dort bereits auf uns wartete - und das wahrscheinlich schon den halben Tag. 

Das Abenteuer am Sepik beginnt

Der Fluss ist riesig und erinnert mich ein wenig an den Amazonas. Unser blau gestrichenes Holzkanu mit Motor brachte mich beim ersten Anblick zum Schmunzeln: Greg hatte liebevoll drei Gartenstühle darauf platziert, damit wir es gemütlich haben. Der Gute ist sowieso schon seit Tagen super aufgeregt uns zu empfangen. Er hat nämlich noch nie mit Touristen gearbeitet. Sein großer Traum wäre es ein Business im Tourismus zu starten und wir sind sozusagen die ersten, die er herumführt. Er ist uns vom ersten Augenblick an sehr sympathisch und wirkt unheimlich bemüht. 

Unser motorisiertes Holzkanu für die nächsten Tage

Die nächsten vier Tage verbrachten wir bei Greg und seiner Familie in dem kleinen Dörfchen Kaminimbit, das etwa zwei Stunden flussabwärts von Pagwi liegt. Die letzte Nacht schliefen wir dann in Korogo, bei einer befreundeten Familie von Greg. 

Greg, ich, Rosa, Martha und Samuel

Das Haus der Familie

Von Greg's Zuhause aus unternehmen wir Tagesausflüge den Fluss entlang und in andere Dörfer. Am Sepik Fluss herrscht nicht viel Verkehr. Wir sehen nur wenige andere Holzkanus, fast alle ohne Motor. Der Treibstoff sei irrsinnig teuer geworden, deshalb kann es sich fast niemand mehr leisten. Für unsere 5-tägige Tour am Fluss geht tatsächlich der Großteil der Kosten für den Sprit drauf (insgesamt 2.000 Kina = ca 520 €). 

Uralte Bräuche und Geisterhäuser

Ich bin wirklich überwältigt von den reichen Kulturschätzen und den traditionellen Bräuchen in der Sepik Region, die die Menschen dort bis heute bewahrt haben. Jedes Dorf hat ein "Haus Tambaran", ein sozusagenes Geisterhaus. Wir besuchten drei davon. Das Haus Tambaran darf nur von Männern betreten werden. Für uns Touristinnen machen sie aber eine Ausnahme, da wir ja immerhin eine andere Kultur hätten. In diesem Haus werden verschiedene Geister, darunter auch der Wassergeist - das Krokodil - verehrt. Zudem ist es der Ort an dem wichtige Entscheidungen getroffen und Zeremonien durchgeführt werden. Eine dieser Zeremonien ist das äußerst schmerzhafte 3-wöchige Initiationsritual bei dem junge Männer zu erwachsenen, heiratsfähigen Kriegern werden. Dabei wird ihnen am ganzen Körper ein schuppenähnliches Muster in die Haut geritzt. Die Vernarbung sollte später aussehen wie eine Krokodilhaut. In einem Dorf fand gerade so ein Initiationsritual statt. Leider wollte das Dorfoberhaupt ziemlich viel Kleingeld dafür, um die Jungs mit ihren frischen Krokodilnarben im Haus Tambaran besuchen zu dürfen. Somit beschloss ich es mir nicht anzusehen. Carolin war aber dort und meinte, dass es recht interessant war. Die Haut der Heranwachsenden wurde bereits ein paar Tage zuvor eingeritzt. Die Narben waren nun mehr oder weniger gut am Verheilen. Außerdem waren sie alle nackt nur mit Schlamm bedeckt, welcher wohl die Wundheilung fördern sollte. Ich verlinke euch ein paar Bilder dieser Krokodilhautnarben HIER - damit ihr euch ein Bild machen könnt wie das Ganze aussieht. 

Bis vor gar nicht allzu langer Zeit spielten die Kopfjagd und der Kannibalismus noch eine große Rolle am Sepik. In den letzten Jahren ist dies aber scheinbar bis auf wenige Ausnahmen nicht mehr vorgekommen. Nach Erzählungen der älteren Generation wurde der Kopf des Feindes aufbewahrt. Der Schädelknochen wurde dann als Trophäe im Geisterhaus aufgehängt. Um zum Mann zu werden mussten junge Männer auf Kopfjagd gehen. Das Fleisch der Person wurde gegesssen.

Das Haus Tambaran in Korogo

Das zweistöckigen Haus Tambaran in Kaminimbit

Masken und Krokodilschädel sind darin zu finden




Die Kulinarik am Sepik: Krokodil, Sago und Ratte

Wie man sich vorstellen kann sind die Menschen in den Dörfern am Sepik großteils Selbstversorger. Sie leben vorwiegend von der Jagd (Krokodile, Baumkängurus, Schlangen), vom Fischfang und dem Obst- und Gemüseanbau (Papaya, Wassermelone, Kokosnuss, Grünzeug, Bohnen, Süßkartoffeln,...). Und nicht zu vergessen: Sago! Es stammt von der stacheligen Sagopalme. Daraus wird Stärkemehl hergestellt, welches dann meist zu einer Art Pfannkuchen verarbeitet wird. Geschmacklich meines Erachtens kein Highlight. Schmeckt hauptsächlich nach gar nichts, hat aber trotzdem irgendwie einen eigenartigen Beigeschmack. Die Konsistenz erinnert an Gummi. Sago wird hier jeden Tag gegessen. Und alle lieben es! Martha hatte eine Riesenfreude als ich mir hin und wieder so ein Ding hinuntergewürgt habe. Immerhin machen sie lange satt. 

Am ersten Abend durften wir gleich von dem Krokodil probieren, das Greg am Vorabend extra noch erlegt hat. Vom Geschmack her lag es wohl irgendwo zwischen Hühnchen und Fisch. Da es ein größeres Tier war, war das Fleisch recht fest - fast schon ein wenig zäh. 

Ein paar Tage später gab es dann selbst gejagtes Baby-Krokodil. Das schmeckte vorzüglich. Das Fleisch war super weich und mager. Man konnte sogar die Krokodilhaut mitessen. Vielleicht schmeckte es aber auch so gut, weil wir beim Erlegen live dabei waren. Als die Nacht hereinbrach sind wir mit dem Holzkanu auf den Sepik hinaus gefahren. Bewaffnet mit unseren Stirnlampen und Speeren. Man findet die Krokodile in der Dunkelheit am besten, da die Augen das Licht der Taschenlampe reflektieren und somit aus weiter Ferne funkeln. Es war eine richtig magische Vollmondnacht. Langsam paddelten wir durchs Schilf. Wir mussten so leise wie möglich sein. Man hörte nur das Quaken der Frösche und des Zirpen der Grillen. Immer wieder blitzen Augen in weiter Ferne auf. Es war unglaublich beeindruckend zu sehen wie gekonnt die Männer mit dem Speer umgingen. Bereits das dritte Krokodil war ein Volltreffer. Das arme quieckende Baby-Reptil tat mir fast ein bisschen leid. Es hätte aus der Ferne größer ausgesehen, meinte Greg. Ganz nebenbei erlegte er noch ein paar Fische mit dem Speer. Am Rückweg trafen wir mitten am Fluss auf ein Motorboot. Soweit ich erkennen konnte saßen etwa zehn Männer darauf. Greg packte sofort sein Speer und stand auf. Während er ein paar Worte mit den Männern wechselte, ließ er dieses nicht los. Völlig intuitiv nahmen Carolin und ich gleichzeitig unser Handy und versteckten es in unserer Unterwäsche. Das war nämlich das Wertvollste was wir dabei hatten. Die Situation wirkte ziemlich angespannt, jedoch erfuhren wir nie, was gesprochen wurde. Das wichtigste ist: Es ist nichts passiert und das Speer musste nicht zum Einsatz kommen. Trotzdem wissen wir, dass in dem Land ständig genug schlimme Dinge geschehen. Man sollte also ständig auf der Hut sein. Gerade hier am Sepik gibt es scheinbar Piraten, die ihr Unwesen treiben. Da die Einheimischen aber nicht viel darüber sprechen - vor allem nicht vor uns Touristen - würde Greg uns sowieso nicht erzählen, ob die Situation wirklich bedrohlich war. 

Krokodiljagd bei Vollmond




Nun muss es nur noch gebraten werden

& fertig ;)

Als Beilage zum Fleisch bekamen wir viel Obst und Gemüse aus dem Garten. Wenn jedoch die Trockenheit zu Ende geht, ist es vorbei damit. Dann wird nämlich ein Großteil des Festlandes überschwemmt. Deshalb sind die Häuser hier auch auf Stelzen gebaut. Teilweise müssen die Leute sogar mit dem Kanu zum Toilettenhüttchen rudern oder zu den Nachbarn schwimmen. Gegessen wird in dieser Zeit hauptsächlich Fleisch und Sago. 

Die Häuser am Sepik sind auf Stelzen gebaut, da es in der Regenzeit zu starken Überschwemmungen kommt

Der kulinarische Höhepunkt war die Ratte die uns am vorletzten Tag als Mittagessen aufgetischt wurde. Während ich gleich zuschlug zögerte Carolin noch. Als ich ihr aber versicherte, dass sie gar nicht so schlecht schmeckte, traute sie sich auch darüber. Man muss dazu sagen, dass es keine gewöhnliche Hausratte war - von denen wir mehr als genug in der Hütte hatten - sondern ein etwas größeres Exemplar, das im Wald lebt. 
 

Dorfleben am Sepik

Neben unseren Ausflügen liebte ich es mit den Kids Zeit zu verbringen. Vor allem Gregs Tochter, die achtjährige Rosa, ist mir sehr ans Herz gewachsen. Wir erkletterten gemeinsam Bäume, um beispielsweise Papaya zu ernten oder badeten im Sepik. Der Fluss stellt die einzige Wasserquelle dar, vor allem in der Trockenzeit. In der Regenzeit wird auch Regenwasser gesammelt. Für uns war es anfangs etwas befremdlich sich in der kakaofarbenen Brühe des Flusses zu waschen. Ob man danach sauberer wird ist fraglich. Aber es hat immerhin den Vorteil, dass man die Krokodile nicht sieht wenn man im Wasser herumplanscht ;) Greg versicherte uns aber, dass die Tiere einen weiten Bogen um bewohnte Dörfer machen und vorwiegend im Schilf zu finden sind. 

Ein absolutes Highlight war es, als Greg Bananenstämme für uns zurecht schnitt. Diese gehen im Wasser nicht unter, somit konnten wir uns damit flussabwärts treiben lassen. 

Während die Männer im Dorf auf die Jagd gehen oder im Haus Tambaran abhängen, sind die Frauen mit Hausarbeit, Kochen oder Fischen beschäftigt. Das Waschen der Wäsche sowie des Geschirrs findet direkt am Fluss statt. Auch die Kinder helfen schon fleißig mit. So geht die kleine Rosa bereits selbständig Garnelen und Fische fangen - und stellt sich dabei äußert geschickt an. 

Mit den Kids am Planschen im Sepik

Andrea, Rosa und ich

Rosa am Erklettern eines Papaya-Baumes

Mit diesen Bananen Stämmen ließen wir uns flussabwärts treiben

Rosa und ich :)


Am Montag Morgen hieß es dann schon wieder Abschied nehmen. Ich hätte es tatsächlich noch um einiges länger hier ausgehalten. Die simplen Lebensbedingungen, die freundlichen Dorfbewohner und nicht zu vergessen der fehlende Handyempfang machten diese Tage sowohl zu einem unvergesslich spannenden wie auch entspannenden Erlebnis. Als Andenken bekamen wir eine Kette mit einem Krokodilzahn geschenkt. 


Die allerbeste Gastfamilie :)
Greg, ich, Rosa, Martha, Samuel und Carolin

Goodbye Papua Neuguinea

Nachdem Carolin und ich die Rückreise von Pagwi nach Wewak mit dem PMV - diesmal tatsächlich mit einer Direktverbindung (50 Kina) - heil überstanden haben, blieben wir noch eine Nacht bei den Missionaren. Recht spontan und abrupt beschlossen wir, dass unsere PNG Reise nun etwas vorzeitig beendet wird. Es gäbe zwar noch so unendlich viel zu entdecken hier, aber leider ist das Reisen schwierig und vor allem kostenintensiv. Durch die fehlenden Straßen, sind immer wieder teure Inlandsflüge notwendig, was auf Dauer unsere Kosten sprengt. Nach langem Überlegen geht es deshalb morgen auf die Fidschi Inseln. 

Im Moment sind wir wieder in Port Moresby angekommen. Nach wie vor kann ich behaupten, dass es keine schöne Stadt ist. Da es mit dem Couchsurfen irgendwie nicht geklappt hat sind wir im Hideaway Hotel untergebracht. Das ist eine der günstigeren Übernachtungsvarianten, aber tatsächlich immer noch viel zu teuer. Morgen Mittag geht dann unser Flug. 

Als dann, wir hören/lesen uns von den Fidschis ;)


Eure Michi :)




=> Hier findest du noch mehr Fotos und Videos vom Sepik <=





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