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Sonntag, 22. Dezember 2024

La Azulita: Ein verborgenes Paradies in Venezuelas Nebelwald

 

Es hat tatsächlich geklappt und ich konnte letzten Mittwoch noch einen Transport nach La Azulita finden. Und zwar in einem "Carrito" - ein sogenanntes Sammeltaxi. Damit ist ein normales Auto gemeint. Wir waren demzufolge vier Passagiere und jeder zahlte 10 USD für die knapp 3-stündige Fahrt von Mérida nach La Azulita


Wasserfälle, bunte Vögel und ganz viel Herzlichkeit

... dafür ist das Dörfchen La Azulita bekannt. Es ist ein absoluter Geheimtipp und befindet sich eingebettet in üppige Nebelwälder in den Anden Venezuelas. Angebaut wird vor allem Kaffee und Kakao. Was den Ort so besonders macht sind seine Wasserfälle und die faszinierende Vogelwelt - von Kolibris über Papageien bis hin zu Tukanen ist hier alles vertreten. Doch nicht nur die Landschaft macht La Azulita so besonders - es sind vor allem auch die Menschen. Sie sind bekannt für ihre herzliche Gastfreundschaft. 

La Azulita, Mérida, Venezuela

In La Azulita wird viel Kakao angebaut

El Rancho

... so heißt meine Unterkunft für die nächsten Tage. Die Besitzer sind Franklin und Alejandra, ein super herzliches Pärchen etwa in meinem Alter. Sie und ihre zwei Kids empfingen mich mit offenen Armen und ich war sogleich Teil der Familie. Wir verbrachten jeden Abend zusammen im Garten bei einem leckeren Abendessen und vielen spannenden Gesprächen. Die Unterkunft kostet 10 USD/Nacht und ist traumhaft schön. Ich habe ein riesiges Zimmer, das in einer eigenen kleinen Hütte ist, mit Bad und Aussicht in die wunderschöne Natur. Für 3,50 USD kocht Alejandra etwas Leckeres. Die Küche ist draußen im Garten und ich durfte sie mitbenutzen so viel ich wollte. Man könnte hier stundenlang im Gartenstuhl sitzen oder es sich in der Hängematte gemütlich machen, während man die Kolibris, Papageien, Tukane und sonstigen bunten Vögel beobachtet. 

Meine Unterkunft



Tukan

Cascada San Rafael und die Piratenhöhle

Als ich am Donnerstag Morgen aufwachte, hat sich ein kleiner Kolibri in mein Zimmer verirrt. Was für ein schönes Erwachen! Nach dem Frühstück beschloss ich gleich aufzubrechen zu einer ausgiebigen Erkundungstour. Rund um La Azulita befinden sich noch mehrere kleine Dörfchen und Farmen, die man über steile Bergstraßen oder unasphaltierte Wege erreichen kann. Die Einheimischen sind alle super freundlich und stehen mit Rat und Tat zur Seite, wenn man nach dem Weg fragt. Zudem sind sie zumeist super erstaunt, eine ausländische Touristin hier anzutreffen und stellen viele neugierige Fragen. Hinter einem kleinen Häuschen geht ein Wanderweg hinunter zum Wasserfall San Rafael. Der Weg führt durch einen dichten Dschungel mit vielen exotischen Pflanzen und Lianen. Der Wasserfall selbst bietet einen spektakulären, fast magischen Anblick. Und ich war ganz alleine da. Natürlich schmiss ich mich sofort ins kühle Nass.

Cascada San Rafael


Danach wanderte ich ins Ortszentrum von La Azulita. Dort fand ich ein kleines Café und war sehr begeistert von den Preisen dort: für einen Cappuccino und ein großes Glas frisch gepressten Erdbeersaft zahlte ich lediglich 2 USD. Eine riesige, super süße Papaya kostet etwa 50 Cent. 


La Azulita. Vielerorts in Venezuela sind die Stromleitungen mit allerhand Gras bewachsen.

Vom Ortszentrum aus ist es nicht weit zu der Piratenhöhle. Es scheint hier früher mal mehr Tourismus gegeben zu haben (wenn auch nur einheimische Touristen), denn es gibt ein paar in die Jahre gekommene, teils kaputte Brücken und Bänke. Mittlerweile hat der Dschungel hier die Herrschaft übernommen. In die Höhle selbst traute ich mich nicht sonderlich weit hinein, denn es ist ein regelrechtes Labyrinth aus Gängen. Zu groß erschien mir die Gefahr da nicht mehr herauszufinden. Neben mir waren noch massenweise Fledermäuse vor Ort. 

In der Nähe der Piratenhöhle

Für die 5km und etlichen Höhenmeter zurück zu meiner Unterkunft, gönnte ich mir ein Mopedtaxi, welches je nach Fahrer 2 - 3 USD kostet. 


Agua Caliente und der Coca-Cola Wasserfall

Am Freitag war es kein Kolibri, der mich weckte, sondern ein anderer Vogel, der mit seinem Schnabel an die Fensterscheibe im Zimmer hämmerte. Später versuchte er es noch am Fenster im Bad. Alejandra klärte mich auf, dass dieser Vogel das jeden Morgen mache, aber nur in meiner Unterkunft. Sachen gibt's *lach*. 

Nach Kaffee und Bananen-Porridge wanderte ich ins Ortszentrum. Ich würde heute Gerardo treffen. Er ist wieder einmal ein Freund von einem Freund, von einem Bekannten etc. Er sei wohl ein großer Abenteurer und könnte mir Tipps geben für geheime Ecken in der Umgebung hier. Ich war weniger begeistert, als wir dann in seinem Tourismusbüro saßen und er mir Touren vorstellte, die er für einheimische Touristen anbietet. Wer mich kennt weiß, dass ich nur sehr ungerne geführte Touren mache. Nachdem er mich zugetextet hatte, versuchte ich ihm freundlich zu erklären, dass ich keine typische Touristin sei sondern Rucksackreisende und mein Budget sehr begrenzt ist. Zu meiner Überraschung, war er hellauf begeistert und begann mich auszufragen, wie ich das alles genau mache. Es wäre sein großer Traum selber einmal so reisen zu gehen. Zudem würde er mir gerne ein paar wunderschöne Orte zeigen, jedoch möchte er keineswegs Geld dafür, da ich die erste Ausländerin sei, die er hier trifft. Es sei ihm eine große Ehre mir die verborgenen Schätze La Azulitas zu zeigen und er hätte sonst gerade sowieso nichts vor. Das ließ ich mir natürlich nicht zweimal sagen. 

Zuerst wollte er mir die Piratenhöhle noch einmal zeigen. Er kennt nämlich die meisten Gänge in diesem Labyrinth. Sehr spannend fand ich auch was für ein Fachwissen er hat. Er erklärte mir allerhand Interessantes über die Höhle, die Fledermäuse und generell über die Flora und Fauna der Gegend. 

Nächster Stopp war der Fluss Agua Caliente (auf deutsch: heißes Wasser). Der Name ist aber ziemlich trügerisch, denn der Fluss ist bekannt dafür besonders kalt zu sein. Ein Sprung ins kühle Nass durfte trotzdem nicht fehlen. 

Danach setzte Gerardo mich kurz in La Azulita bei einer süßen, alten Lady ab, die mir ein absolut leckeres Mittagessen machte. Er müsse kurz nach Hause, danach starten wir eine Wanderung.

Mein üppiges Mittagessen für 4 USD: Fleisch, Bohnen, Reis, Kochbananen, Salat, Käse und Ei. Es gab davor noch eine leckere Suppe und ein Getränk dazu. 

Der nächste Stopp sollte ein Wasserfall sein, der Cascada Coca-Cola heißt. Wir fuhren dazu mit Gerardo's Motorbike zum Ausgangspunkt, welcher sich weit außerhalb des Ortes irgendwo im nirgendwo befindet. Wir besuchten noch Freunde von ihm, die dort eine kleine Farm haben. Für die Wanderung selbst ging Gerardo mit einem eineinhalb Meter langem Holzstock voran. Das sei wichtig wegen der Giftschlangen. Auf solch dicht bewachsenen Dschungelpfaden sei die Gefahr groß, dass man einer solchen begegnet, deshalb sollte man mit dem Stock vor sich her auf den Boden klopfen. Ich war mir nicht sicher, ob ich das unbedingt beruhigend fand. Beim Wasserfall angekommen, handelte es sich wieder um ein absolutes Paradies mitten in diesem Nebelwald. Das Wasser hat eine orange-braune Tönung, ähnlich wie Coca-Cola, daher der Name. Verursacht wird dies durch Mineralien in den Steinen, es ist also absolut sauber. Wir genossen natürlich ein ausgiebiges Bad. 

Cascada Coca-Cola


Bis zum späten Nachmittag war ich mit Gerardo unterwegs. Als ich ihm am Ende etwas Kleingeld in die Hand drückte, um wenigstens das Benzin abzudecken, wollte er dies anfangs gar nicht annehmen. Er erklärte mir immer wieder, wie schön der Tag für ihn gewesen sei und dass ihn meine Reiseerlebnisse sehr inspiriert haben.

Zurück in El Rancho wurde ich von Alejandra mit einer innigen Umarmung begrüßt. Am  Abend lud mich die Familie auf Hallacas ein, das typische Weihnachtsessen in Venezuela.

Hallacas, eingewickelt in Bananenblätter

Mein Plan wäre es gewesen am nächsten Tag zurück nach Mérida zu reisen. Alejandra und Franklin schafften es aber mich zu einer Nacht länger zu überreden. Das war auch gar nicht schwer, denn ich fühlte mich pudelwohl bei ihnen. Zudem wartete Franklin schon seit Tagen auf Benzin. Wenn dieses endlich ankommen würde, dann muss er mit seiner Familie auch nach Mérida ein paar Besorgungen machen, dann könnte ich gleich mitfahren. Die Sache mit dem fehlenden Benzin ist ein ganz verbreitetes Problem in Venezuela, resultierend aus schlechter Infrastruktur der Ölindustrie, Korruption, US-Sanktionen und Verteilungsproblemen. So gibt es im Ort schon seit Tagen keine Möglichkeit zum Tanken mehr. 


Cascada La Palmita

Nachdem ich am Samstag wieder von dem Vögelchen, das gegen die Scheibe klopft, geweckt wurde, beschloss ich zur Abwechslung wieder einmal wandern zu gehen und zwar - oh Wunder - zu einem Wasserfall. Zudem wollte ich im Ort nachfragen, ob es morgen, am Sonntag, einen Transport nach Mérida geben würde, denn die Hoffnung, dass das Benzin heute geliefert würde, teilte ich mit meinen Gastgebern nicht. Kaum losmarschiert, hielt ein älterer Herr mit seinem Moped neben mir und bot mir an mich mitzunehmen. Ich sprang dankend auf sein Klappergefährt auf. Es war ziemlich eng, denn er hatte am Gepäcksträger noch eine Kiste mit allerhand Zeug. Der Gute redete die ganze Fahrt nonstop und ich verstand leider aufgrund des lauten Motors so gut wie nichts. In La Azulita half er mir noch die Frau zu finden, die für die Busse im Ort zuständig ist. Morgen um 10 Uhr würde ein Bus, bzw Buseta (=kleiner Bus) nach Mérida fahren. Sehr gut!

Am Weg zum Cascada La Palmita traf ich auf Gerardo, der mich nun unbedingt dorthin bringen wollte. Ich bestand darauf nun etwas Bewegung zu brauchen, versprach ihm aber ihn später noch in seinem Office zu besuchen. 


Cascada La Palmita 

Neben dem Wasserfall gibt es noch ein Schwimmbad und einen kleinen Park. Dort ist ein Eintritt von 2 USD zu zahlen. Ausnahmsweise waren hier tatsächlich andere Leute. Wahrscheinlich weil Sonntag war. Ein paar Familien picknickten und planschten im Pool herum. Da mich ein plötzlicher Heißhunger überkam, entschied ich mich ein Perro Caliente zu bestellen. Dabei handelt es sich um ein üppiges Hot-Dog mit vielen Saußen, zudem Ei, Fleisch und Chips. Die Venezolaner lieben es. 

Perro Caliente in Venezuela

Als ich später bei Gerardo vorbeischaute, wollte er mir unbedingt seine Zwillinge vorstellen. Die zwei 12-jährigen Jungs hatten große Freude mich zu treffen und durchlöcherten mich mit Fragen. Auch sie träumten vom Reisen und erstaunten mich mit ihrem Wissen. Sie kannten sämtliche Länder in Afrika und wussten sogar, dass die Schweiz für den guten Käse und den Schokolade bekannt ist. Gerardo erzählte, dass sie sehr viele Bücher lesen. Zum Abschied bestand er darauf mir ein T-Shirt zu schenken.

Zurück in El Rancho war tatsächlich ein weiterer Reisender eingetroffen. Dennis aus Deutschland mit seinem Motorrad. Damit hatte ich nicht gerechnet. Es wurde ein lustiger Abend gemeinsam mit Alejandra und Franklin.

Zurück nach Mérida

Als ich heute nach dem Frühstück ins Dorfzentrum aufbrach für meinen Bus nach Mérida, ist tatsächlich gerade die Tanklieferung angekommen. Eine kilometerlange Auto- und Mopedschlange stand an. Sie ging bis weit außerhalb des Ortskerns. Franklin musste nun den restlichen Tag damit verbringen zu warten bis er endlich dran war. Nach Mérida könnte er also frühestens morgen starten. Ich fand es sehr rührend, als er mir erklärte, dass die Krise in Venezuela den Menschen Menschlichkeit beigebracht hatte. Sie haben so viel durchgemacht, dass es das kleinste Übel wäre, wenn man den ganzen Tag auf etwas warten müsse. Sie würden plaudern und Späße machen. Und dass man einander hilft, sei etwas ganz normales geworden. 

Um kurz vor 10 Uhr war ich dort, wo der Bus abfahren sollte. Leider keine anderen Fahrgäste. Ich rechnete schon mit dem Schlimmsten. Wenn wir erst losfahren würden, sobald das Gefährt voll ist, dann könnte es sich noch um Stunden handeln. Ich dachte an Franklins Worte und beschloss ganz entspannt zu bleiben. 

Um 10:20 Uhr fuhren wir bereits los und zwar mit genau zwei Fahrgästen: ich und eine ältere Lady. Das war wohl mein Glückstag! Ich war zudem richtig begeistert, dass wir diesmal eine andere Strecke fuhren, als die von der ich gekommen bin. Und zwar eine viel schönere, die super steile Bergstraßen entlang führt. Ein normales Auto würde das gar nicht packen. Schlaglöcher ohne Ende und teils abgerutschte Straßen. Kosten für die 3,5-stündige Fahrt: 7 USD. Die Aussichten waren fantastisch. Die ältere Lady erzählte ohne Punkt und Komma. Leider redete sie so leise, dass ich sie nicht wirklich verstand. Das machte ihr aber nichts aus. Sie tätschelte mir zwischendurch die Hand und zum Abschied knutschte sie mich richtig ab. Hier in der Gegend von Mérida sind die Menschen einfach alle so unglaublich herzlich. 


Unabsichtlich Kuttelsuppe bestellt

Ich war froh, als wir endlich am Busbahnhof in Mérida ankamen. Meine Blase hätte nicht mehr lange durchgehalten und ich war hungrig wie ein Wolf. Ich bestellte mir gleich am Busterminal die große Tagessuppe. So ganz verstand ich zwar nicht, was da drin sein sollte, aber essenstechnisch bin ich eigentlich ganz flexibel. Dachte ich zumindest. Bis ich dann bemerkte, dass es sich tatsächlich um eine Kuttelsuppe handelte. Neben Gemüse schwammen jede Menge Rindermagenteile in der Brühe herum. Ich bin ein bisschen traumatisiert von dem Zeug, denn in Afrika musste ich Rindermagen gemischt mit  Rinderdarm essen, der allerdings nicht gut ausgewaschen war und somit das ganze Gericht nach Schei**** schmeckte. Aber da musste ich nun wohl durch. Ich gebe zu, dass ich es mir schlimmer vorgestellt hatte. Die Gewürze, vor allem der Ingwer, überdeckten den Geschmack des Magens. Nur die Konsistenz fand ich nicht so prickelnd. Ich würgte mir das Zeug runter und schaffte es sogar ohne Brechreiz. Wenigstens war ich dann gesättigt. 

Nun bin ich zurück in meinem Haus in Mérida. Das Ziel für Morgen ist ein weiteres Bergdorf: Los Nevados, welches noch viel abgelegener und höher liegt als La Azulita. Dort würde ich gerne Weihnachten verbringen. Es könnte jedoch eine ziemliche Mission werden, einen Transport dorthin zu finden. Wünscht mir Glück!


Hasta Luego!

Eure Michi :)


















1 Kommentar:

  1. Sehr spannend und kurzweiliger Einblick.Danke fürs Teilhabenlassen. Ganz grossen Respekt für dein Tun und Treiben

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