Kundiawa Cultural Show
Carolin und ich waren höchst gespannt Cedric - unseren Couchsurfing Gastgeber - und seine Frau Kathy am Montag zu treffen. Cedric ist ein Franzose, der vor ein paar Jahren als Backpacker nach Papua Neuguinea kam, sich hier in eine einheimische Frau verliebte und sie vor zwei Jahren nun auch geheiratet hat. Wir wurden von den beiden und einigen ihrer Freunde in einem klapprigen Landcruiser abgeholt. Bevor wir zu ihnen ins Dorf fuhren, schauten wir uns noch die Kundiawa Cultural Show gemeinsam an. Bei diesem Fest versammeln sich die verschiedenen Stämme der Simbu Provinz. Aus jedem Dorf kommt eine Gruppe in ihren traditionellen Gewändern, welche vorwiegend aus Naturmaterialien bestehen: Vogelfedern, Tierfelle, Muscheln und Pflanzen. Barbusige Frauen und oberkörperfreie Männer laufen plötzlich durch die Straßen dieses ansonsten recht konservativen Landes. Die Veranstaltung findet nach vielen Jahren zum ersten Mal wieder statt. Scheinbar fehlten die letzten Jahre die finanziellen Mittel. Dementsprechend aufgeregt zeigten sich die Leute. Auf einer großen Wiese, die aufgrund des starken Regens ein einziges Feld aus Matsch und Schlamm war, wurden Tänze und Zeremonien aufgeführt. Schon nach ein paar Minuten beschlossen wir es ebenso wie die Einheimischen zu machen und barfuß durch den Matsch zu spazieren. Zum ersten Mal sahen wir heute auch ein paar wenige andere hellhäutige Menschen. Keine Ahnung ob es wirklich Touristen waren oder eher Missionare oder Exapts. Ich denke Bilder sagen mehr als Worte, um das Fest zu beschreiben:
Der Kopfschmuck besteht aus echten Federn von diversen Vögeln, darunter vor allem Papageien und Paradiesvögel |
Im Laufe des Tages wurde der braune Matsch immer roter. Sowohl die Gäste wie auch die Partizipanten waren nämlich fest am Betelnuss kauen und spucken. Am Nachmittag wurde die Menschenmenge immer größer, also beschlossen wir dass es Zeit war zu gehen. Wir hatten immerhin mehr als genügend Eindrücke gesammelt.
Koge Village
Wie sich herausstellte fuhren wir nicht in das Dorf von Cedric und Kathy sondern zu Bekannten von ihnen, die aber auch in einem kleinen Dschungel-Dörfchen leben. Dort wohnten wir zwischen all den Strohhütten wahrscheinlich in einem der größten und schönsten Häuser. Sie erzählten uns, dass der sozusagene Gastvater der Stellvertreter des Dorfoberhauptes ist, welcher später noch persönlich vorbeikam um uns zu begrüßen. Die Bewohner winkten uns alle freundlich zu. Zum Glück sorgten wir diesmal nicht für ganz so viel Aufsehen wie letzte Woche im Dorf von Present. Hier haben sich die Menschen immerhin schon an Cedric gewöhnt und bereits seine Familie kennengelernt.
Es scheint in Koge ganz normal zu sein mit einem Schwein "Gassi" zu gehen |
Die Sache mit der Zeit
Einer der größten kulturellen Unterschiede ist bestimmt der Umgang mit der Zeit. Während ich mir zu Hause wünschte jeder Tag hätte doppelt so viele Stunden, scheinen die Menschen hier ein endloses Pensum an Zeit zu haben. Es wird den ganzen Tag irgendwo gemütlich im Schatten gesessen, ein bisschen mit den vorbeikommenden Nachbarn geplaudert und zwischendurch vielleicht noch das eine oder andere Nachmittagsschläfchen gehalten. Es werden ständig tausend Pläne geschmiedet, was wir nicht alles machen könnten an dem jeweiligen Tag. Wenn wir Glück haben wird eine Sache davon umgesetzt. Für uns, die wir es gewohnt sind jede Minute effektiv zu nutzen, ist das natürlich eine riesige Herausforderung. Interessant ist auch, dass jeglicher Bezug zu Zeit nicht existent ist. Fragt man beispielsweise wie lange etwas dauert oder bittet um irgendwelche Zeitangaben stimmen diese niemals auch nur annähernd. Bei soviel Überfluss an Zeit wundert es uns vor allem, dass sie es ihnen solche Schwierigkeiten bereitet ihre Häuser, vor allem die Bäder, sauber zu halten. So kann es schon passieren, dass man mit bloßen Füssen in eine Urinpfütze im Bad tritt und die Bettdecke ebenso riecht (welche vermutlich über Jahrzehnte nie gewaschen wird). Kakerlaken findet man sowieso in jeder Ecke und bei verstopfter Nase wird einfach in die Hand gerotzt. Aber wie heißt es so schön: "Was dich nicht umbringt macht dich stärker." ;)
Die meiste Zeit verbringen wir eigentlich damit auf irgendetwas oder -jemanden zu warten. Es fehlt uns jegliches Verständnis dafür wie man es schaffen kann einen ganzen Nachmittag herumzusitzen und in die Luft zu schauen. Es ist mir natürlich klar, dass dieser Lebensstil auch beträchtliche Vorteile mit sich bringt: So sind hier sämtliche stressbedingten körperlichen wie auch psychischen Probleme, die wir in Europa zur Genüge haben, nicht bekannt. Zudem muss man wissen, dass die meisten gar keine Arbeit haben, da der Arbeitsmarkt in PNG nicht viel zu bieten hat. Dadurch fehlen die finanziellen Mittel für irgendwelche Aktivitäten. Cedric scheint sich diesem Lebensstil sehr gut angepasst zu haben. Carolin und ich philosophierten lange darüber wie er das nur schafft. Immerhin hat auch er keinen Job und zudem keine Erlaubnis zu arbeiten. Als er uns erzählte, dass er plant seine französische Staatsbürgerschaft aufzugeben, um die von Papua Neuguinea zu bekommen, stockte uns fast der Atem. Nur so bekäme er die Arbeitsgenehmigung. Er möchte sein altes Leben in Frankreich um keinen Preis zurück. Ich hoffe nur, dass er diese Entscheidungen nie bereuen wird. Sein derzeitiger Plan ist es ein Business mit den PMVs - also den Buschtaxis - aufzubauen. Immerhin muss irgendwie Kohle (oder besser gesagt Schweine) rein, um den Brautpreis für Kathy zu zahlen, der noch ausständig ist.
Cedric, Carolin, ich und Kathy |
Am Dienstag Vormittag stand eine kleine Dschungelwanderung an. Ich war froh zwischendurch wenigstens ein kleines bisschen Bewegung zu bekommen. Der Weg führte durch unwegsames Dickicht. Für die Dorfkinder, die uns begleiteten stellte das gar kein Problem dar. Ich staunte wie gekonnt und flink sie vor uns herliefen und -kletterten.
Glaube und Aberglaube
Das absolute Highlight des Nachmittags war die heilige Maria, die wackelnd quer durch das Dorf mitten im Dschungel getragen wurde. Dahinter etwa fünfzig streng gläubige Dorfbewohner in ihren Festtagskleidern. Die Maria wird wohl alle paar Tage von einem Dorf ins nächste getragen. Mit dabei war auch ein polnischer Priester, der seit zwei Jahren im Ort wohnt. Zu meinem Erstaunen gibt es in dem kleinen Dörfchen jede Menge unterschiedlicher Religionen (Katholiken, 7-Tages Adventisten, Evangelikale, usw). Obwohl der Glaube einen großen Stellenwert einnimmt ist der Aberglaube sehr präsent. Passiert jemanden etwas Schlimmes wird meist von einem Fluch ausgegangen und der Schuldige dafür gesucht. Daraus resultieren oft tragische grundlose Anschuldigungen. Wir hörten nur allzu viele Geschichten darüber. Genau an dem Abend bekam ich eine Nachricht von Present: Das zwei Monate alte Baby, das ich bei ihr im Dorf im Arm hielt (ich habe ein Foto davon im vorletzten Blogpost veröffentlicht) sei nun ganz plötzlich verstorben. Heute wäre das Begräbnis. Carolin und mir kam sofort derselbe Gedanke hoch: Hoffentlich geben sie nun nicht uns die Schuld dafür. Der ursprüngliche Plan das Dorf noch einmal zu besuchen wurde somit verworfen.
Die heilige Maria wird von Dorf zu Dorf quer durch den Dschungel geschaukelt |
Weiter geht es ins östliche Hochland
Gestern ging es dann mit einem PMV weiter von Kundiawa nach Goroka (20 Kina), welches im östlichen Hochland liegt. Cedric und Kathy halfen uns am Busbahnhof das richtige Buschtaxi zu finden. Als wir dann nach etwa einer Stunde immer noch nicht losfuhren und auch nicht wirklich Fahrgäste hinzukamen, beschlossen wir in ein anderes zu wechseln. Das erwies sich als sehr gute Entscheidung, denn es ging dann gleich los.
In Goroka lernten wir endlich Maryanne kennen. Die gute Seele hat uns seit unserer Ankunft hier im Land bereits sehr viel geholfen und uns jede Menge nützlicher Kontakte vermittelt. Wir wohnen bei ihr, ihrem Bruder Selam und dessen Frau Tama mit ihrem Baby Donnabell, das gerade mal sechs Monate alt ist. Tama sieht noch recht jung aus, sie konnte uns aber ihr genaues Alter nicht wirklich sagen. Gestern meinte sie sie sei achtzehn, heute war sie dann plötzlich sechzehn. Vielleicht weiß sie es einfach nicht so genau. Ihr klitzeskleines Blechhäuschen befindet sich am Stadtrand von Goroka in einer ganz ruhigen Umgebung.
Unter ständiger Überwachung
Neben der Zeit ist die ständige Überwachung eine Sache mit der wir uns noch nicht so ganz angefreundet haben. Wie sehr vermisse ich es mich frei bewegen zu können und jederzeit hingehen zu können, wo ich möchte. Aber so funktioniert das in PNG nicht. Eine Frau geht prinzipiell nie alleine außer Haus. Ein Bruder, Kusö oder sonstiger männlicher Begleiter ist immer mit dabei. Da wir gestern keine Lust hatten, den ganzen Nachmittag in der Blechhütte zu sitzen sagten wir Tama, dass wir jetzt mit einem PMV ins Zentrum fahren würden. Sie schaute uns entsetzt an. "Alleine?" Wir fragten nach, ob das denn gefährlich sei. "Nein überhaupt nicht", war die Antwort. Ok, wir machten uns also parat. Tama fragte noch einmal ob wir denn jetzt wirklich alleine in die Stadt wollen. Es könnten Männer kommen und uns mit dem Messer bedrohen, meinte sie. Diesmal ließen wir es uns aber nicht nehmen und fuhren los. Eine Ortsfahrt in Goroka kostet einen Kina pro Person mit dem PMV.
Am Busbahnhof waren Massen von Menschen. Hunderte zwielichtige Gestalten schienen uns anzustarren. Hoffentlich merken sie nicht, dass wir ohne Beschützer unterwegs sind. Wir waren völlig orientierungslos in welche Richtung wir sollten. Das Handy konnten wir jetzt unmöglich auspacken, um die Landkarte zu studieren. Wir versuchten zielstrebig in eine Richtung zu gehen und uns dabei nicht zu verlieren. Ständig wurden wir angeredet und angerempelt. Es war schon ein etwas mulmiges Gefühl. Eigentlich wollten wir ein kleines Café ausfindig machen um eine Kleinigkeit zu essen. Aber außer Massen an Menschen fanden wir gar nichts. Was waren wir froh als wir irgendwann zu einem großen Supermarkt kamen, der von Sicherheitsbeamten bewacht wurde. Da drinnen waren wir erstmals halbwegs sicher. Es gab eine kleine Bäckerei dort und wir genehmigten uns auf den Schock hin eine Zimtschnecke. Dann sagten wir Maryanne Bescheid wo wir uns befanden. Diese war außer sich vor Schreck, dass wir alleine in die Stadt sind und meinte wir sollten an Ort und Stelle bleiben. Ihr Bruder Selam würde sogleich vorbeikommen um uns abzuholen. Wie wir erfuhren bringt Selam seine Schwester jeden Tag in die Arbeit und holt sie auch wieder ab. Umso mehr weiß ich es nun wieder zu schätzen was für eine Luxusgut die Sicherheit und Freiheit ist, die wir zu Hause genießen dürfen.
Tama mit Donnabell und Selam |
PS: Bitte entschuldigt meinen leicht pessimistisch angehauchten Bericht. Ich denke wir befinden uns gerade in einer kleinen "Down-Phase" resultierend aus Schlafmangel, Magenproblemen und leichten Erkältungssymptomen. Morgen sieht die Welt schon wieder anders aus ;)
Eure Michi :)
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