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Freitag, 9. Juni 2017

Traumhafte Tage bei dem Taubenflüsterer


Gestern Morgen verließ ich Copacabana wieder, um zwei entspannte Tage bei dem 57-jährigen Ernst, einem vorarlbergerischen Aussteiger, zu verbringen. Er lebt in einem kleinen Lehmhaus in einem etwa 50-Mann Dorf.  Sein überaus außernatürliches Haustier ist eine Taube. Die Menschen im Dorf nennen ihn deshalb Gringo Palomo, was ich hier einfachshalber mit Taubenflüsterer übersetzen werde.

Meine aufregende Reise von Copacabana in das Dörfchen Chicharro 

Ich fuhr mit dem Bus zuerst eine Stunde nach Tiquina. Von da aus wurde es dann etwas schwieriger mit dem Weitertransport, da es keine öffentlichen Verkehrsmittel in das Dörfchen - das übrigens Chicharro heißt - gibt. Manchmal bilden sich Fahrgemeinschaften. Ich fragte also am Dorfplatz in Tiquina herum. Zwei Männer meinten, sie würden nach Chicharro fahren, wenn das Auto voll besetzt wäre. Bis jetzt war ich jedoch der einzige Fahrgast, es würde also wahrscheinlich noch Stunden dauern. Sie boten mir an, mich für 20 Bolivianos (= 2,60 Euro) sofort dorthin zu bringen. Ich lehnte ab, immerhin werden für das Gemeinschatsauto bloß 5 Bolivianos (= 0,65 Euro) verlangt und Zeit habe ich ja genug. Die beiden Männer musterten mich während des Wartens neugierig. Außerdem stellten sie mir Unmengen an Fragen. Was ich denn in diesem kleinen Dorf wolle, usw. Den Gringo Palomo kannten sie natürlich. Sie fragten mich auch allerhand über ihn aus. Was er denn arbeite, warum er dort ganz alleine wohne, etc. Ernst hatte mich schon vorgewarnt, dass einige der Dorfbewohner sogar spekulieren würden, dass er in seinem Haus Kokain herstelle. Der typische Dorfklatsch also. Was musste ich lachen, als sie mich dann allen Ernstes fragten, ob ich im Rucksack denn Geld für Ernst mitgebracht hätte. Nach fast einer Stunde des Wartens, waren immer noch keine neuen Fahrgäste hinzugekommen. Plötzlich meinte der jüngere der beiden Männer, er würde mich für 10 Bolivianos (=1,30 Euro) zum Ernst bringen. Gut, eingewilligt. Auf der Fahrt ging die Fragerei natürlich weiter. Ob ich denn verheiratet sei, ob wir Nummern tauschen könnten,... - das Übliche also. Nach etwa 20 Minuten kamen wir bei Ernst an. Er lobte mich, dass ich einen sehr guten Fahrpreis ausgehandelt hätte. Normalerweise würden nur Einheimische so günstig fahren.

das Dörfchen Chicharro mit dem Titicacasee dahinter

Angekommen bei Ernst im Paradies

Die Gegend um das Haus von Ernst herum, ist wunderschön idyllisch und liegt nur wenige Meter vom Titicacasee entfernt. Ich fühlte mich sogleich pudelwohl. Er zeigte mir sein kleines Lehmhäuschen, seine solarbetriebene Dusche vor dem Haus, seinen selbstgebalstelten Masten, an dem er sein Handy hochlassen kann, um Handyempfang zu haben und zuguterletzt seine allerliebste Taube. Er hat ihr ein schönes Holzhäuschen gebaut. Die Taube kann zwar jederzeit raus, ist aber laut der Aussage von Ernst eher eine Stubenhockerin. Für das Lehmhäuschen zahlt er übrigens umgerechnet bloß 25 Euro Miete pro Monat. Unlgaublich, oder? Klar, die Infrastruktur in diesem Örtchen ist nicht die Beste, oder besser gesagt fast gar nicht vorhanden, aber trotzdem ist es ein richtiges Schnäppchen. Ernst hat insgesamt sogar drei Häuser hier. Ich werde in einem anderen schlafen als er, da sein Lehmhäuschen recht klein ist und er wie er selbst sagt, gerne etwas Privatsphäre mit seiner Taube haben möchte. Wir spazierten also zum zweiten Haus, das bloß fünf Gehminuten entfernt liegt. Es dient ihm gleichzeitig als Kirche für seine Religion Hare Krishna.


Ernst mit seiner Taube


eines der Häuser von Ernst

Am  Nachmittag startete ich eine kleine Erkundungswanderung. Die Gegend hier sieht einfach aus wie aus dem Bilderbuch. Ich entdeckte einen kleinen Friedhof und ein paar paradiesische Fleckchen zum Relaxen.

ein kleiner Friedhof




Später aßen Ernst und ich gemeinsam zu Abend - ganz viel leckeres Gemüse aus dem Dorf - und unterhielten uns noch ein wenig. Er erzählte mir viel von seinen etwas außernatürlich klingenden Plänen, wie beispielsweise der Baus eines Flugschiffes, mit dem er eines Tages um die Welt fliegen möchte. Es ging dann früh für mich ins Bettchen. Die Nacht war bitterkalt, aber zum Glück gab es genügend Decken. Außerdem fand ich diese Hare Krishna Kirche irgendwie super kruselig. Letztendlich schlief ich dann aber ausgezeichnet.

beim Kochen

Krankenbesuch 

Als ich heute morgen aufwachte, stand Ernst bereits mit frischer Kuhmilch und selbstgemachtem Käse der Nachbarin vor der Türe - lecker! Danach fragte mich Ernst, ob ich mitkommen möchte zu einem Krankenbesuch. Im Nachbarort wohne ein alter Mann, der starke Schmerzen im Bein hätte. Natürlich kam ich mit. Mit Ernsts Motorrad waren wir schnell dort. Was strahlte der alte Herr, als Ernst ihm erzählte, dass ich Krankenschwester sei. Wir hatten schon vorsorglich Medikamente mitgebracht, da ich der Symptombeschreibung von Ernst schon entnehmen konnte, was wahrscheinlich los war. Als Dank für unseren Besuch wurden wir mit selbstgemachtem Käse, einem große Sack Kartoffeln und Bohnen aus Eigenanbau beschenkt. Wie schön doch so ein Landleben ist. Wir fuhren zurück zum Haus von Ernst und ich zauberte ein leckeres Mittagessen aus den uns geschenkten Sachen.

Ernst und ich




Für mich sollte es heute bereits weiter nach La Paz gehen. Ich wollte gerne noch einige Tage bei Ernst verbringen, doch da ich erfahren hatte, dass morgen ein großes Fest in La Paz sein wird, beschloss ich mir dieses anzusehen und Ernst eventuell auf dem Rückweg nach Peru nochmals zu besuchen.


2 Kommentare:

  1. Wow! Sehr, sehr cool! Ich finde Reisen 'der etwas anderen Art' total toll. Sehr schöne Eindrücke und klasse Bilder :) Bin auf deine nächten Berichte gespannt :)
    Liebe Grüße Nadine von tantedine.de

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