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Mittwoch, 2. März 2022

Backpacking im wilden Norden Kenias

 

Nur wenige Touristen besuchen den Norden Kenias, und noch weniger das Gebiet östlich des Turkana-Sees. Und wenn sie es machen, dann meist nur mit Guide und bewaffnetem Eskort, da die Region bekannt ist für Raubüberfälle und Banditen. Gemeinsam mit meiner indischen Reisebekanntschaft Kailash habe ich es gewagt diese Gegend auf eigene Faust zu erkunden. Die Abenteuer, die wir dort erlebten, werde ich bestimmt nie wieder vergessen!


Reise nach Marsabit mit Zwischenfällen

Am Donnerstag, dem 24.3., reiste ich nach Marsabit um mich dort mit Kailash zu treffen. Ich kannte ihn zu dem Zeitpunkt noch nicht persönlich. Er hatte mich über die Couchsurfing-Webseite kontaktiert und stellte sich als sehr abenteuerlichen Backpacker vor, der es - ebenso wie  ich - liebt, abgelegene Gegenden zu erkunden. Er hält seine Reisen übrigens auf seinem Youtube-Kanal "The Indo Trekker" fest. Das klang für mich natürlich sofort sehr spannend und ich ging das Risiko ein, mit einem quasi Unbekannten eine Abenteuer ins ebenso Unbekannte zu planen. 


Kailash und ich auf dem Weg von Marsabit nach North Horr


Eigentlich wollte ich in Nanyuki in den selben Bus zusteigen, in dem sich Kailash auf seinem Weg von Nairobi nach Marsabit befinden sollte. Sein Bus hatte dann aber Probleme bei einer Polizeikontrolle und demzufolge mehrere Stunden Verspätung. Ich beschloss also ein Matatu (=Minibus) nehmen. Dazu musste ich in Isiolo umsteigen und mit einem weiteren Matatu von dort aus nach Marsabit. Anfangs lief alles mehr oder weniger reibungslos. Als wir jedoch bereits auf dem Weg von Isiolo nach Marsabit waren,  kehrte der Fahrer plötzlich um und fuhr wieder zurück nach Isiolo. Ich hatte keine Ahnung warum und fand es auch nicht sonderlich lustig, da ich keinesfalls nachts in Marsabit ankommen wollte, immerhin hat die Gegend dort sowieso nicht den Ruf die Sicherste zu sein. Ein Fahrgast klärte mich auf: Es gab wohl eine Polizeikontrolle auf der Strecke und diese können wir nicht passieren, außer wir würden jede Menge Schmiergeld zahlen. Nun müssten wir warten bis diese fort ist. Es wurde dann sogar ein Motorbike-Fahrer losgeschickt, um zu schauen, ob die Polizei denn nun verschwunden war. Nach etwa einer Stunde Wartezeit konnten wir dann endlich los. 


Die Samburu

Die weitere Fahrt verlief recht spannend. Es ging durch viele kleine Ortschaften, in denen das Samuburu-Volk lebt. Ich war fasziniert von ihren traditionellen Kleidern: Die Männer tragen Tücher um die Hüften gebunden, der Oberkörper ist meist frei. Die Frauen tragen schwere Halsketten (bis zu 10kg!) und ihr Kopf ist mit Perlenketten und Stirnschmuck verziert. Der Perlenschmuck, den die Mädchen tragen, ist ein Geschenk von jungen Samburu-Kriegern, um diese für sich zu reservieren. Sie dürfen dann dafür immer wann sie wollen mit den Mädchen Sex haben. Die Samburu leben demzufolge polygam. Weibliche Genitalverstümmelung gehört nach wie vor obligatorisch zur Heiratszeremonie. Leider kann ich mit keinen Bildern von den Samburu dienen, da das Fotografieren immer ein sehr heikles Thema ist. 


Angekommen in Marsabit

Es war leider schon dunkel, als ich Marsabit erreichte. Ich kam im Nomads Trail Hotel (1.400 Ksh/Nacht inkl. Frühstück) unter.


Marsabit ist die Hauptstadt des Bezirks Marsabit. Aufgrund des heißen Klimas sind nur 10% der Fläche hier landwirtschaftlich nutzbar. 45% der Einwohner leben unterhalb der Armutsgrenze, 90% haben keinen direkten Zugang zu sauberem Wasser und mehr als 80% sind des Lesens und Schreibens nicht mächtig. Die Menschen hier leben hauptsächlich von der Viehzucht (v.a. Kamele und Ziegen). Auch die Ernährung ist deshalb sehr einseitig. Es wird vor allem Ugali (=Maismehlbrei), Chapati (=Fladenbrot), Bohnen und Ziegenfleisch gegessen. Früchte und Gemüse sind fast gar nicht zu finden. Durch die große Dürre in den letzten Wochen oder sogar Monaten ist sehr viel vom Vieh gestorben. Immer wieder sah ich tote Tiere am Wegesrand liegen.


Für das Abendessen fand ich ein kleines somalisches Restaurant und wurde dort vom Inhaber sehr freundlich empfangen. Er hatte Chapati und Bohnen als einziges Gericht auf der Speisekarte ;) Dazu gabe es Chai (=Milchtee). Das Ganze für 90 Ksh (=0,71€).


Genau so sah das Essen für die nächsten Tage aus ;)

Fahrt durch ein gefährliches Niemandsland: die Chalbi-Wüste

Da Kailash erst spät in der Nacht ankam, habe ich ihn dann erst am nächsten Morgen getroffen. Überall auf den Straßen in Marsabit sieht man schwer bewaffnetes Militär. 


Frühstück in Marsabit 


Unsere heutige Mission war es ein Transportmittel nach North Horr zu finden. Öffentliche Verkehrsmittel gibt es hier nicht. Man muss also im Ort herumfragen, ob irgendjemand jemanden kennt, der vielleicht dorthin fährt. Schon bald wurden wir fündig. Ein Landcruiser sollte noch am selben Tag gegen Mittag in Richtung North Horr aufbrechen. Wir konnten nur staunen wie voll bepackt mit Menschen und Waren das Gefährt am Ende war. Es wurden Säcke, welche mit Namen und Ortschaften beschriftet waren, an die Seiten des Landcruisers gebunden - sozusagen als Kurierdienst. 


Unglaublich was die Leute hier alles in/auf ein Gefährt packen 

Suchbild: Wo bin ich? ;)


Mit uns im Auto war ein bewaffneter Eskort. Die Einheimischen klärten uns auf, dass man hier ohne einen solchen nirgendwo hinfahren könne, da es sehr viele Banditen in der Wüste gäbe, die regelmäßig Waren- und Personentransporte ausrauben würden. Die Fahrt nach North Horr dauerte etwa fünf Stunden. Es ging durch die endlos scheinende Chalbi-Wüste. Sie stellt die heißeste und trockenste Region Kenias dar. Die unglaubliche Hitze war trotz des Fahrtwindes sehr herausfordernd. Zudem wehte uns jede Menge Sandstaub ins Gesicht. In den einzelnen kleinen Strohhütten-Dörfern, die wir durchquerten, hielten wir jeweils kurz an um Waren zu ent- und beladen. 


Angekommen in North Horr

Gegen 18 Uhr kamen wir in North Horr an. Die einheimische Bevölkerung gehört zur Volksgruppe der Gabbra. Sie leben auch heute noch großteils als Nomaden bzw. Halbnomaden. Nach einer etwas längeren Suche konnten wir eine ganz passable Unterkunft finden. Zwei Strohhütten für 500 Ksh pro Person (= 3,95€).


Meine Unterkunft in North Horr


Die Einheimischen in North Horr zeigten sich alle super hilfsbereit und freundlich. Als die Dunkelheit hereinbrach, war ich fasziniert vom Sternenhimmel. Die Milchstraße wirkt von hier aus so unglaublich nah und kristallklar. 


Drei Stunden mit dem Motorbike quer durch die Wüste

Am Samstag Morgen machten Kailash und ich uns erstmal auf, um Frühstück zu finden. Schon bald fanden wir ein kleines Restaurant. Auf der Speisekarte gab es hier ebenso nur Chapati mit Bohnen. Davon werden wir uns auch in den nächsten Tagen hauptsächlich ernähren. 


Unser Plan war es heute weiter nach Loiyangalani zu reisen. Wir fragten überall in North Horr herum, doch es schien hoffnungslos. Hier hat niemand ein Auto und selbst Trucks kommen nur selten in diesen Ort. Ein hilfsbereiter junger Mann meinte, sein Freund Ali könnte uns vielleicht mit dem Motorbike nach Loiyangalani fahren. Wir trafen uns also mit Ali. Er konnte nicht wirklich Englisch, aber sein Freund übersetzte für uns. Ali wollte 5.000 Ksh für die dreistündige Fahrt quer durch die Wüste. Wir waren uns sehr unschlüssig. Würden wir tatsächlich zu dritt auf dem Motorbike Platz haben? Außerdem haben wir zwei riesige Rucksäcke dabei. Zudem hat Kailash noch einen kleineren Rucksack und ich noch eine Tasche. Es gibt keine befestigten Straßen. Am Weg ist nur ein kleines Dorf. Was wenn wir eine Panne haben mitten im Niemandsland? Nach langem Hin und Her konnten wir uns mit Ali auf 4.000 Ksh einigen. Er versicherte, dass er uns samt Gepäck alle auf sein Motorbike bringen wird. Und der Gute hatte recht. Ich war erstaunt wie geschickt diese Männer all unser Gepäck sicher auf seinem Bike befestigten. Es kam zudem noch ein Sack mit Werkzeug mit - für den Fall, dass wir eine Panne haben. 


Ali und ich am Mortorbike. Hinter mir musste dann noch Kailash Platz haben


Es ging also los. Tatsächlich war es gar nicht so unbequem wie erwartet. Ali erwies sich als der weltbeste Motorbike-Fahrer! Unglaublich wie gekonnt er uns mit seinem Gefährt durch die Wüste brachte. Die Gegend war monoton und trocken. Als wir an einer Wasserstelle vorbei kamen, waren dort gerade zig Kamele am Trinken. 


Auf halber Strecke liegt das Dorf Gas. Hier machten wir einen kurzen Stopp. Ali musste erstmal ordentlich Miraa (auch Khat genannt) futtern. Es handelt sich dabei um die Blätter des Khatstrauches. Sie enthalten einen Wirkstoff, der mit dem Amphetamin verwandt ist, aber wesentlich schwächer wirkt. Müdigkeit verschwindet dadurch. Zudem wird der Körper zu mehr Leistungsfähigkeit stimuliert, Hunger wird unterdrückt und Euphorie tritt ein. In vielen Ländern ist der Konsum dieser Blätter verboten, hier in Kenia ist es aber legal. 


Angekommen in dem Dorf Gas

Die Gabbra zeigten uns sogar eine ihrer Hütten von innen. 


Angekommen in Loiyangalani

Was waren wir froh, als wir dann etwa drei Stunden später sicher in Loiyangalani ankamen. Wir bedankten uns herzlich bei unserem tollen Fahrer. Die Ortschaft hat etwa 5.000 Einwohner und liegt am südöstlichen Ufer des Turkanasees. Hier leben hauptsächlich die Turkana, welche auf den ersten Blick ähnlich gekleidet sind wie die Samburu. Die Einheimischen zeigten sich etwas zurückhaltender als in North Horr, dafür wurden wir aber gleich bei unserer Ankunft von mehreren Leuten um Geld gefragt. 

Auch hier konnten wir wieder eine günstige Unterkunft finden. Es waren abermals zwei Strohhütten für 500 Ksh pro Person. Strom gibt es am ganzen Grundstück keinen. Da bin ich immer wieder sehr froh um meine Solar-Powerbank. 

Wir spazierten vor Einbruch der Dunkelheit noch zum See und planschten ein wenig im Wasser herum. Ein paar einheimische Frauen warnten uns, dass wir sobald es zu dämmern beginnt, das Wasser sofort verlassen sollten. Nachts kommen nämlich Krokodile ans Ufer. 

Abendstimmung am Turkanasee

Zum Abendessen gab es auch heute wieder Chapati und Bohnen. 

Unerträglich heiße Nächte

Die Nacht war lang und nicht von sonderlich viel Erholung geprägt. Die Hitze ist fast unerträglich. Tagsüber lassen sich die Temperaturen irgendwie aushalten. Aber nachts ist es wirklich schlimm, man ist die ganze Zeit wie verrückt am Schwitzen. Die Strohhütten sind zwar recht luftig gebaut, trotzdem spürt man nicht die geringste Brise. Die Luft steht wahrlich. Aufgrund des Schwitzens hat man auch ständig Durst. In den letzten 24 Stunden habe ich bestimmt acht Liter Wasser getrunken und fühle mich immer noch extrem ausgetrocknet. Kailash ging es nicht besser.

Elmolo - die kleinste Volksgruppe in Kenia

Wir beschlossen am Sonntag zum Stamm der Elmolo zu wandern. Etwa 13 Kilometer von Loiyangalani entfernt liegt ein solches Dorf. Die Elmolo wurden bereits als aussterbendes Volk angesehen. 1934 wurden nur mehr 84 von ihnen gezählt. Mittlerweile findet aber häufig eine Vermischung mit den Samburu statt, weshalb ihre Zahl auf etwa 700 gestiegen ist. Der Name Elmolo kommt ebenfalls von den Samburu, und bedeutet "die Menschen, die Fisch essen". Wie der Name schon sagt, leben die Elmolo hauptsächlich vom Fischfang. 

Bereits um 8 Uhr morgens war es wahnsinnig heiß. Als wir bereits mehr als die halbe Strecke gelaufen sind, hielt plötzlich ein Motorbike neben uns. Zwei junge Männer boten uns an, uns mitzunehmen. Zu viert auf dem Drahtesel mit noch ein paar Kartons, die die Jungs zu verliefern hatten, ging es also weiter. Wie wir erfuhren, gibt es wohl drei Elmolo Dörfer. Sie brachten uns zum ersten. Dort angekommen, wurden wir von den zwei Dorfältesten empfangen. Sie erlaubten uns ihr Dorf zu erkundschaften wenn wir jeweils 1.000 Ksh zahlen würden. Das empfanden wir als zu viel. Letztendlich gingen sie auf 500 Ksh herunter, was wir dann aber trotzdem ablehnten. Vermutlich werden wir auch im nächsten Dorf um Geld gefragt, und dieses schien uns etwas interessanter zu sein, da es sich auf einer Insel befindet. 

Wir legten also nochmals einen Fußmarsch von etwa 5 km zurück. Dieses Elmolo Dorf hat den Namen Komote. Vor zwei Jahren war es noch über den Landweg erreichbar. Da der Wasserspiegel des Turkanasees enorm gestiegen ist, kann man nun nur noch mit dem Boot dorthin. Wir konnten uns mit den Einheimischen darauf einigen, dass wir pro Person 100 Ksh für die Bootsfahrt zahlen werden und dann 500 Ksh für eine Führung durch ihr Dorf. Wir waren einverstanden. Die meisten Dorfbewohner befanden sich gerade in der Kirche, es war immerhin Sonntag. Geschätzt leben etwa 70 Personen in dem Dorf. Die Häuser bestehen großteils aus Stroh, manche auch aus Lehm. Wenige Hütten haben sogar ein kleines Solarpanel am Dach. Die Dorfbewohner begrüßten uns recht freundlich. Nach der Führung nahmen wir erstmals ein mehr oder weniger erfrischendes Bad im Turkanasee - immerhin hat der See auch um die 30 Grad. Nach dem Baden aßen wir im Dorf noch zu Mittag. Sie servierten uns frischen Fisch mit Ugali. 

Am Weg zum Elmolo Dorf

Blick auf das kleine Elmolo Dorf


Zur Abwechslung gab es heute Fisch und Ugali

Zurück nach Loiyangalani gönnten wir uns ein Motorbike (500 Ksh). Zum Abendessen ging es in ein kleines, muslimisches Restaurant. Ratet mal, was es gab? Richtig! Chapati und Bohnen ;) Der bereits etwas betagte Besitzer versuchte uns mit dem Wechselgeld übers Ohr zu hauen, weshalb wir noch eine kurze Diskussion mit ihm hatten. Da werden wir auf alle Fälle nicht wieder essen (dachten wir zumindest zu diesem Zeitpunkt *lach*). 

Wir fragten noch im Ort herum, ob es für morgen irgendeinen Transport nach South Horr gäbe. Wir hatten leider kein Glück. Deshalb beschlossen wir wohl oder übel nach Marsabit zurück zu fahren. Gerne würden wir all diese kleinen, abgelegenen Dörfer hier noch länger erkundschaften, aber wir merkten, dass diese Hitze zu viel für unsere Körper war. Auch die nächste Nacht konnten wir beide so gut wie gar nicht schlafen und waren eigentlich nur am Schwitzen und trinken. Man muss dazu  sagen, dass Wasser hier sehr, sehr teuer ist. Wir brauchten mehr Geld für Wasser als für Unterkünfte. 

Sechs Stunden lang ausgesetzt in der Wüste

Als ich am Montagmorgen vor meine Strohhütte trat, stand direkt vor dem Eingang ein Landcruiser. Der Mann darin grinste mich an und fragte, ob wir heute nach Marsabit wollen. Ich war etwas perplex, wie der Typ das wissen konnte, und bejahte sein Frage. Er meinte, er würde dort heute zufällig hinfahren. Wir sollten schnell packen und dann ginge es schon los. Wow, da hatten wir ja ein unglaubliches Glück. Als wir aber dann erfuhren, dass der Gute 2.000 Ksh pro Person wollte, beschlossen wir uns lieber ein anderes Transportmittel zu suchen. Normalerweise sollte der Preis bei 1.200 Ksh liegen. Der Mann wollte anfangs nicht mit sich handeln lassen, gab dann aber plötzlich doch nach. Es wurde ein kurzer Stopp bei der Polizeitstation gemacht, um einen bewaffneten Eskort mitzunehmen. Wir dachten eigentlich, dass es dann losgehen sollte. Der Fahrer meinte aber, dass wir zuerst noch etwas Frühstücken gehen. Wie es der Zufall so will, fuhren wir genau zu dem Restaurant, wo wir gestern die Auseinandersetzung mit dem alten Opa hatten. Da wir aber hungrig waren, blieb uns nichts anderes übrig, als wieder dort zu essen: Chapati mit Bohnen ;) Der alte Mann begrüßte uns ziemlich unfreundlich. Als wir erfuhren, dass er mit uns nach Marsabit fahren sollte, hielt sich unsere Begeisterung sehr in Grenzen. 

Eine halbe Stunde später ging es dann wirklich los. Es kamen noch ein paar weitere Fahrgäste hinzu. Nach einer guten Stunde Fahrt, hielten wir an einem kleinen Militär-Checkpoint mitten im Nirgendwo. Wir sollten kurz aussteigen, der Fahrer würde in ein paar Minuten wiederkommen. Wir scherzten anfangs noch, dass ein paar Minuten laut afrikanischer Zeit bestimmt ein oder zwei Stunden wären. Doch es kam noch viel schlimmer. Es verging Stunde um Stunde. Wir hatten kein Wasser mehr und die Hitze war unerträglich. Was war hier eigentlich los? Wieso war genau der Opa mit uns, mit dem wir gestern gestritten haben? Könnte es sich bei der ganzen Sache hier um einen ausgeklügelten Plan handeln? Was waren wir auch für Idioten, den Fahrer mit all unserem Gepäck abhauen zu lassen. Nicht einmal Geld hatten wir dabei. Wir fragten die zwei bewaffneten Männer am Militär-Checkpoint, ob sie unseren Fahrer kennen. Sie sprachen nur schlecht bis überhaupt kein Englisch und konnten uns nicht weiterhelfen. Einer der anderen Fahrgäste hatte die Telefonnummer des Fahrers. Wir riefen ihn also an. Er meinte, er würde gleich wiederkommen. Es vergingen drei Stunden... vier Stunden... fünf Stunden. Irgendwann kam ein Jeep an. Der Opa und noch weitere Fahrgäste stiegen dort ein und waren fort. Jetzt wurde uns richtig mulmig zumute. Was wurde hier gespielt? Nun waren wir alleine mit den nicht Englisch sprechenden Militär-Typen. Und noch zwei andere Leute waren da, die mit uns vorhin im Landcruiser waren. Wir konnten kein anderes Gefährt nehmen, immerhin war unser Gepäck nicht da und wir hatten kein Geld. Kailash rief unseren Fahrer erneut an und schrie ihn regelrecht übers Telefon an, dass wir nun die Polizei informieren werden, wenn er nicht auf der Stelle zurück komme. Der Fahrer legte daraufhin einfach auf. Wir waren völlig ausgeliefert. Und am Verdursten. Ich konnte den Militär-Männern irgendwie klarmachen, dass wir sehr durstig waren. Daraufhin kochten sie liebenswürdigerweise Tee für uns. Kailash meinte, er würde den Tee nicht trinken, da er den Leuten nicht traue. Das war mir jetzt eigentlich egal, hauptsache trinken. Wenn sie uns wirklich kidnapen wollen, dann wäre es mir sowieso lieber nichts davon mitzubekommen. 

Über sechs Stunden ausgesetzt in der Wüste

Die Männer am Militärposten teilten einen Tee mit uns

Ich schickte per WhatsApp meinen Standort an Freunde zu Hause und informierte einen Couchsurfing Gastgeber von mir in Nairobi - sein Name ist Ash - über unsere Situation. Ash hat gute Beziehungen zu diversen Obrigkeiten in Kenia. Kailash wählte währenddessen den internationalen Notruf und berichtete denen über unsere Situation. Ash informierte die Polizei in Marsabit, welche sich dann auch sofort mit mir in Verbindung setzte.  Schön langsam kamen die Dinge ins Rollen. Die Polizei konnten unseren Fahrer ausfindig machen. Nach über sechs Stunden kam dieser dann plötzlich angefahren. Unsere Freude war grenzenlos!! Und sogar unsere Rucksäcke waren noch im Auto. Der Typ grinste uns an und entschuldigte sich für die Verspätung. Wir kontrollierten unser Gepäck, ob irgendetwas fehlte. Es war aber alles da. Unglaublich!

Es war nun schon spät, und wir würden Marsabit erst nach Einbruch der Dunkelheit erreichen. Die Wüste war sehr gefährlich nachts. Wir konnten nur hoffen und beten, dass nichts passiert. In irgdendeinem Kaff stiegen noch ein paar Samburu-Krieger zu uns auf die Ladefläche des Landcruisers und fuhren ein Stück mit. 

Kailash und ich rätselten noch lange darüber, was da heute passiert war. War der Fahrer eigentlich gar kein schlechter Mensch und hatte einfach nur ein Zeitmanagment Problem? Aber warum setzte er uns an so einem gottverlassenen Ort ohne Wasser aus? Oder hatte er doch irgendwelche Pläne mit uns, und dann als ihn die Polizei kontaktierte bekam er es mit der Angst zu tun? Wie auch immer, wir werden es wohl nie erfahren. Hauptsache wir haben diesen Tag heil überstanden und alle unsere Sachen wieder. 

Wir kamen sicher in Marsabit an und fanden eine simple Unterkunft für 400 Ksh/Nacht (= 3,17 €). Zum Abendessen besuchten wir wieder das somalische Restaurant, mit dem netten Besitzer. Es gab Bohnen mit Capati :D


Goodbye Marsabit

Am nächsten Morgen suchten wir einen Transport nach Nanyuki. Diesmal ein ganz normales Matatu. Alles ohne Zwischenfälle. Zurück in der Zivilisation. Kailash und ich gingen am Abend noch etwas trinken. Das war unser letzter gemeinsamer Abend. Am nächsten Morgen trennten sich unsere Wege wieder. Eine super spannende Woche mit unvergesslichen Abenteuern ist wieder zu Ende. Wie gern wären wir beide noch länger in dieser abgeschiedenen Region Kenias geblieben, aber wie gesagt, unsere Körper sind für eine solche Hitze nicht gemacht. Vielleicht werde ich irgendwann wiederkommen, wenn nicht gerade die heißesten Monate des Jahres dort sind. 

Für mich ging es heute zurück nach Nairobi, wo ich ich zwei Nächte bleiben werde. Die Zeit rast und meine Reise geht langsam dem Ende zu. Ich möchte diesen abenteuerlichen Trip gerne ganz gemütlich an der Küste Kenias ausklingen lassen. Am Freitag geht es deshalb nach Lamu Island - eine Insel an der nördlichen Küste Kenias, ganz nahe an Somalia. 



Also dann, bis bald!

Eure Michi :)







=> Hier findest du noch mehr Fotos und Videos von Marsabit <=


=> Hier findest du noch mehr Fotos und Videos von North Horr <=


=> Hier findest du noch mehr Fotos und Videos von Loiyangalani<=


=> Hier findest du noch mehr Fotos und Videos vom Elmolo Dorf <=







7 Kommentare:

  1. Liebe Michi, da habt ihr ja ein tolles Abenteuer erlebt. Ich bereise Kenia seit über 20 Jahren und war selten im Norden unterwegs. Leider nimmt hier die Kriminalität aktuell sehr zu. Auch die kleine Regenzeit dürfte ausgeblieben sein. Somit ist der Hunger und auch die Armut noch größer wie bisher. Du weißt schon dass du mehr Glück als Verstand gehabt hast? Es hat wahnsinnig viele Banditen im Norden. Auch von den Grenzen fallen immer wieder Banden ein. Passt bitte auf euch auf. Dennoch ein sehr spannender Artikel den ich sehr gerne gelesen habe. Kwaheri, Marion

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    1. Danke für deinen Kommentar liebe Marion. Der Norden Kenias ist für mich auf alle Fälle die spannendste Region des Landes, sowohl westlich wie auch östlich des Turkanasees. Ja, die Menschen leiden sehr unter der Trockenheit und haben auch viel Vieh dadurch verloren. Wenn ich in solche abgeschiedene Gegenden reise, rede ich immer viel mit den Leuten vor Ort bezüglich der Sicherheitslage. Ich mag zwar Abenteuer, aber zu leichtsinnig sollte es natürlich auch nicht sein. In den kritischeren Gegenden war auch immer ein bewaffneter Eskort mit im Auto.

      Liebe Grüße derzeit von Lamu Island :)

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  2. Du hast meinen größten Respekt für die Art zu reisen.
    Ich würde es mich nicht trauen und nach einer solchen Geschichte, ginge es für mich nicht weiter. Es hat sich auch nie herausgestellt, was der Fahrer wirklich in der Zeit gemacht hat und was hinter der ganzen Aktion stand, oder?

    Unfassbar und sehr mutig von Dir.

    Liebe Grüße, Katja

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    1. Was der Fahrer in der Zwischenzeit gemacht hat und ob er nur zurück kam wegen der Polizei werden wir wohl nie erfahren. Aber im Endeffekt sind wir einfach sehr dankbar, dass alles gut ausging. Wobei ich natürlich weiß, dass es in solchen Gebieten durchaus passieren kann, dass man tatsächlich ausgeraubt wird, von daher war ich auch schon gefasst auf eine solche Situation.

      Liebe Grüße,
      Michaela

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  3. Ich freue mich immer sehr auf deine Berichte. Total spannend... ich weiß echt nicht, ob ich so mutig wäre. O.K. ich reise ja auch viel mit Familie - aber ich hab mich schon gefragt, ob ich allein so mutig wäre... neugierig ja - sofort. Mutig... wohl eher nicht. Liebe Grüße
    Tanja

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  4. Liebe Michi,
    Ich lese so gerne bei mir, denn du bringst mir mein Herzensland Kenia noch einmal auf eine ganz neue Art und Weise näher. Wir haben vom Verein zwar auch ein Projekt in Marsabit, im Gegensatz zu meinem Mann war ich aber noch nicht da. Aber es reizt mich dennoch sehr - und deine Erfahrungen machen noch mehr Lust.
    Ich will aber auch unbedingt nochmal nach Samburu, ich war 2020 nur kurz im Samburu National Reserve für eine Safari, aber ich möchte so gerne das Frauendorf Umoja bei Isiolo besuchen. Dort hat eine kenianische Frauenrechtlerin (Rebecca Lolosoli) vor einigen Jahren das erste Dorf gegründet, in dem nur Frauen wohnen dürfen. Sie haben gemeinsam die britische Armee verklagt wegen Kolonialverbrechen an den Samburu-Frauen, kämpfen Scheidungen vor Gericht durch (was in der Samburu-Kultur eher ungewöhnlich ist) und sie setzen sich gegen die von dir auch genannte Genitalverstümmelung ein.
    Liebe Grüße von Miriam von Nordkap nach Südkap

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  5. Very nice I seen your all travelling videos 🎉👌🏻🎊

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Über Kommentare, Fragen, Wünsche & Anregungen freue ich mich immer sehr :)