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Sonntag, 16. November 2025


Da ich die Zeit bis zum Greater Patagonian Trail (GPT), den ich Ende November starte, noch überbrücken musste, entschied ich mich in der Zwischenzeit einen Abschnitt des Lykischen Weges in der Türkei zu wandern. Unter anderem auch, um mein Equipment vor der großen Reise noch einmal auf Herz und Nieren zu prüfen. 

Der Lykische Weg ist ein rund 540 Kilometer langer Fernwanderweg entlang der türkischen Südküste zwischen Fethiye und Antalya. Er folgt alten Handels- und Hirtenpfaden der Lykier, einem Volk, das vor über 2.500 Jahren in dieser Region lebte. Der Weg verbindet Küstenabschnitte mit Pinienwäldern, Bergkämmen, abgelegenen Buchten und traditionellen Dörfern. Er gilt als einer der schönsten Weitwanderwege der Welt, sowohl wegen seiner landschaftlichen Vielfalt als auch wegen der vielen historischen Überreste (lykische Felsengräber, römische Ruinen, usw).  


In einer Woche konnte ich nur einen kleinen Teil der gesamten Strecke zurücklegen, genauer gesagt war es ungefähr ein Viertel der Gesamtstrecke. 


Hier die technischen Daten:


Strecke: Ovacık (Ölüdeniz) → Kalkan

Distanz: 130 km, 5.000 Höhenmeter

Dauer: 6 Wandertage/ 6 Nächte

Style: alles Wildcamping



Tag 1: Start in Ovacık & gefährliche Lagerfeuer

Da ich in Antalya landete, musste ich zuerst den Startpunkt der Wanderung erreichen - in meinem Fall: Ovacık. Dazu ging es zuerst mit dem Bus von Antalya nach Fethiye (3h 30min, 400 TL) und von dort aus weiter nach Ovacık (ca 30 min). Mit dabei war Gerald, den ich aus Ecuador kenne (er war damals mein Couchsurfing-Gastgeber und wohnt mittlerweile in Deutschland). Er begleitete mich die ersten vier Tage. 


Da sich die Anreise  - inklusive Einkaufen von Gas und Verpflegung - etwas zog, starteten wir die Wanderung erst gegen 16 Uhr, in bereits traumhafter Abendstimmung mit spektakulären Ausblicken. 



Da es zu dieser Jahreszeit bereits gegen 18 Uhr dunkel wird, mussten wir auch schon bald einen Zeltplatz suchen. Wir fanden einen mit unglaublichem Ausblick. Und das Beste: ganz in der Nähe stand einfach so mitten im Nirgendwo eine Kühlbox mit eiskaltem, frischem Granatapfelsaft zur Selbstbedienung mit einer kleinen Kasse. So viel Luxus hätten wir tatsächlich nicht erwartet. Ansonsten war ringsum keine Menschenseele. Nachdem Gerald eindrücklich bewiesen hatte, dass er mit dem Gaskocher noch wenig Übung hatte - als er nämlich die Gaskartusche an den Kocher schraubte wurde er panisch, da das halbe Gas mit viel Gezische herauskam - bekam tatsächlich sein Zelt auch noch ein kleines Brandloch, da es von einem Funken des Lagerfeuers erwischt wurde. Aber gut, aus diesen Fehlern lernt man.



Tag 2: Butterfly Valley & das abgestürzte GPS-Gerät

Gegen 7:30 Uhr am Morgen wurde es hell. Ich habe erstaunlich gut in meinem Zelt geschlafen. Nach einem Kaffee und Porridge starteten wir in den Tag. Als wir mittags bei einem Bauern vorbeikamen, der Pita verkaufte, schenkte er mir sogar noch frische Weintrauben und ließ uns Trinkwasser auffüllen. Ich hatte Kapazität für 3,5 Liter, was perfekt gepasst hatte. Meistens hatten wir 1-2x am Tag die Möglichkeit Wasser aufzufüllen. 



Obwohl der Weg ins Butterfly-Valley (Schmetterlingstal) mit einem nicht übersehbarem Schild gesperrt war, ließen wir uns davon natürlich nicht abhalten.


Der Abstieg erwies sich durchaus als kleine Kraxelei, was mit dem schwerem Rucksack eine Herausforderung war. Teilweise waren mehr oder weniger vertrauenswürdige Fixseile vorhanden. Unten angekommen, fühlten wir uns wie in einem karibischen Paradies. Es gab sogar eine Bar und der Strand war wie aus dem Bilderbuch. Der sympathische Kellner wies uns daraufhin, dass man hier eigentlich nur mit einem sozusagen "Boot-Shuttle" herkommen kann, da der Wanderweg gesperrt ist - es gäbe dort jedes Jahr zu viele Todesfälle. Wir genehmigten uns einen überteuerten türkischen Kaffee und durften dafür unsere Power-Banks laden, während wir im badewannen-warmen, kristallklaren Wasser planschten. 


Butterfly Valley

Der Rückweg ging ebenso steil hoch, wie er vorher runter ging. An einer Kletterpassage muss sich irgendwie mein GPS-Gerät aus der Halterung gelöst haben, und verabschiedete sich geschätzte 100 - 150 m die Felswände hinunter. Wir sahen es noch zweimal an einer Felsstufe aufprallen und dann war es futsch. Ich bekam natürlich die helle Krise, da das Ding südteuer war und ich es ja für Patagonien brauche. Zuerst startete ich den waghalsigen Versuch die Felswand gerade hinunter zu klettern. Ich kam aber nicht weit, da das Unterfangen sehr riskant war und ich wollte nicht am nächsten Tag am Titelblatt der "Butterfly-Valley-News" erscheinen, als dümmster Wandertourist des Jahres. Ich beschloss den aussichtslos scheinenden Versuch zu starten, den Wanderweg zurück hinunter zu gehen und im dichten Urwald da unten das Teil zu suchen. Gerald empfand das als Schnapsidee und meinte ich sollte mich beeilen, da wir den Aufstieg vor Einbruch der Dunkelheit schaffen sollten. Unten angekommen war ich den Tränen nahe, denn es schien mir in dem dichten Gestrüpp unmöglich auch nur irgendwas zu finden, außer vielleicht ein paar Giftschlangen. Ich stieß ein Stoßgebet in den Himmel und wollte mich dann wieder auf den Rückweg machen. Doch dann - wie durch ein Wunder -  lag das Gerät direkt vor mir! Und das absolut Unglaubliche: Es war komplett unversehrt (bis auf ein paar kleine Kratzer) und funktionierte sogar noch!


Wir schafften es noch vor Einbruch der Dunkelheit einen Schlafplatz zu finden - auf einer wunderschönen Waldlichtung. Natürlich gab es auch wieder ein Lagerfeuer und zur Feier des Tages eine Dose Bier.



Tag 3: Dusche, Mandeln & Olivenbäume 

Unsere Zelte waren morgens vom Tau komplett nass. Wir konnten sie vor dem Start wenigstens ein bisschen trockener wischen. Es standen uns wieder etliche Höhenmeter bevor und die Sonne brannte gnadenlos vom Himmel. Ein kleiner „Wasserfall“ (so besagte es das Schild), der eigentlich nur 1,5 Meter hoch war, eignete sich hervorragend als Duschmöglickeit - eine wahre Wohltat! 

In einem Bergdorf drückte mir eine uralte einheimische Frau Mandeln in die Hand. Fast täglich schenkten uns Einheimische in den Dörfern Obst und Gemüse - wir waren wirklich gerührt von der Gastfreundschaft. Am frühen Nachmittag erreichten wir ein einfaches Restaurant, wo ich mir einen Salat gönnte. Wir nutzten die Chance und packten auch gleich unsere noch feuchten Zelte aus und ließen sie auf der Terrasse trocknen. Zudem eignete sich das WC mit Wasserschlauch hervorragend, für eine schnelle Dusche und um ein paar Kleidungsstücke zu waschen. Natürlich wurden auch die Power Banks geladen. Die Besitzerin kostete das Ganze nur ein Schmunzeln. 


Schlafplatz fanden wir unter einem Olivenbaum - von denen es hier Massen gibt - mit wieder einmal traumhaften Ausblick.


Abendstimmung unter dem Olivenbaum

Tag 4 in: Küstenblicke, Moschee-Dusche & Mückeninferno

Die heutige Strecke war eine der schönsten. Auf einer kleinen, abgeschiedenen Farm verkaufte uns eine Frau frischen Orangensaft. 



Es war wieder ziemlich heiß. Als wir ein kleines Dorf erreichten, fanden wir dort ein Gebäude mit einem Wasserhahn an der Hauswand. Es war dringend nötig unser Wasser aufzufüllen. Ich staunte nicht schlecht, als sich hinter einer Tür ein WC - wieder mit Wasserschlauch - befand. Ich beschloss die Chance zu nutzen und schnell zu duschen, währenddessen wusch Gerald draußen seine Wäsche. Wie sich dann laut Google Maps herausstellte, handelte es sich dabei um eine Moschee - ups! Als wir am Abend den Strand von Patara erreichten, auf den wir uns eigentlich sehr gefreut hatten, wurden wir bitter enttäuscht: er war komplett zugemüllt. Also wanderten wir ein Stück zurück in den Wald, wo wir einen ganz passablen Zeltplatz fanden. Pünktlich zum Sonnenuntergang startete eine regelrechte Stechmücken-Plage. 


Tag 5: Abschied von Gerald, Asphaltstraßen & antike Stätten

Die Nacht war ziemlich warm - ich habe in meinem -4°C Schlafsack ordentlich geschwitzt. Es stand ein super langer Asphaltabschnitt quer durch Tomaten-Gewächshäuser an. Das war auch der unschönste Abschnitt dieser Tour. 


In Kınık verabschiedete ich mich von Gerald. Er nahm von hier aus den Bus nach Antalya und musste dann wieder zurück nach Deutschland. Ich gönnte mir im Ort noch ein Mittagessen in einem lokalen Restaurant, in dem ausschließlich Männer saßen. Davon ließ ich mich natürlich nicht beirren. Es gab eine ordentliche Portion Salat (für umgerechnet 1,20 € auch der günstigste auf dieser Reise), dazu Hühnchensuppe und natürlich Ayran.

Wohlgestärkt führte der Weg mich weiter vorbei an den antiken Ruinen von Xanthos. Dort musste ich einen Eintritt von umgerechnet 3 € zahlen. Der nette Herr an der Kasse schenkte mir obendrein noch eine riesige Salatgurke. 

 

Xanthos

Die geschenkte Gurke ;)


Dann ging es endlich wieder raus aus dem Ort in die Olivenhaine. Der "Weg" (falls man ihn so nennen kann) führte alten, maroden Wasserkanälen entlang. Hier wimmelte es übrigens nur so von kleinen Landschildkröten. Man musste direkt aufpassen, nicht drauf zu steigen.


Achtung Schildkröte!

Mein Nachtlager baute ich in den Olivenhainen auf. 


Tag 6: Dornen & viel Gebüsch 

Ich war froh als ich an diesem Tag endlich zu einer Moschee kam, denn meine Wasserreserven waren ausgeschöpft. Der Weg wurde von nun an etwas unwegsamer und verwachsen mit Dornen. Teilweiser war die Wegfindung nicht einfach. Am Ende kam ich zu einer Schotterstraße. Ein nettes, älteres Ehepaar stoppte mit dem Auto und bot mir an, mich mitzunehmen - auch das passiert am Lykischen Weg regelmäßig. Nur in den seltensten Fällen sprechen sie aber mehr als drei Worte Englisch. Mit Händen und Füßen funktioniert die Kommunikation aber trotzdem immer ganz gut.


Der Zeltplatz am Abend war wieder einmal ein Highlight: Meerblick, ein kleines Lagerfeuer & Blick auf die Lichter des Örtchens Kalkan in der Ferne. 


Blick auf die Lichter Kalkans

Tag 7: Kraxelei & die Hitze von Kalkan

Bei den ersten Sonnenstrahlen setzte ich meine Wanderung fort. Heute ging es nur noch etwa 10 km nach Kalkan - aber die hatten es in sich. Es waren ein paar kleine Kraxeleien dabei und ich war die kompletten drei Stunden in der prallen Sonne. In Kalkan beendete ich dann meinen Wandertrip. 


Entspannen in Kaş

Nach einer Woche Wandern freute ich mich auf etwas Entspannung und "Urlaub". Ich nahm den Bus in den Nachbarort Kaş, wo ich mir ein kleines Studioappartment gemietet habe.  Dort blieb ich die nächsten zwei Tage. 



An zwei kleinen Anekdoten lasse ich euch noch teilhaben:

 

1. Das Überraschungsmenü

Ich suchte mir gleich am ersten Abend ein lokales Restaurant, das nicht allzu teuer aussah. Dort bestellte ich mir Salat und Pita.
Der Kellner stellte mir kurzerhand einen riesigen Teller Suppe auf den Tisch und war auch schon wieder verschwunden. Ich war etwas verdutzt und dachte mir im ersten Moment, dass das so eine Art Abzocke sei, dass er mir einfach Sachen bringt, die ich nicht bestellt habe, um am Ende mehr verlangen zu können. Oder hat er mich falsch verstanden? Oder gehört Suppe hier einfach immer dazu? Da ich einen Bärenhunger hatte, beschloss ich einfach zu essen. Als nächstes kam Brot (das ist eigentlich ganz normal hier in der Gegend, dass man zu jedem Essen Brot bekommt) mit einer ganzen Auswahl an Dips. Was läuft hier? Ein Trick? Ein Missverständnis? Es sah aber einfach so lecker aus, das ich mich nicht zurückhalten wollte. Ich beobachtete, dass die Leute an den Nachbartischen, die nach mir kamen, keine Suppe und auch keine Dips bekamen. Als dann irgendwann der bestellte Salat kam, hatte ich schon fast keinen Hunger mehr. Der Kellner bemerkte das wohl und musste schmunzeln. Das Pita musste ich mir dann einpacken lassen. Als es dann ans Zahlen ging, kam quasi die Stunde der Wahrheit. Zu meiner Überraschung waren die Extras kostenlos. Aufgrund der fehlenden Englisch-Kenntnisse des Kellners konnte ich das Rätsel nie ganz auflösen, aber wahrscheinlich war er einfach nur besonders nett zu mir. 


2. Die Waschmaschinen-Überschwemmung

Mein kleines Appartment hatte zu meiner Freude sogar eine Waschmaschine - ein wahrer Segen nach einer Woche Wandern.

Bis sie während des Programms plötzlich Wasser ausspuckte und zwar ordentlich. Mein Zimmer wurde geflutet und ich versuchte mit dem Knie gegen die Maschinentür zu drücken, um das herausstömende Wasser zu stoppen. Nach ein paar Minuten wurde mir das zu anstrengend. Zum Glück konnte ich den Waschgang vorzeitig abbrechen. Eigentlich hätte ich sofort  denBesitzer informieren können, was ich aber im Anbetracht der Tatsache, dass er mich bei meinem Ankommen bereits sichtlich angeflirtet hatte, nicht machte. Er bot mir nämlich gleich Kaffee an - was natürlich sehr nett war- , aber dann ließ er sich auf meiner Terrasse nieder und wollte da scheinbar gar nicht mehr weg. Er nutzte die Zeit um mich auszufragen, wie es den mit meinem Zivilstand aussehe, usw. Auf eine Fortsetzung dieser Konversation so spät am Abend hatte ich nun wirklich keine Lust. Als blieb mir nichts anderes übrig als das Waschmaschinen-Massaker aufzuwischen. 


Infos & Tipps zum Lykischen Weg:

• Friedhöfe und Moscheen eignen sich immer sehr gut, um Wasser aufzufüllen. 

• Das Wasser habe ich meist ungefiltert getrunken. In manchen Gegenden habe ich aber eine Wasseraufbereitungstablette benutzt (Micropure). Am besten die Einheimischen fragen.

• Power Banks, Handys etc am besten bei einem Kaffee oder Snack in einem der Restaurants aufladen lassen.

• Wildcampen ist so gut wie überall geduldet. Ich habe meine Zeltplätze aber stets abseits der Wege und nicht unbedingt auf den ersten Blick sichtbar gewählt. 

• Die Infrastruktur ist recht gut, man kommt fast täglich mindestens einmal an einem Shop oder Restaurant vorbei. 

• Die Wegmarkierungen sind nicht immer gut, deshalb ist es von Vorteil sich die Route auf Offline-Maps auf das Handy herunterzuladen z.B. Organic Maps - dort sind sogar alle Wasserstellen und möglichen Zeltplätze markiert. 


Fazit

Der Lykische Weg hat mich sehr positiv überrascht - vor allem die eindrückliche Landschaft und die freundlichen Einheimischen.  


Bei der Planung habe ich mich jedoch etwas überschätzt, ich dachte mir nämlich, dass ich locker 30 - 40 km am Tag schaffen würde (anstatt der empfohlenen 15 - 20 km), immerhin bin ich ja sehr sportlich und laufe Ultramarathons. Da habe ich mich aber ordentlich getäuscht. Zum einen ist da der schwere Rucksack, zum anderen dauert es morgens und abends seine Zeit das Zeltlager in Ruhe auf- und abzubauen. Morgens ist zudem oft alles nass vom Tau und man möchte das Zeug wenigstens ein bisschen trocknen lassen. Um diese Jahreszeit sind die Tage außerdem sehr kurz. Die Mittagspause fiel oft länger aus, unter anderem um die elektrischen Geräte zu laden. Genügend Zeit einzuplanen ist also empfehlenswert. 


Ich möchte den Lykischen Weg auf alle Fälle irgendwann zu Ende wandern - vielleicht schon nächstes Jahr. 


Und der Wichtigste: Mein Equipment-Test für Patagonien war erfolgreich!



Eure Michi



=> Hier findest du alle meine Fotos vom Lykischen Weg <=





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