Wahrscheinlich hat sich jeder schon mal darüber Gedanken gemacht, welche zehn oder vielleicht sogar 100 Dinge man im Leben einmal getan haben sollte. Bei mir stand auf dieser Liste auf alle Fälle ganz oben "einmal einen Marathon laufen". Das Laufen gehört ja schon seit Längerem neben dem Bergsteigen zu meinen Lieblingshobbies. Bereits in der Grundschule war ich bei den Laufwettkämpfen immer vorne dabei und hatte auch großen Spaß daran. Vor einigen Jahren war ich dann beim Salzburg Halbmarathon dabei und war sehr überrascht, dass ich ohne viel Training eine gar nicht so schlechte Zeit lief. Und nun bin ich tatsächlich meinen allerersten richtigen Marathon gelaufen - und das gleich mit 1.800 Höhenmetern: den Jungfrau Marathon in der Schweiz. Ich glaube das Lauffieber hat mich nun richtig gepackt...
Wie es dazu kam...Ich muss zugeben, dass ich nicht ganz freiwillig zu diesem Vergnügen kam. Mein ehrenwerter Papi hat mir schlicht und einfach zu meinem 30. Geburtstag einen Startplatz für den Jungfrau Marathon geschenkt *lach*. Aber er kennt mich ja gut genug und wusste, dass für mich so etwas eine absolut willkommene Herausforderung sein wird. Zudem war die Anmeldung zum Marathon bereits im Februar diesen Jahres - ich hatte also noch ausreichend Zeit zum Trainieren.
Mein Papi und ich kurz vor dem Start |
Das TrainingEhrgeizig wie ich bin, begann ich auch gleich ordentlich zu trainieren. Das gestaltete sich anfangs nicht ganz komplikationslos. Immerhin ist es gar nicht so gut, gleich von null auf hundert voll durchzustarten. Das wurde mir dann durch ein wochenlang schmerzendes Knie-Seitenband und eine beleidigte Achillessehne ganz deutlich aufgezeigt. Aber ich ließ mich davon nicht lange abhalten. Nach einer fast ein-monatigen Laufpause, in der ich ein ganz tolles Marathon Buch zur Motivation gelesen hatte, startete ich dann langsam wieder mit dem Training und begann nun auch mehr Krafttraining und Stretching einzubauen.
Im Endeffekt war die Trainingszeit geprägt von sehr vielen Auf und Ab´s, aber ich denke das muss auch genau so sein. Im letzten Monat vor dem Marathon bekam ich dann so richtig Stress und begann meinen Laufumfang ordentlich zu steigern und auch auf meine Ernährung mehr zu achten. Nicht, dass ihr jetzt denkt, ich wollte da auf irgendeine neue Bestzeit hintrainieren. Mein einziges Ziel war es im vorgegeben Zeitrahmen das Ziel zu erreichen. Und das ist bei dieser Strecke und dem doch recht knappen Zeitrahmen schon eine ordentliche Herausforderung, vor allem wenn es sich um den ersten Marathon handelt.
Ich muss noch erwähnen, dass natürlich auch mein Papa beim Marathon angemeldet war. Zudem konnte ich noch meine Freundin Anki und meinen Kumpel Werner überreden mitzumachen. Und die drei waren auch ein riesengroßer Ansporn für mich. Werner hat eine eigene kleine Firma und Anki hat bereits eine Familie, von daher wusste ich, dass es für sie noch um einiges härter sein wird, Zeit zum Trainieren zu finden. Wir motivierten uns aber stets gegenseitig indem wir unsere Laufeinheiten auf Strava oder Runtastic teilten. Immer wenn ich sah, dass einer von ihnen einen langen Lauf hinlegte, motivierte mich das umso mehr, sie gleich wieder zu übertrumpfen *lach*. Und natürlich ermunterten wir uns gegenseitig in unseren Down-Phasen weiter zu machen.
Der Tag XNun war es soweit. Der sozusagene Tag X stand vor der Tür. Meine Familie und Freunde aus Österreich reisten am Vortag an. Wir waren alle ordentlich nervös. Die Nacht davor war ich von schrecklichen Kopfschmerzen geplagt. Keine Ahnung woher die plötzlich kamen, so etwas habe ich nämlich normalerweise nie - wahrscheinlich war es tatsächlich bloß die Aufregung. Besonders gut geschlafen habe ich auch nicht. Man muss auch dazu sagen, dass in der Nacht sieben Leute in meiner Ein-Zimmer-Wohnung schliefen.
Nach einem kurzen Frühstück (für mich gab es Kartoffeln mit Salz) begaben wir uns nach Interlaken. Dort war der Start. Unglaublich was da in dem kleinen Örtchen plötzlich los war. Über 4.000 Starter und noch viel mehr Zuschauer. Plötzlich wurde ich richtig nervös. Im Minutentakt musste ich auf die Toilette. Vor den Dixi Klos standen bereits ewig lange Menschenschlangen an. Mit ganz viel Glück konnten wir uns in ein schönes kleines Hotel schwindeln und verbrachten dann die Zeit bis zum Start dort. Immerhin hatten wir es da schön warm und konnten unserem ständigen Harndrang gut nachgehen ;)
Der LaufDann ging es in letzter Minute zur Startaufstellung. Leute, ich sag´s euch, das Feeling war unglaublich. Immerhin drehte sich mein ganzes Jahr 2018 um genau diesen Tag und diesen Marathon, der nun in wenigen Sekunden starten sollte. Genau das wurde mir immer mehr bewusst. Mein Herz raste. Wir umarmten uns alle nochmals ganz fest und wünschten uns viel Glück.
Mein Papa, ich, Anki und Werner in der Startaufstellung |
Nun ging es los. Plötzlich begann sich die Masse zu bewegen, und das auch noch ziemlich schnell. Ich bemerkte das anfangs gar nicht. Erst als Anki mir das aktuelle Tempo sagte, wurde mir klar, dass wir einen ordentlichen Speed hinlegten. Ich versuchte nicht zu schnell zu laufen. Aus irgendeinem Grund sind bei mir die ersten 5-10 km sowieso immer eher zäh. Wenn ich dann mal warm bin geht´s meistens um Einiges besser.
Irgendwann waren Anki und Werner vorne, mein Papi und ich weiter hinten. Das störte mich aber nicht. Nachdem wir das Örtchen Bönigen passierten, musste ich schon wieder pinkeln. Ich machte keine große Sache draus und ging einfach schnell hinter einen Busch.
Ich war immer noch mega aufgeregt. Aber ich merkte, dass ich kontinuierlich Leute überholte. Irgendwann bei Lauterbrunnen, traf ich dann wieder auf Werner. Ich freute mich unglaublich, nach über 20 Kilometern ein bekanntes Gesicht zu sehen. Ich sprühte nun förmlich vor Energie. Nach einem kurzen Plausch überholte ich ihn. Kurz vor der steilsten Steigung des Laufes, also unter Wengen, traf ich dann auch noch auf Anki. Sie wirkte etwas gequält und klagte über Übelkeit. Wir liefen ein Stück gemeinsam. Ich war immer noch überraschend energiegeladen und überholte auch sie irgendwann.
Dann meldete sich plötzlich mein Knie-Aussenband. Kurzzeitig brach eine Welt für mich zusammen. Ja, ich glaube ich hätte fast zu heulen begonnen. Ich hatte so unendlich viel Energie und war so adrenalingeladen. Aber ich wusste, dass mir dieses blöde Seitenband alles zunichte machen konnte. Bei der nächsten Massage-Station ließ ich mich etwas massieren und bettelte die Physiotherapeutin an, mir ein Schmerzmittel zu geben. Sie weigerte sich. Wenn es weh tue sollte ich doch aufhören, das sei ein Zeichen des Körpers. Na gut, sie hatte nicht ganz unrecht, aber heute an diesem speziellen Tag würde ich niemals einfach so aufhören. Es ging weiter. Ich überholte immer noch fortwährend Leute. Das war teilweise gar nicht so einfach, da der Weg zu schmal war. Mein Außenband tat kontinuierlich weh, aber es wurde zum Glück nicht mehr.
Mein Papa hat mich schon vorgewarnt, dass ab etwa Kilometer 35 der "Mann mit dem Hammer" kommen wird, was heißen sollte, dass es dann richtig zäh wird und man sich mit Aufgebens-Gedanken herumschlagen muss. Ich wartete auf diesen Mann vergeblich. Die Kilometer zogen nur so vorbei an mir. Ich fühlte mich fast wie Super-Woman. Überall waren Menschen, die anfeuerten. Es war einfach alles perfekt. Als dann der Single Trail begann, war ein Überholen schlichtweg unmöglich. Das nervte mich zwar kurz, aber die atemberaubende Gegend, die Eiger-Nordwand vor der Nase und das absolut perfekte Wetter machten alles wieder gut. Kurz vor Kilometer 41 kam der Mann mit dem Dudelsack. Von einigen Youtube Videos her wusste ich, dass es nach ihm nur noch bergab bis zur Kleinen Scheidegg ging. Außerdem wusste ich in dem Augenblick, dass ich es schaffen werde. Dass ich in einigen Minuten durch das Ziel laufen werde. Das war für mich in dem Moment alles so emotional berührend, dass ich mit den Tränen kämpfte.
Nun ging es nur noch bergab. Ich war immer noch so energiegeladen, wie niemals zuvor in meinem Leben. Wenige Momente später lief ich nach 5 Stunden und 13 Minuten überglücklich durch das Ziel. Dort erwartete mich bereits meine Mama, mein Bruder und ein Kumpel. Es war bestimmt einer der schönsten und aufregendsten Augenblicke meines ganzen Lebens.
Überglücklich beim Zieleinlauf |
Ich bin immer noch total geflasht von diesem Erlebnis! Und ich kann mich ziemlicher Sicherheit sagen, dass das bestimmt nicht mein letzter Marathon war.
Die stolzen Finisher des Jungfrau Marathon 2018: Werner, Anki & ich |
Facts
✅ Start: Interlaken
✅ Ziel: Kleine Scheidegg
✅ Länge: 42,195 km
✅ 1.800 Höhenmeter
✅ Zeit: 5 Stunden und 13 Minuten